Mittwoch, 30. Januar 2013

Wie ein späterer Kardinal sich auf Missionsreise die Rippen brach...

Río Neuquén in Patagonien (Autor: Andarin2)

Herr Dominikus Milanesio aus der Kongregation der Salesianer berichtet aus Chile über einen traurigen Unfall, der seinen Bischof, Msgr. Cagliero, auf einer Missionsreise betroffen:

„Unsere Mission in den Einöden Patagoniens hatte vier Monate gewährt und mit Gottes Segen reiche Früchte getragen. Wir hatten Negro Muerto, Choel-Choel, Chichinal, S. Flora, Roca und las Cavanitas am Ufer des Rio Negro besucht.
Sodann waren wir 90 Meilen den Neuquen und Rio Agrio entlang gezogen, um zwei neue Stationen zu Codihue und Aorquin zu gründen. Dort, am Fuß der Kordilleren, hatte Msgr. Cagliero ein Kapellchen zu Ehren der hl. Rosa eingesegnet, P. Panaro soll hier den Dienst versehen.
Im ganzen betrug der Weg unserer apostolischen Wanderung 250 Meilen; jedem Stamme, den wir trafen, verkündeten wir die frohe Botschaft des Heiles; überall wurden wir mit Freuden aufgenommen.
Am 2. März schlossen wir die Mission von Malbarco. Zwei Stunden nach Mittag begaben wir uns auf den Weg, um in Chacay Mlei-hue, das 7 Meilen höher liegt, die gleiche Tätigkeit zu beginnen.
Bis jetzt hatten wir uns ausschließlich sanfter Reittiere, deren Charakter uns wohl bekannt war, bedient; allein da dieselben sehr abgemagert und matt waren, ließen wir sie zurück und nahmen von unseren Gastfreunden mit herzlichem Dank frische Pferde. Der Bischof indes schien ein Unglück zu ahnen; denn nur ungern wollte er sich des neuen Tieres bedienen. 


Unter dem Schutz der allerseligsten Jungfrau setzten wir uns in Bewegung. Herr Lucas Becerra, unser zuvorkommender Wirt, ließ es sich mit acht anderen Kolonisten nicht nehmen, den Bischof und seine Missionäre bis auf den halben Weg zu begleiten.
Drei Viertelstunden ritten wir den Rio Nehueve entlang, ehe wir ihn auf einer Furt übersetzen konnten. Dann ging es aufwärts über steile Pfade.
Oben fanden wir in reizender Lage bei kühlem Wasser eine verlassene Hütte, in der wir uns für die Nacht einrichteten. In der Morgendämmerung nahmen Herr Lucas und fünf seiner Gefährten Abschied, die drei anderen wollten uns bis zur nächsten Mission das Geleit geben. 


Ein Kuhhirte aus den Anden war unser Führer; chilenische Kaufleute, die bei den armen Bewohnern ein kleines Geschäft zu machen hofften, hatten sich der Reisegesellschaft angeschlossen. Heiter eilten wir die Höhe der Mala-Cuhuello hinan, nur Msgr. Konnte sich trüber Ahnungen nicht entschlagen.
Kaum hatten wir zwei Meilen zurückgelegt, da ging sein Sattelgurt los und schlug heftig in die Seiten und um die Füße des Pferdes. Das Tier scheut, wird unruhig, bäumt sich und jagt dann in wildem Galopp über den jähen, steinigen Pfad längs den grausigen Abgründen.

Sie können sich unsere Angst denken; hinter ihm drein sprengen, hätte unfehlbar das wilde Tier nur noch wütender gemacht. Wir hielten den Atem an und beteten aus Herzensgrund für die Rettung unseres Bischofs.
Dieser hatte, Gott sei Dank, seine volle Besinnung bewahrt. Er empfahl sich dem Schutz Mariens und sprang aus dem Sattel. Zum Glück hatte eine weniger gefährliche Stelle gewählt, sonst wäre er sicher des Todes gewesen.
Im Nu waren wir an seiner Seite. Unter tausend Fragen suchten wir ihn aufzurichten; es dauerte jedoch mehr denn zwei Stunden, ehe er uns zu antworten vermochte. Die erste Sorge des Oberhirten, als er wieder zu sich kam, war die, seine Umgebung zu beruhigen. ‚Nada, Nada, es ist nichts‘, war sein Trost. 


