Sonntag, 15. Februar 2015

Der Blinde als Bild der Heidenwelt



Zum Sonntag Quinqagesima:

(…) „Als er das Volk vorüberziehen hörte, fragte er, was das wäre? Sie aber sagten ihm, dass Jesus von Nazareth vorbeikomme.“ Bemerken wir es wohl, andächtige Christen, aus sich selbst kann der arme Blinde nicht wissen, dass Jesus von Nazareth vorbeikommt. Es muss ihm das gesagt werden. Mit eigenen Kräften kann er sich seinem Unglück nicht entwinden. Andere müssen ihm zu Hilfe kommen. Aus sich selbst kann es die Heidenwelt nicht wissen, dass Jesus auch für sie als Heiland gekommen ist; es muss ihr das gesagt werden. „Wie werden sie glauben an den, von welchem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne einen Prediger“ (Röm 10,14). Deshalb sandte auch der göttliche Heiland seine Apostel aus, um das Evangelium zu predigen; deshalb sendet auch heute noch die heilige Kirche ihre Missionäre mit der Heilsbotschaft zu den Völkern, dass Jesus von Nazareth vorbeikomme.

(…) Auf die Bitte des Blinden antwortet der göttliche Heiland: „Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen!“ O liebes, großes Heilandswort! Wer kann dich erfassen, begreifen? Ein neues „Es werde Licht“ über die Finsternis dieses Mannes am Wege, ein neuer Schöpfungsmorgen über die Nacht des Heidentums. Eine neue Sonne lässt du aufsteigen über den Blinden von Jericho, einen neuen Lichtquell über die Menschheit. Neue Sehkraft gibst du dem erblindeten Auge des Körpers, neue Sehkräfte der Menschenseele, dass sie jetzt aufsehe und auffliege zu dir. „Sei sehend!“ O gütiger göttlicher Heiland! Auch zu uns hast du einmal dies Wort gesprochen: „Aus der Finsternis hast du uns gerufen in dein wunderbares Licht“ (1 Petr 2,9). O gib, dass wir immer in diesem Licht wandeln, dass wir Kinder des Lichts seien (Jo 12, 36). Aber dann göttlicher Heiland, sprich noch einmal dieses Wort: „Sei sehend!“ Sprich es aus über die Blinden am Weg unserer heiligen Kirche; sprich es aus über alle jene, die dich noch nicht kennen; sprich dieses Wort in deiner Güte und Allmacht, dass die Binde von den Augen der Heiden falle und dass sie sehend werden, dir folgen und Gott preisen.


Andächtige Christen! Das Evangelium von der Heilung des Blinden am Weg tönt aus in ein Lob Gottes. „Und alles Volk, das es sah, lobte Gott.“ Dank, inniger Dank gegen Gott muss uns beseelen, wenn wir das Missionswerk unserer heiligen Kirche überschauen. In ihm erneuern sich an der Menschheit die Wunder und Gnaden der göttlichen Liebe. Da werden wieder die Heilandsworte gesprochen wie einst und die Heilandstaten geübt wie ehedem; denn Christus lebt fort in seiner Kirche, und er ist bei seinen Missionären bis ans Ende der Zeit. Diesem Werke können wir unser Herz und unsere Hand nicht versagen. Wir loben Gott, indem wir für seine Ehre kämpfen und sein Reich unter alle Völker ausbreiten. Solange unser Glaube die Leuchtkraft des Missionseifers besitzt, so lange werden wir selbst auf dem rechten Weg wandeln und nicht neben den Weg geraten. Mit Jesus, dem Sohn Davids, werden wir dem himmlischen Jerusalem, der Stadt des lebendigen Gottes, entgegeneilen, und Gott selbst wird dort für ewige Zeiten unsere Leuchte und unsere Wonne sein. Amen.

(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)

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