Sonntag, 26. Oktober 2014

Das Klagelied eines „Missionsnarrs“

Christkönigsstatue in Kerala, Indien (Quelle)

Die 19 Jahrhunderte ihrer Geschichte hindurch hat sich die Kirche bemüht, den letzten Willen ihres Stifters: Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker – zu erfüllen. Niemals ist sie ihrer Aufgabe untreu geworden, und wenn unter der Ungunst der Zeiten ihre Anstrengungen zu erlahmen drohten, hat sie sich immer wieder aufgerafft und mit verjüngter Kraft das Werk der Heidenbekehrung aufgenommen. Ihre edelsten Söhne und Töchter haben dieser hehren Aufgabe ihr Leben geweiht, in allen Jahrhunderten und in allen Zonen, unter unsäglichen Mühen und Leiden, bis in den Tod getreu. Vor den Augen des Kundigen entrollt sich ein herrliches Gemälde von Glaubenseifer und christlichem Heldentum, geeignet, Herz und Sinn zu erheben und mit inniger Liebe zur Kirche, der Braut Christi zu erfüllen. Es ist zu bedauern, dass dieses großartige Bild dem katholischen Volk noch zu wenig bekannt ist.“ – P. Alfons Väth S. J. im Artikel „Missionsgeschichte“ des Jahrgangs 1925 der katholischen Missionen.

Zunächst einmal: was hat es mit dem Titel „Das Klagelied eines ‚Missionsnarrs‘“ auf sich? Ursprünglich war „Missionsnärrin“ (Wortspiel auf „Missionärin“) anscheinend eine Beleidigung, die die sel. Maria Theresia Gräfin Ledóchowska, die Gründerin der St. Petrus-Claver-Sodalität zur Förderung der afrikanischen Missionen, aufgrund ihres Missionseifers im Europa des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts über sich ergehen lassen musste. Es hat mich nie jemand so bezeichnet, dennoch wende ich diesen Namen für diesen Artikel auf mich selbst an, da auch ich dieses Desinteresse an dem glorreichsten Kapitel der Kirchengeschichte schmerzlich wahrnehme.

Die heutige Kirchenkrise wird von den wenigen Katholiken, die sich noch um die Kirche und ihren Glauben kümmern, ihren Ursachen und Hauptsymptomen nach unterschiedlich bewertet, wobei sich bestimmte Priester und Laiengruppen besonders der Wiederherstellung der alten Liturgie verschreiben, wie etwa Una Voce, und andere (wiederum wenige) die modernen Irrtümer in Schrift und Wort zu bekämpfen suchen, so z. B. die traditionellen oder konservativen Blogs, Zeitschriften usw. Oft überschneiden sich diese Gruppen natürlich. Auffällig dabei ist, dass die Mission und die  Bekehrung von Nichtkatholiken viel zu wenig thematisiert wird, und noch weniger, dass es einst eine blühende Missionsarbeit der Kirche gab, die um jeden Preis wieder restauriert werden muss, denn nur so wird man der Bekämpfung der Kirchenkrise in ihrem ganzen Umfang gerecht. Schließlich ist ein Hauptmerkmal dieser Kirchenkrise, dass sowohl die ewigen Wahrheiten von Tod, Gericht, Himmel und Hölle sowie die Tatsache, dass die katholische Religion die alleinseligmachende ist, aus dem Denken der Katholiken verdrängt wird.

Ich habe kürzlich einmal bei Google die Schlagwörter „katholische Missionen“ und „Catholic missions“ eingegeben. Raus kam größtenteils kaum etwas brauchbares, auf englischsprachigen Seiten wurden ständig Websites von Organisationen angeboten, die anscheinend mit unserer „Bahnhofsmission“ oder ähnlichen Einrichtungen vergleichbar sind. Knapp daneben ist auch vorbei. 

Eine weitere Suche unternahm ich auf dem Blog Rorate Caeli, der sich bekanntlich als größter traditioneller Nachrichtenblog versteht und darüber hinaus häufig Artikel über bestimmte Aspekte der Kirchenkrise bringt. Die Suche nach „missions“ brachte allerdings nur wenige verwertbare Treffer und kaum einen Artikel, der sich nur den echten, auf die größere Ehre Gottes und die Seelenrettung ausgerichteten Missionen und ihrem Untergang seit dem 2. Vatikanischen Konzil widmet, was für ein recht altes Blog mit einer starken Betonung der Kirchenkrise erstaunlich ist. Anscheinend vermisst kaum jemand diese Missionen, was nicht schwer nachzuvollziehen ist, schließlich war und ist die Missionsgeschichte den Katholiken kaum bekannt, wie schon P. Alfons Väth S.J. in dem Eingangszitat beklagte, allerdings gilt dies für das Jahr 1925 deutlich weniger als für das Jahr 2014.

