Samstag, 10. Oktober 2015

Eine treue Rosenkranzbeterin

(Quelle)

Jedes katholische Herz hat als ersten und schönsten Ausdruck seiner Liebe zu Maria den „ewigen Gruß“ und fügt denselben zusammen zum Rosenkranz. Darum ist auch das Rosenkranzgebet so beliebt und geübt in den Missionen und ist das Lieblingsgebet der Neubekehrten. In jeder Anstalt, in jeder Schule, vor jedem Gottesdienst, oft mehrmals des Tages wird der Rosenkranz gebetet; ein Rosenkranz ist das wertvolle Geschenk an den Neugetauften, und da seine primitive Kleidung keine Taschen hat, wird er um den Hals getragen. An allen Anstalten ist die Marianische Kongregation eingeführt; hinter Glas und Rahmen sind an der Wand der Missionskirche die Namen der „Marienkinder“ aufbewahrt, und mit berechtigtem Stolz weisen sie noch nach Jahren hin auf diese Ehre.

Ich wurde einmal benachrichtigt, dass ein Mädchen, welches vor Jahren in der Anstalt der Schwestern (in der Kapuzinermission unter den Mapuche in Chile) war, zum Tode krank darniederliege und nach mir verlange. Der Weg war weit und beschwerlich, und ich zweifelte, ob ich das heilige Sakrament mitnehmen könne. Aber es reitet sich doch so gut mit dem Heiland auf dem Herzen. Wir hatten einen tiefen Fluss zu durchreiten, und das Wasser reichte bis zum Sattel. Nach sechs Stunden kamen wir am Ziel an. In der armseligen Strohhütte lag das Mädchen auf einem Schaffell am Boden, im Fieber brannten die Wangen, aber die todmüden Augen leuchteten freudig auf, und die erste Frage war: „Hast du den lieben Heiland mit?“

Ehe ich aber die heilige Beichte begann, wollte ich mich noch vergewissern, ob die Kranke in ihrer heidnischen Umgebung doch treu geblieben ihren christlichen Vorsätzen, und so stellte ich einige Fragen. Erstaunt, fast verstimmt gab sie zur Antwort: „Ja, was meinst du denn? Ich bin ja ein ‚Marienkind‘. Ich habe alle Tage meinen Rosenkranz gebetet vor meinem Altar.“ Fast musste ich lächeln; nur zu gut wusste ich, dass in einer solchen Indianerhütte kein Tisch, keine Wand ist, wo ein Altar anzubringen wäre. Auf ihren Wink ging eine der drei Frauen ihres Vaters in einen Winkel der Hütte und brachte ein Stück Brett, auf welchem die Heiligenbildchen aufgeklebt waren, die sie in der Schule für ihren Fleiß erhalten hatte, und in der Mitte derselben ihr Andenken an die erste heilige Kommunion. Dann nestelte sie vom Hals ein Schnürchen los, an dem anderthalb Gesätzchen des Rosenkranzes hingen. „Beim Arbeiten ist halt der Rosenkranz zerrissen, und ich habe nur mehr so viel davon; dieses habe ich alle Tage fünfmal gebetet. Meinst du, dass es gegolten hat?“ Gerührt versicherte ich ihr, dass es sicher Gott und unserer himmlischen Mutter gefallen habe. Jetzt begriff ich auch, wie es ihr möglich war, in einer noch ganz heidnischen Umgebung den Glauben treu und das Herz rein zu bewahren – sie war ein treues Marienkind geblieben.

Sie wusste, dass sie sterben würde, die Lungenentzündung war zu weit vorgeschritten; beim Fischen im kalten Meere hat sie sich dieselbe zugezogen; und sie starb gerne. Nur einen Wunsch brachte sie vor: In geweihter Erde wollte sie begraben sein, und ein Kreuz sollte ihren Grabhügel schmücken. Ich konnte ihr diesen Wunsch erfüllen, und auf dem Kreuz steht: „Sie starb, wie sie gelebt hat, eine treue ‚hija de María‘ eine Tochter Mariens.“


(Aus: das seraphische Weltapostolat, 1925)