Samstag, 22. Februar 2014

Da gibt’s was zu staunen – Neubekehrte pilgern zum Grab des hl. Franz Xaver

Basilika Bom Jesus, Alt-Goa, Indien. Die Kirche beherbergt die Reliquien des hl. Franz Xaver (Bildquelle: P.S. Sujay)


Die Ausstellung des Leibes des Heiligen, die, wie bekannt, Ende des letzten Jahres stattfand, war diesmal außerordentlich stark besucht. Der Madras Mail schätzt die Zahl der Leute, die täglich an dem herrlichen Grabschrein in der Kirche Bom Jesus vorüberzogen, auf 15-20.000. Zahlreich waren auch die Missionäre, die mit Gruppen neubekehrter Christen zum Teil aus weiter Ferne herankamen. Beispielsweise führten die Kapuzinerpatres aus Radschputana (heute Rajasthan) im Norden Indiens eine ganze Schar neubekehrter Bhils nach Goa. Hören wir, wie P. Karl O.F.M. Cap. darüber berichtet:

„Am 22. November, 4 Uhr Nachmittags, nahm ich den Schnellzug nach Bombay. Ich hatte 31 Personen, darunter 28 Bhils, bei mir, die mit gekochten und rohen Speisevorräten gut versehen waren. Die meisten dieser Leute hatten gar keine Vorstellung von allem, was außerhalb ihrer Heimat lag, und so erregte alles und jedes ihre Neugierde und ihr Staunen. Umgekehrt zogen meine Wilden auch selbst überall, wohin wir kamen, die Augen auf sich. ‚Woher kommt ihr?‘ wurde gefragt. ‚Wer seid ihr?‘ Erst in Goa, dessen Bevölkerung durch und durch katholisch und voll Ehrfurcht für die Priester ist, gab es Ruhe. Welch ein Gegensatz zu den frechen Heiden und Moslemin in Bombay!

Am 25. November erreichten wir Alt-Goa, und meine Truppe kampierte unter offenem Himmel unmittelbar vor der Kirche Bom Jesus, wo der Leib des glorreichen Heiligen ruht.
Alt-Goa ist heute nur ein Palmenhain, aus welchem hier und dort die prachtvollen Kirchen und verlassenen Klöster (bzw. deren Ruinen) aufragen. 
Die ehemaligen Straßen der Stadt, die man für die Festtage gereinigt hatte, ziehen sich wie Waldwege durch diesen prächtigen Hain. Unter den Wipfeln der Palmen waren Hunderte von Krambuden aufgeschlagen. Der Anblick dieses rasch hingezauberten Basars mitten im Wald machte des Abends mit seinen zahllosen Lichtern einen feenhaften Eindruck.

An allen Wegkreuzungen ragten hohe Kreuzbilder aus Stein, und vor ihnen lagen diese braven Goanesen auf den Knien und sangen wehmütige, aber harmonische litaneiartige Weisen.
Ich musste für meine Bhils sorgen. Budenbesitzer und Pilger zeigten mir in zuvorkommender Weise, wo ich Wasser und Steine zur Herrichtung eines Herdes usw. finde. Andere fragten, wo ich die Nacht zubringen wolle. Auf meine Erklärung, ich wisse es nicht, ich kännte mich nicht aus, führte man mich zum Abendessen in eine kleine Garküche unter den Palmen; ein Kerzenverkäufer lud mich ein, hinter seinem Kramladen unter den Bäumen zu schlafen. Es war nicht so kalt wie in Thandla (Radschputana); aber am Morgen fiel starker Tau, der alles durchnässte. 

Schrein des heiligen Franz Xaver

Um 5 Uhr in der Früh krachte Böllerschuss auf Böllerschuss. Das war das Zeichen zum Aufstehen. Ich eilte in die Kirche Bom Jesus und hatte die Freude, auf dem Grab des hl. Franz Xaver das heilige Messopfer feiern zu dürfen. Das Marmormonument, auf dem der Schrein ruht, ist prachtvoll mit herrlichen Figuren in halb erhabener Arbeit geschmückt; ich habe nie Schöneres dieser Art gesehen.
Nach der heiligen Messe suchte ich meine Bhils auf und bereitete sie zur heiligen Kommunion vor. Ich hörte ihre Beichten, unter den Wipfeln der Palmen auf einem Stein sitzend. 
Da schallten die Glocken von den Türmen; das bedeutete, dass die Prozession beginne; ich stellte meine Leute bei der Kathedrale auf. 

Zuerst kamen die Bruderschaften in ihren eigenartigen Trachten, dann 200 einheimische Seminaristen in Chorröcken. Meine Bhils machten große Augen: also auch Eingeborene konnten Priester werden! Es folgte die Geistlichkeit in Rauchmänteln und Kaseln, darauf fünf Bischöfe, davon drei Portugiesen. Meine Bhils hatten noch nie einen Bischof gesehen; Sie können sich denken, wie sie staunten. Den Schluss machte eine zahllose Volksmenge. Die Kirche Bom Jesus war das Ziel. Nun wurde der Leib des großen Apostels Indiens zur Verehrung ausgestellt. Aber die drängende Volksmasse ist so groß und dicht, dass ich die Hoffnung aufgab, die schöne Zeremonie meinen Wilden zeigen zu können. Ich brachte sie also zur Kathedrale und reiche ihnen dort die heilige Kommunion.
Nachdem wir gemeinsam laut und auf Hindustani unsere Danksagung gebetet, zeigte ich ihnen die Kathedrale und ihre goldschimmernden, mit herrlichen Gemälden, Fresken und Statuen geschmückten Altäre.