Kürzlich erschien in dem Monatsheft einer großen traditionalistischen Gemeinschaft ein Artikel über Märtyrer. Lobenswert war dabei die Erwähnung der Märtyrer des spanischen Bürgerkriegs, der religiösen Verfolgung in Mexiko und der Sowjetzeit. Jedoch fehlte völlig der Bezug auf die Märtyrer in den Heidenmissionen, wobei diese sicher einen großen Teil der Katholiken ausmachen, die für den Glauben gestorben sind. Beispielsweise geht man bei den Christenverfolgung (Christ = Katholik) in Vietnam und Japan im 16. und 17. Jahrhundert von sechs- bzw. siebenstelligen Opferzahlen aus. So verstrich wieder eine Gelegenheit, den Gläubigen dieses wichtige Thema nahezubringen. Und so zahlreich sind die Möglichkeiten, die Priester verstreichen lassen, die Gläubigen über dieses Thema aufzuklären. So hörte ich dieses Jahr eine Predigt über den hl. Vinzenz von Paul, wo auch die von ihm gegründete Gemeinschaft, die Lazaristen, erwähnt wurde. Mit keiner Silbe würdigte der Prediger in seiner Ausführung über diese Kongregation die umfangreiche Missionstätigkeit, die sie in China, Äthiopien, Madagaskar oder Costa Rica entfaltete und das auch noch, obwohl sie offiziell Congregatio Missionis, die Kongregation der Missionen, heißt. Leider war dieses Erlebnis keine Ausnahme. Seit meiner Bekehrung im Jahr 2010 habe ich bei kaum einer Predigt überhaupt eine Andeutung zur Mission gehört.

All das könnte man ja noch unter Geschmack, Vorlieben und persönlichem Interesse abbuchen, wenn da nicht die unleugbare Tatsache der allgemeinen Missionspflicht wäre, die besonders im frühen 20. Jahrhundert häufig und deutlich hervorgehoben wurde. So wurde dieses Thema damals in einzelne Katechismen aufgenommen, Bischöfe hielten Vorträge darüber und eifrige Laien, wie Aloys Fürst zu Löwenstein, richteten auf Katholikentagen flammende Aufrufe an den Klerus, die vielen Seelen in den Heidenländern nicht zu vergessen, die sonst verloren gingen. 

Besonders aber waren sich die Päpste ihrer großen Pflicht und Verantwortung für die Rettung der Seelen bewusst. Man denke nur an die Missionsenzykliken und Apostolischen Schreiben von Leo XIII. (Sancta Dei Civitas, Catholicae Ecclesiae) oder Benedikt XV. (Maximum Illud) oder die ergreifende Predigt von Papst Pius XI. an Pfingsten 1922. Jedem der Päpste von Leo XIII. bis Pius XI. wurde der Titel „Missionspapst“ beigelegt, und das ganz zu recht, denn in ihren Regierungszeiten nahmen die Missionen einen erstaunlichen Aufschwung. Pius XI. wollte noch mehr tun als sein Vorgänger, Benedikt XV., um dieses Titels noch würdiger zu sein. Unter den heutigen Umständen scheint das alles fast wie ein Märchen, das zu schön ist, um wahr zu sein.

Abschließend möchte ich sagen, dass jedem Katholiken, dem an seinem Glauben und seiner Kirche gelegen ist, die Mission nicht gleichgültig sein darf. Kein Laie muss sich ins nächstbeste Flugzeug nach Afrika oder Asien setzen, um den Glauben zu predigen; dennoch sollte er der Missionspflicht je nach Fähigkeit mit Almosen an Organisationen, die wirklich noch den wahren Glauben verbreiten wollen, Gebet sowie Aufklärung über die Missionsgeschichte und Förderung von (Missions-)Berufungen in der eigenen Familie nachkommen. Das ist alles nicht meine Privatmeinung, sondern das, was eifrige Priester, Bischöfe und Päpste früher den Gläubigen ans Herz gelegt haben. Auch wenn man sich besonders einem bestimmten Glaubensthema widmet, darf doch nie der letzte Wille unseres Königs Jesus Christus: Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker aus den Augen gelassen werden. Schön brachte es P. Robert Streit O.M.I. auf den Punkt, als er 1928 schrieb:

„Unsere Zeit ist das Missionsaufgebot der elften Stunde. Um ihre große Missionsaufgabe zu erfüllen, hat die Kirche jedes Herz und jede Hand notwendig. Die katholische Weltmission rechnet auch auf dich. Willst du müßig dastehen den ganzen Tag?“