Mittwoch, 26. Juni 2013

Wandermission unter den Indianern in British Columbia

Fraser Canyon bei Fountain, BC


Zu den schönsten Indianermissionen Britisch-Nordamerikas (d.h. Kanadas) gehört unstreitig diejenige der Oblaten in der Diözese Westminster, British Columbia. Die gleichnamige Provinz zählt auf 990.100 qkm etwa 100.000 Einwohner, die Diözese etwa 20.000 Katholiken, von denen ein großer Bruchteil Indianer sind. Seit mehr denn 50 Jahren haben die Oblaten mit unermüdlichem Seeleneifer unter den verschiedenen Stämmen gewirkt und Christentum und Zivilisation unter ihnen verbreitet.

Ein Einzelbild aus dem dortigen Missionsleben gibt der Bericht eines jungen Missionärs, des hochw. P. Rohr, der vor einiger Zeit die zahlreichen Indianerniederlassungen längs des Fraser-Flusses besuchte. Dieselben erstreckten sich in einer Länge von etwa 100 englischen Meilen und besteht durchschnittlich bloß aus je 40-50 Köpfen. 

„Die Indianer haben sich überall selbst ein Kirchlein oder eine Kapelle gebaut und bestehen darauf, dass der Schwarzrock – nicht wie es ehemals geschah, sie an einen Ort zusammenruft – sondern ihre Lager einzeln besucht. Sie sind sogar eifersüchtig, wenn er eines der Lager öfters beehrt als andere.“ 
So nimmt der Rundgang trotz aller Dampfer- und Bahngelegenheiten 6-8 Wochen in Anspruch. Die Ankunft des Schwarzrocks ist aber auch jedes Mal ein wahres Fest für die Rothäute, die mit kindlicher Liebe an ihren Seelenhirten hängen.

Hören wir nun, wie P. Rohr den Verlauf dieser Wandermission schildert.
„Um 6 Uhr stehen wir auf und bereiten uns zur heiligen Messe vor, die von einer Ansprache begleitet ist. Nach dem Frühstück ist Christenlehre bis Mittag, eine zweite Christenlehre geht der Segensandacht am Abend voraus und eine dritte schließt den Tag ab.“ 
Eigenartig schön sind einige Gebräuche und Sitten, die sich in diesen Indianergemeinden eingebürgert. „Bevor die Leute zur Beicht gehen, kommen sie alle und knien vor dem Priester nieder. Dann tritt einer nach dem anderen vor und bittet um Verzeihung für alle gegebenen Ärgernisse. Der Pater gibt dann jedem eine kleine Ermahnung, die sich natürlich auch an die übrigen richtet. 
Mann und Frau knien nebeneinander, bringen ihre häuslichen Zwiste vor, indem sie sich gegenseitig ihre Schuld vorhalten, um dann feierlich Frieden zu schließen.“

Aber auch außer der Beicht wird in der Christenlehrhalle oder in der Wohnung des Häuptlings eine Art Kapitel gehalten mit freiwilliger Selbstanklage, eine Art öffentlicher Kirchenbuße. „Alles versammelt sich. Die Frauen nehmen Platz auf dem Boden, die Männer sitzen auf Stühlen. Der Priester stellt sich in die Mitte und gibt das Zeichen zum Beginn. Lautlose Stille tritt ein. Alles wartet gespannt, wer wohl den Anfang machen würde. 
Endlich erhebt sich einer, tritt vor, kniet vor dem Pater nieder und macht das Zeichen des Kreuzes. Dann hebt er an und sagt z.B.: 
‚Ich spreche zu Gott und zu dir, mein Vater. Mein Herz hat keinen rechten Mut, das Gebet schmeckt ihm nicht mehr, es vergisst oft, zu beten. Daher freut es sich, dich hier zu sehen, denn du kommst, um ihm Hilfe zu bringen und es zu reinigen. Ich habe gesprochen.‘

Der Pater sagt in diesem Fall einiges über das Gebet, wie notwendig dasselbe sei, um ein gutes Leben zu führen u. dgl. Hat einer öffentliches Ärgernis gegen, so klagen ihn die übrigen an. Er verteidigt sich so gut er kann, und der Pater gibt das entscheidende Urteil. Hat z.B. ein Mann dem Schnaps zugesprochen, so muss er, falls er noch nicht die erste heilige Kommunion empfangen hat, 2 Dollar, sonst 3 Dollar Strafe zahlen. Das Geld wird zu Kirchenzwecken, zur Anschaffung von Altargeräten u. dgl. verwendet.

Hie und da kommt es bei diesen öffentlichen Schuldbekenntnissen wohl auch zu hitzigen Auftritten, so dass der Priester vermittelnd und versöhnend eingreifen muss. Diese Verhandlungen finden meist abends statt und ziehen sich oft tief in die Nacht hinein. 

Die Krone der für jede Neiderlassung so gnadenreichen Missionstage bildet jedoch die Generalkommunion. Das Allerheiligste bleibt den ganzen Tag lang ausgesetzt. Blumen, Kerzen, bunte Lampions schmücken das Heiligtum. Im Dorf herrscht Sonntagsruhe; alles geht festtäglich gekleidet. Zu jeder Tageszeit knien Andächtige vor dem Tabernakel. 
Jeder Familienvater bringt Frau und Kind mit. Dabei reden viele mit dem Heiland im Tabernakel ganz laut, danken ihm für alle Gnaden, bitten um Verzeihung, dass sie denselben nicht besser entsprochen, und versprechen Besserung. 
Die Männer bleiben oft stundenlang knien und scheinen nicht müde zu werden, dem Heiland laut ihre Liebe zu versichern. Manche Christen von drüben täten gut daran, hierher zu kommen und von diesen Wilden zu lernen. Menschenfurcht kennen sie nicht; niemand denkt auch nur daran, zu lachen; sie fühlen sich alle eins vor Gott. So was tut dem Herzen des Missionärs wohl, es ist sein einziger Trost.

Der Tag schließt mit der Weihe ans göttliche Herz. Dabei knien die Häuptlinge mit brennenden Kerzen vorn an der Kommunionbank und weihen sich und ihre Familien dem Heiland, indem sie alle ihre Kräfte aufzubieten, dass der Teufel nicht unter den Ihrigen Soldaten werbe. Eine krachende Böller- oder Flintensalve verkündet den Schluss des feierlichen Aktes.

Selbstverständlich sind nicht alle diese Rothäute Musterchristen, und auch unter ihnen finden sich laue und nichtsnutzige Menschen, im Ganzen aber bieten diese Gemeinden ein wirklich trostvolles Bild eines echten lebendigen Christentums.


(aus: die katholischen Missionen, 1904)

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