Mittwoch, 5. September 2012

Exerzitien für die Aussätzigen auf Molokai

St. Damian Deveuster

Bereits wiederholt war in diesen Blättern von der Aussätzigen-Niederlassung in Molokai die Rede. Folgende Mitteilungen, die wir in einem Brief des hochw. P. Archambaux von der Kongregation der heiligen Herzen (datiert aus Lahaina, Insel Maui, den 8. September 1876) entnehmen, berichten über deren gegenwärtigen Zustand.

„Auf der Rückreise von Honululu berührte P. Damian Deveuster Lahaina und beredete mich, ihn nach Molokai zu begleiten; es sollten daselbst Exerzitien gehalten werden. Am 25. August steigen wir den steilen Felsenpfad herab und gelangten so in die abgeschiedene Ebene, welche den Aussätzigen zum Aufenthalt angewiesen ist. Dieselbe enthält zwei Dörfer, Kalaupapa mit freundlichen weißen Häusern und der katholischen Kapelle, und Kalawao, wohin wir unsere Schritte lenkten.
Am Eingang des Dorfes gewahre ich einen geräumigen, ummauerten Plan, mit zahlreichen Gebäuden: das ist der Ort, wo die Kranken, bei denen der Aussatz am weitesten fortgeschritten ist, verpflegt werden. Aus allen Häusern kam uns eine Menge Männer, Frauen, Kinder entgegen, von denen die meisten schrecklich entstellt waren, mehrere sich nur mühsam herbeischleppten.
Sie wollten Nachrichten von Verwandten und Freunden erhalten. Ein junger Aussätziger hielt sich, indem er zu mir trat, beide Hände vor das Gesicht. ‚Du brauchst dich nicht zu scheuen, mein Kind‘ sage ich zu ihm; er ließ die Hände sinken, und ich blickte in ein von der Seuche grässlich zerfressenes Antlitz. Inmitten dieser Ärmsten betraten wir die Kapelle.
An den folgenden Tagen, noch vor Eröffnung der Exerzitien, führte mich P. Damian in fast alle Häuser der beiden Dörfer. Wir stellten Fragen an die Kranken, redeten zu ihnen Worte der Ermutigung und hörten diejenigen, welche beichten wollten.
Obgleich ich wiederholt auf der Insel Maui Gelegenheit gehabt hatte, die Opfer des Aussatzes zu besuchen und zu beerdigen, fühlte ich mich doch ergriffen, als ich eine so große Anzahl dieser Unglücklichen um mich sah. Da findet man Personen von jedem Alter und jedem Stand aus allen Inseln des Archipels, denn von allen Seiten bringt man die Aussätzigen hierhin. Katholiken und Protestanten haben hier einen Friedhof, dessen zahlreiche Grabsteine eine stumme, aber eindringliche Predigt sind.


Nun begannen die Exerzitien, welche die Gewinnung des Jubiläumsablasses vorbereiten sollten und auf welche darum unsere Kranken sich nicht wenig gefreut hatten: waren sie ihnen doch ein Mittel, schöner und reiner zu erscheinen in den Augen Gottes. Die Vorträge wurden in Kalawao gehalten. Eine Woche lang strömten alle diejenigen, denen es ihr Zustand erlaubt, am Morgen und am Abend zur Kapelle. Hier wohnten sie dem heiligen Messopfer und den Vorträgen bei, legten ihre Beichte ab, beteten den Rosenkranz, verrichteten den Kreuzwege und andere Übungen der Andacht. Täglich ging einer von uns beiden Priestern nach Kalaupapa hinüber. Auch hier drängten sich alle zur Kapelle, und als P. Damian die Generalkommunion abhielt, wirkte ein Sängerchor von Aussätzigen mit staunenswerter Präzision zur Hebung dieser schönen Feier mit.


Und doch, auch hier bemüht sich der Teufel, seine böse Saat zu säen; er gab mehreren Unglücklichen, welche keine Christen waren, den Gedanken ein, gewisse heidnische, unsittliche Tänze zu veranstalten. Schon war der Altar errichtet, auf welchem dem Götzen, den die Heiden bei ihren Tänzen verehren, ein Opfer dargebracht werden sollte; da hintertrieben P. Damian und der Gouverneur das Ärgernis.
Auch gibt es unter den Aussätzigen Kalvinisten und Mormonen, aber nie hat einer ihrer Prediger den Fuß auf diese Stätte des Elends gesetzt. Unter dem beständigen Eindruck der Nähe des Todes, welchen auch fast wöchentlich der Klang des Sterbeglöckleins neu erweckt, und Dank den Bemühungen des Missionärs und einiger seeleneifriger Katholiken, sind auch viele derselben in den Schoß der wahren Kirche zurückgekehrt.


(Aus: die katholischen Missionen, 1876)

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