Samstag, 28. November 2015

Zum ersten Adventssonntag: der Schrei der Heidenwelt


Ein Ruf, ein Schrei tönt aus der Heidenwelt an unser Ohr. Es ist die Sehnsucht nach Gott, das Verlangen nach dem Erlöser. Während du, christliches Volk, diese heilige Adventszeit in süßer Erinnerung an die Großtaten deines Heilandes feierst, während du die Gefühle heiliger Sehnsucht nach ihm erweckst und das ganze Glück der innigen Vereinigung mit Gott in deinem Herzen trägst, siehe, da harrt draußen, außerhalb deiner heiligen Kirche, die Heidenwelt, da rufen 900 Millionen Menschen [damalige Zahl der Nichtkatholiken] mit sehnendem Verlangen nach ihrem Erlöser, und es ist mir, als ob zu dir gewendet die Heidenwelt die Hände erhebend flehte: Sende das Lamm, den Beherrscher der Erde! Erwecke deine Macht und komm, uns zu erlösen! Bekehre uns und zeige dein Angesicht, so wird auch uns geholfen sein! Wende dich doch und sieh, und such heim diesen Weinberg und bau ihn aus! Tauet, ihr Himmel, von oben, die Wolken mögen regnen den Gerechten; die Erde tue sich auf und sprosse den Heiland! [Hinweis auf die Texte der Antiphon Rorate Caeli]

Dem Völkerapostel erschien einst im Traum ein heidnischer Mazedonier, der flehend die Hände ihm entgegenstreckte mit den Worten: „Komm herüber und hilf uns!“ – Komm herüber und hilf uns, so fleht die Heidenwelt auch in unsren Tagen. Welche Antwort werden wir geben? O wir können und dürfen keine andere Antwort geben als jene, die ausgesprochen liegt in den Worten des heutigen Evangeliums: „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter, weil nahe ist eure Erlösung!“

Diese Antwort geben wir durch unsere Beteiligung an dem heiligen Missionswerke. Richtet euch auf, die ihr in Finsternis und Todesschatten sitzet, erhebt eure Häupter in freudiger Hoffnung. Eure Sehnsucht nach Gott soll gestillt, euer Verlangen nach dem Erlöser soll erfüllt werden. Seht, schon erhebt das christliche Volk seine Hände zum Gebet und Opfer für das Missionswerk. Schon sind seine Söhne und Töchter auf dem Wege, um als Missionäre zu euch zu kommen, um euch zu helfen und um den Weinberg des Herrn auszubauen. Schon erheben sich in eurer Mitte Kirchen und Kapellen, deren Glocken einen frohen, gnadenreichen Advent verkünden und auf deren Altären das Lamm, der Beherrscher der Erde, geopfert wird. „Richtet euch auf und erhebet eure Häupter!“ Das ist die gute Adventsbotschaft, die wir durch unseren Missionseifer der Heidenwelt geben. „Nahe ist eure Erlösung!“ Das ist die große Adventshoffnung, die wir den Heiden durch unsere Missionsliebe bringen, denn durch das Missionswerk sollen an den Heiden auch die Verheißungen des Herrn erfüllt werden.

(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)