Kathedrale von Goa (Bildquelle: Photo by Danny Burke; edit by Kjetil_r)
Ich erklärte ihnen alles. Der kleine Küster führte uns dann in die Sakristei, wo in einem Glasschrank die Reliquien der eingebornen Märtyrer aufbewahrt werden, welche einst mit dem sel. Rudolf Aquaviva und seinen vier Genossen aus der Gesellschaft Jesu auf Salsette den Bekennertod erlitten (15. Juli 1583).
Der wackere Sakristan stieg dann auf einen erhöhten Mauervorsprung und suchte eine Art Truhe zu öffnen, die dort mit anderen Kisten aufgestellt war, fand sie aber geschlossen. Sie enthält die Säbel, Lanzen und andere Waffen, die bei der Ermordung der Blutzeugen gedient hatten. Meine Bhils meinten: ‚Wenn die Leute von Goa die Reliquien der Märtyrer nicht eifriger verehren, dann sollen sie dieselben uns geben. Wir werden sie in unserem Land nach Verdienst in Ehren halten.‘

Ich nahm meine braven Bhils mit, um ihnen noch andere Wunderdinge zu zeigen. Wir sahen die alte Kirche der Franziskaner, gleichfalls prachtvoll ausgestattet und voll von Darstellungen aus der Franziskanergeschichte. O welch schöne Sachen hat unser Orden in Goa zurückgelassen! – ‚Warten Sie noch eine Weile‘, sagte uns ein einheimischer Priester lächelnd, ‚bald werden die Engländer kommen und Goa nehmen, dann können Sie zurückkehren und ihr schönes Kloster in Besitz nehmen.‘

Nach dem Hochamt gelang es mir, den Patriarchen zu treffen, der in liebenswürdiger Weise uns versprach, dass wir am folgenden Tag das Glück haben sollten, die Füße des hl. Franz Xaver zu küssen.
Und wirklich, am Sonntag durfte ich die heilige Messe wieder am Grab lesen und meine Danksagung dicht neben dem Leibe, mit dem Kopf an den Schrein gestützt, machen. Jetzt hatte ich die schönste Gelegenheit, für mein Vaterland und für Dich (der Brief ist an die Mutter des Missionärs gerichtet), für unsere Mission, unseren Orden, unsere Wohltäter, die apostolische Schule und alle unsere Freunde zu beten.

Der Patriarch lud uns zum Mittagessen ein; auf diese Weise konnten wir uns eine schriftliche Erlaubnis verschaffen, mit unseren Neubekehrten bis zu den Füßen des hl. Franz Xaver zu gelangen. Die Volksmenge ist immer so groß und so gedrängt, dass wir nicht daran denken konnten, nur bis zum Schrein vorzudringen, ohne die Wache zu durchbrechen. Der Patriarch selbst zweifelte daran, ob sein Schreiben auf die Polizei, die alle Zugänge in die Kirche bewacht, den gewünschten Eindruck mache.

Da bot der Bischof von Haiderabad sich an, uns zu begleiten. Er wollte um jeden Preis unsere Neubekehrten sehen und ihre Lieder hören und suchte uns persönlich an unserem Lagerplatz auf. Sofort entfalteten wir unser Herz Jesu-Banner und stimmten freudig unsere Lieder an. So gelangen wir in Prozession zur Kirche; der Bischof ging an der Spitze, und aus Rücksicht auf seine Würde ließ man uns durch. So konnten unsere Bhils den heiligen Leib in aller Muße betrachten, die Füße küssen und ihre Andachtsgegenstände anrühren, während die übrige Menge von Morgen früh ab geduldig warten musste, bis die Reihe an sie kam.

Wir kehrten in derselben Weise singend zurück. So sahen die Pilger von Radschputana sich am Ziel all ihrer Wünsche; sie hatten den großen Wundertäter geküsst und dort für ihre noch heidnischen Landsleute gebetet. Ich hoffe zuversichtlich, dass die Bhils nun in Scharen zum Heiland kommen werden. Unsere Neubekehrten sind jetzt stolz darauf, zur großen katholischen Kirche zu gehören, in der trotz der Verschiedenheit der Sprachen und Rassen alle Herze in der Einheit desselben Glaubens und derselben Liebe schlagen.“

Dies ist nur eines aus hundert anderen Beispielen, die zeigen, welche Begeisterung in jenen Tagen in Goa herrschte und welcher Zauber noch immer von dem Grab des Apostels Indiens ausgeht.


(die katholischen Missionen, 1911)