Donnerstag, 9. April 2015

Märtyrer im Eilverfahren – wie unkritisch der Titel Märtyrer vergeben wird



Leider finde ich erneut einen Anlass, das heikle und auch recht undankbare Thema des sofort verkündeten Martyriums von ermordeten Christen durch Blogs und andere Medien zu behandeln. Ich möchte gleich vorwegschicken, dass ich niemanden als verdammt erklären möchte und jedem Menschen von Herzen die ewige Seligkeit wünsche, wie das jeder Katholik sollte, was ja auch nicht zuletzt der Anlass für dieses Blog ist.

Jetzt zum konkreten Fall: am Gründonnerstag wurde laut Medienberichten der Campus der Garissa University im Osten Kenias von Anhängern der Al-Shabaab-Miliz angegriffen, wobei es 152 Todesopfer gab, darunter auch vier Angreifer. Anscheinend haben die mohammedanischen Terroristen unter den Studenten gezielt Christen als Opfer ausgesucht.

Leider ließ es nicht lange auf sich warten, bis wieder eine voreilige Rundum-Kanonisierung der Toten im Internet veranstaltet wurde, diesmal besonders auffällig durch den italienischen Autor Roberto de Mattei, der in einem Artikel zu dem Thema Christenverfolgung Folgendes schrieb (meine Übersetzung):

„die Sterne der 148 neuen Märtyrer leuchten hell am Firmament der Kirche. Die jungen christlichen Opfer des Islam vom vergangenen Gründonnerstag in Kenia dürfen nicht bemitleidet, sondern müssen beneidet werden, da sie die große Gnade des Martyriums erhielten.“

Diese Aussage ist schlichtweg höchst unklug. Nicht nur kann Herr de Mattei den Hergang jedes einzelnen „Martyriums“ unmöglich selbst kennen und mit Sicherheit sagen, dass jeder der Ermordeten bis zum Ende standhaft war, er zieht auch die Tatsache nicht in Betracht, dass in Kenia von den 83 % der Bevölkerung, die sich als Christen bezeichnen, nur 23,5 % Katholiken sind, und wiederum Katholiken in der katholischen Diözese Garissa nur 0,9 % der Gesamtbevölkerung von 720.000 ausmachen. Ist es da nicht wahrscheinlich, dass viele der Ermordeten gar keine Katholiken waren? Da stellt sich nun wieder die Frage, am Firmament welcher Kirche diese „Märtyrer“ leuchten. Auch die Vornamen wie Ruth, Abel, Eliud, Gideon, Faith usw. deuten wohl eher auf Protestanten als auf Katholiken hin. Auch wenn es viele Leute stört, die Kirche hat schlichtweg nie Nicht-Katholiken als Heilige oder Märtyrer verehrt. Es gibt zwar manche Kommentatoren im Internet, die das steif und fest behaupten, mit etwas Recherche stellt sich dann aber heraus, dass es sich entweder doch um Katholiken handelt oder die Betroffenen eben nicht als Heilige verehrt werden.

Und selbst wenn die Ermordeten alle Katholiken waren, kann man wohl so voreilig sein und diese gleich „kanonisieren“? Die Seligsprechungsprozesse von Märtyrern sind nicht so leicht, wie man das sich vorstellen möchte. In einer Publikation der Erzabtei St. Ottilien schrieb der Postulator für die unter den Kommunisten ermordeten Benediktinermissionäre vor einigen Jahren, dass man zunächst bei den Märtyrern die Tugenden untersuchen muss, die diese vor ihrem Tod geübt haben, um einigermaßen sicher sein zu können, dass sie bis zum Ende durchgehalten und die Märtyrerpalme errungen haben. Der heilige Alfons schildert in einem seiner Bücher, dass ein Katholik, dessen Hals von den Verfolgern schon fast durchtrennt worden war, am Ende doch noch ins Wanken geriet. Solange wir nicht durch eine kirchliche Untersuchung oder genaue Schilderungen wissen, wie der Hergang war, sollte man sich wohl mit solchen Urteilen etwas zurückhalten, was natürlich nicht bedeutet, dass das Martyrium von vorneherein ausgeschlossen werden soll.

