Donnerstag, 30. Oktober 2014

Ein Blindenheim in Bagdad


In den europäischen Ländern ist dank der vereinigten Bemühungen von Staat und Kirche für die Blinden gut gesorgt. Und doch ist hier die Blindheit verhältnismäßig nicht so häufig. Nach statistischen Erhebungen kommt in Frankreich, England, Russland und Deutschland durchschnittlich 1 Blinder auf 1100 Personen. Dagegen ist im Orient die angeborene oder durch schlimme Augenkrankheiten herbeigeführte Blindheit außerordentlich stark verbreitet. Nach dem Karmelitermissionär P. Leo Michael vom Heiligen Kreuz finden sich z. B. in Bagdad auf 145.000 Einwohner 4.000, und zwar kommt je ein Blinder auf 35 Moslemin, auf 111 Israeliten und auf 133 Christen. Und doch gibt es im türkischen Reich, soweit P. Leo erfahren konnte, nur drei Blindenschulen, in Konstantinopel, Jerusalem und Bagdad. 

In dieser Stadt unternahmen es die Karmeliter-Patres, den Unglücklichen die Wohltat einer Schulbildung zu verschaffen. 
P. Peter von der Mutter Gottes brachte aus Frankreich das Blindenalphabet mit erhöhter Schrift, System Braille, und Schreibbretter mit. P. Johann, heute Erzbischof von Bagdad und Apostol. Delegat für Mesopotamien, übertrug das Alphabet ins Arabische und lehrte zunächst einige christliche Blinde lesen, schreiben, rechnen und etwas Musik. Damit war die Blindenschule eröffnet. Die ersten Schüler wurden Lehrer und unterrichteten ihre Leidensgenossen. Das Werk zog die öffentliche Aufmerksamkeit und Teilnahme auf sich. Um die Anstalt noch besser in stand zu setzen, reiste P. Peter nach Frankreich und lernte die ganze Einrichtung eines Blindeninstituts dort kennen. Nun konnte auch in Bagdad das Programm erweitert und Handwerkskurse für Weberei, Wollkämmerei, Mattenflechterei, Korbflechterei mit Weiden und Stroh eröffnet werden. So lernen die Blinden ihr tägliches Brot gewinnen und zugleich einen nützlichen Beruf üben. 

Noch fehlte ein eigenes Heim für Frauen. Man wandte sich an die Öffentlichkeit, und Christen, Juden und Moslemin steuerten dazu bei. Die Mission selbst spendete trotz ihrer Schuldenlast 100 türkische Pfd. (etwa 1900 M.). So konnte ein eigenes Frauenheim mit Schlaf- und Arbeitssaal errichtet werden. Leider war es bisher noch nicht möglich, für dasselbe geschulte Schwestern zu bekommen.

(Aus: die katholischen Missionen, 1911)

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