Als er bemerkte, wie heftig Don Milanesio weinte, sagte er: ‚Warum so untröstlich, Don Milanesio, wollen sie mich glauben machen, ich sei verloren? Nur wie Rippen von allen gebrochen, das ging doch noch gut ab! Man lebt auch so noch mit einer oder zwei weniger. Mut! Mut! Das geht wieder vorbei.‘ Dann setze er hinzu: ‚Der liebe Gott hat es so geschickt, er sei gepriesen, sein heiliger Wille geschehe. Maria von der immerwährenden Hilfe, bitte für mich.‘ 


Je mehr der Verwundete zu sich kam, desto fühlbarer machten sich die Schmerzen; wir bereiteten ihm so gut es ging ein Lager aus unseren Pferdedecken und betteten ihn darauf.
Sofort ritt einer den vier Kolonisten nach, welche sich vor kurzem verabschiedet hatten, um ihnen Kunde von dem Unglück zu bringen. Bald nachher waren sie sämtlich zurück.
Der Schmerz der guten Männer beim Anblick ihres leidenden Oberhirten war groß, namentlich Herr Lucas Becerra konnte sich der Tränen nicht erwehren.
Der Bischof versuchte ihn zu trösten; er nahm ihn freundlich bei der Hand und sagte lächelnd: ‚Mein lieber Herr Lucas, könnten Sie nicht in der Nähe einen Schmied auftreiben?‘
Verwundert ob dieser Frage versetzte der Angeredete: Das dürfte schwer halten, indes unmöglich ist es nicht; aber was wollen Ehrwürdige Gnaden mit dem Schmied?‘ — ‚Das ist doch einfach, er soll mir meine zwei Rippen wieder an die rechte Stelle setzen.‘ Bei solchen Gesprächen hätte man nicht glauben sollen, welch heftige Schmerzen der Bischof auszustehen hatte.

Es war schon 8 Uhr morgens, die Sonne brannte schon heftiger, da trugen wir Msgr. behutsam in den Schatten eines Felsens, während einige wohl 2 Meilen weit her Wasser holten.
Um die Schmerzen des Verwundeten zu lindern, befeuchteten wir die leidenden Stellen mit unserem Messwein. Der linke Lungenflügel hatte offenbar gelitten. Ich ließ den Kranken einige Schluck Wein nehmen, was ihn sichtlich stärkte. Inzwischen hielten wir Rat über die nächste Zukunft.
Der hochw. Herr konnte unmöglich hier bleiben, wo es an allem zu seiner Pflege gebrach. Wir suchten das frömmste Tier unter unseren Pferden aus und hoben den Bischof darauf.
Vor ihm saß einer unserer Begleiter, zu beiden Seiten schritten zwei andere, während ich das Tier sachte am Zügel führte. Der Abstieg verursachte dem Verwundeten neue Qualen. Unablässig rief er in den heftigen Schmerzen die heiligen Namen an. 


Als wir den Neuquen erreicht hatten, verließen den Bischof die Kräfte; seine tiefen Seufzer zerschnitten uns fast das Herz. ‚Es geht gut, allein die Lunge will nicht recht arbeiten‘ sagte Msgr. ganz ergeben.
Es war hohe Zeit, dass wir uns bald menschlichen Wohnungen näherten, sonst wäre der Bischof erlegen. Im Hause des Herrn Lucas hatte die besorgte Frau alles zur Aufnahme des Kranken hergerichtet. 


Während wir abwechselnd Tag und Nacht bei dem Oberhirten wachten, verschafften ihm die einfachen Mittel des Hausherrn wunderbare Linderung. Am ersten Tag hatten wir einen Expressboten nach Chile abgeordnet.
Derselbe sollte von den Franziskanern in Chillan die unentbehrlichsten Arzneien bringen.
Der Bote legte den Weg in 10 Tagen zurück und kam Dank der Güte der Patres reich beschenkt zurück. Indessen erholte Msgr. sich langsam.
Täglich kamen die Eingeborenen scharenweise, um sich nach ihrem Vater zu erkundigen und ihm Geschenke zu bringen.

Am 12. März erhob sich der Kranke zum ersten Mal, Tags darauf an einem Sonntag ließ er sich nicht abhalten, einigen 20 Personen die heilige Firmung zu spenden.
Am Fest Mariä Verkündigung feierte Msgr. Cagliero seit seinem Sturz wiederum das erste heilige Messopfer, reichte 18 Personen die heilige Kommunion und firmte 11 weitere.
Diese Anstrengung ermüdete ihn jedoch so, dass er sich abermals zu Bett legen musste.

(Aus: die katholischen Missionen, 1887)

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