Was am Schwersten bei dieser zunehmenden Kritiklosigkeit wiegt, ist die Tatsache, dass sie letztendlich religiösen Indifferentismus fördert. Wenn ich auch als orthodoxer Kopte, als Anglikaner, als Mennonit, als Presbyterianer usw. Märtyrer werden, d. h. die höchste Form der Christusnachfolge erreichen kann, wieso sollte ich denn da überhaupt noch katholisch sein? Ist das denn überhaupt so wichtig? Ja, in weiterer Konsequenz könnte man sagen, auch ein Jude kann Märtyrer werden, wenn er wegen des Bekenntnisses des rabbinischen Judentums ermordet wird, da er scheinbar an denselben Gott glaubt wie die Christen, wenn auch nur an einen einpersönlichen Gott. Aber gibt es nicht auch Christen, die nicht an die allerheiligste Dreifaltigkeit glauben? Dann müsste doch auch ein Jude Märtyrer werden können, immerhin ist er ja auch unser „älterer Bruder“…und so wird dann das Dogma der Heilsnotwendigkeit der katholischen Kirche immer mehr aufgeweicht. Mancher geht vielleicht nicht ganz so weit, aber es gibt auch glaubenstreue Katholiken, die durch ihre Argumentation den Eindruck vermitteln, dass nicht unbedingt jeder einzelne, aber doch ein großer Teil der Nicht-Katholiken eigentlich im unüberwindlichen Irrtum ist und bei Ermordung durch Moslems oder dergleichen gerettet wird. Fakt ist, dass man es nicht weiß, und darum sind wohl die Missionäre immer auf Nummer sicher gegangen. [Ich habe den Text hier etwas angepasst, um das von Papst Pius IX. in singulari quadam bezüglich der Grenzen des  unüberwindlichen Irrtums Gesagte nicht einzuschränken].

Hat nicht Papst Pius IX. den Satz verurteilt, dass man gute Hoffnung hegen darf für die Seligkeit aller, welche nicht in der wahren Kirche Christi leben? Darum kann ich nur abschließend sagen, dass man sich lieber mit der Missionierung von Nicht-Katholiken beschäftigen sollte, anstatt sich mit irgendwelchen Quasi-Kanonisierungen zu befassen. Hier noch ein schönes Zitat aus berufenem Munde:

„Wie kommt es, dass in der christlichen Welt neben dem heiligen Berge der katholischen Kirche noch zwei andere Berghügel im Dämmerlicht sich erheben [Orthodoxie und Protestantismus]? Warum gehören sie nicht mehr zu uns wie einst? Warum haben sie sich und bleiben sie von uns getrennt? Schmerzliche Frage, ernste Wahrheit! Die Menschen und Völker erhalten den wahren Glauben, aber sie können ihn auch wieder verlieren. Gott achtet die menschliche Freiheit. Wenn aber Gott in seiner Güte Wahrheiten offenbarte und Wege und Mittel kundtat, die zur Erlangung des Heiles notwendig sind, dann hat er auch in seiner Weisheit die Maßregeln getroffen, damit diese Rettungsmittel rein und unverfälscht in die Menschenhände gelangen. Die katholische Kirche ist diese Maßnahme der göttlichen Vorsehung. Christus baute seine Kirche auf Petrus, den Felsen, „und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“ (Matth. 16, 18). In seiner Kirche hat Christus den Glaubens- und Gnadenschatz hinterlegt. Und zwei schützende Flammen umlodern ihn: Glaubensgeist und Missionsgeist. Ein lebendiger Glaube will und muss wachsen und sich ausdehnen. Gib deinem Glauben Missionskraft, und der Glaube wird in dir lebendig bleiben.“ - P. Robert Streit O.M.I.