Freitag, 1. Januar 2016

Große Missionsbischöfe: Der Märtyrerbischof der Blutmission – Msgr. Theotimus Verhaegen O.F.M., Apostolischer Vikar von Südwest-Hupé



Zum Schluss legen wir noch einen Kranz auf das Grab des jugendlichen Bekennerbischofs Msgr. Theotimus Verhaegen O.F.M. Über das blutige Ende dieses edlen, heiligmäßigen Sohn des seraphischen Vaters haben wir bereits früher berichtet. Fassen wir auf Grund genauerer Mitteilungen das dort Gesagte kurz zusammen. 

Im Frühjahr 1904 hatte Msgr. Verhaegen abermals eine Rundfahrt durch die weite Hupesche Ebene gemacht. Anfang Juli wollte er auch die Missionen des Berglandes besuchen. Auf dieser Tour fand er den Tod, der seine Laufbahn so plötzlich beschloss und ruhmvoll krönte. Der Mordanschlag ging, wie nachträglich festgestellt wurde, von der Geheimsekte der Ko-ti-köi aus. Eine Bande von etwa hundert mit Messern und Flinten bewaffneten Spießgesellen hatte sich unter Führung eines gewissen Siang-Hié-tang verschworen, die verhassten Missionäre aus der Welt zu schaffen. Von verschiedenen Seiten wurde der Bischof gewarnt. Er hielt die Befürchtungen für übertrieben und setzte seine Reise mutig fort. Im Marktflecken Schat-se-ti, durch welchen er auf seinem Wege nach der Missionsstation Ta-tsuo-schiu kommen musste, erwarteten ihn seine Mörder. Sie nahmen zunächst P. Florentin, einen der Begleiter des Bischofs, der vorausgeeilt war,  um die Ankunft des Bischofs vorzubereiten, fest, hingen ihn an seinem Zopf [die Priester in den chinesischen Missionen trugen die traditionellen Zöpfe, als dies noch in China üblich war] an einem Schandpfahl auf und peitschen ihn grausam mit einem Ochsenziemer. Auf die Kunde davon machte sich der Bischof in Begleitung seines leiblichen Bruders P. Friedrich und einer kleinen Schar Christen sofort auf den weg, um durch seine Dazwischenkunft den bedrohten Mitbruder wo möglich zu retten, wusste er doch, wie viel durch ein festes, entschiedenes Auftreten in Verbindung mit Güte und kluger Maßhaltung bei den Chinesen zu erreichen sei. Etwa hundert Schritte vor dem Eingangstor von Scha-tse-ti erblickte man eine Schar bewaffneter Leute auf einer kleinen Anhöhe. Die Palankinträger blieben erschrocken stehen; aber der Bischof gebot ihnen, weiterzugehen. Erst als ein Steinregen und Flintenschüsse von oben die wahre Absicht der Wegelagerer verrieten, ließ der Bischof Kehrt machen. In diesem Augenblick aber brach aus den Maisfeldern eine Rotte Mordgesellen hervor und stürzte sich mit dem Ruf: Tod den Europäern! auf die kleine Karawane. Vier der christlichen Begleiter, darunter der Diener des Bischofs, wurden niedergemacht. Der Bischof erhielt beim Aussteigen aus seiner Sänfte [wohl als notwendiges Zeichen ihrer Autorität und Stellung benutzten die Missionsbischöfe in China Tragesänften] einen Lanzenstich in den Unterleib und wurde dann mit Knütteln und Messern in grässlicher Weise gemordet. Der Leichnam wies an 30 Wunden auf. P. Friedrich erlitt dasselbe Schicksal. Nachdem sich die Mörder in einer nahen Schenke vollgetrunken, schleppten sie auch den P. Florentin herbei und töteten ihn mit Knütteln und Messerstichen. Die sieben Leichen wurden sodann in das ausgetrocknete Bett eines nahen Baches geworfen und mit Erde lose zugedeckt. Es war der 8. Juli. 

Drei Tage nach dem Mord ließ der nächste Ortsmandarin die Leichen aufheben, in Särge legen und zunächst nach Ta-tso-schiu bringen. Von dort wurden sie später in ehrenvoller Weise nach der Bischofsstadt Itschang gebracht und auf Kosten der Mandarine unter feierlichem Gepränge beigesetzt. Zur Sühne des Verbrechens verpflichtete sich die chinesische Regierung außer den üblichen Leistungen zur Errichtung eines Spitals in Li-tschoan-hieu.

Der Bekennertod dieses jüngsten der chinesischen Missionsbischöfe war der würdige Abschluss eines kurzen, aber überaus schönen Lebens. Bereits als Knabe von sieben bis acht Jahren suchte der kleine Flamländer (Verhaegen war am 19. Februar 1867 in Mecheln geboren) in seinem Schulatlas das große chinesische Reich auf und träumte davon, wie er einst als Missionär dorthin ziehen und die armen Heiden retten wolle. Nach glänzendem Abschluss seiner Studien war er bereits auf dem Weg zum Scheutvelder Missionsseminar, als eine Eingebung ihn zum Orden des hl. Franziskus führte. Zum Priester geweiht musste er erst einige Jahre als Professor seine Sehnsucht nach den Missionen zügeln. Endlich 1894 schlug seine Stunde. Bei den feierlichen Abschiedszeremonien, wie sie in manchen Genossenschaften die Absendung neuer Missionäre begleitet, ereignete sich ein ergreifender Zwischenfall. Als der greise Vater Verhaegens die Stufen des Altares hinaufstieg, um seinem Sohn die Füße zu küssen (vgl. zur Erklärung Röm. 10, 15), warf sich dieser einer plötzlichen Bewegung folgend dem Vater zu Füßen und bat ihn um seinen letzten Segen. Die Szene rührte die Zuschauer zu Tränen. Bei U. L. Frau von Oostacker holte er sich auch den Segen der himmlischen Mutter und bat sie, falls es Gottes Wille sei, um die Gnade des Martyriums.

Rasch hatte der junge Missionär sich in die chinesische Sprache und Verhältnisse eingelebt und sich zu einem tüchtigen Missionar entwickelt. 1900 übernahm er, erst 33 Jahre alt, die Leitung der schwierigen Binnenmission. Seine Ernennung fiel in die stürmische Zeit der Boxerwirren. Die ohnehin kleine Herde (6.000 Seelen auf 9 Millionen Heiden) war verscheucht. Mutig gab sich Msgr. Verhaegen daran, den verwüsteten Acker wieder in Stand zu setzen, was ihm mit Hilfe des kräftigen Zuzuges aus Belgien in überraschend kurzer Zeit gelang. Voll Freude meldet er am 29. Oktober 1903 seinem Ordensgeneral den glücklichen Fortgang. „Dank dem Eifer meiner wackeren Missionäre hat sich die Zahl der Katechumenen fast wunderbar vermehrt und konnten wir nicht weniger als 13 neue Gemeinden bilden als ebenso viele Mittelpunkte, von denen aus das Christentum sich verbreiten wird.“ Rastlos durcheilte der unermüdliche Oberhirt seinen weiten Sprengel, fast ohne sich Ruhe zu gönnen. Sein Eifer ließ ihn die Warnungen überhören, die auf seiner letzten Rundfahrt von seinen Christen ihm zugingen, und so fand er schon früh den Tod, den er sich als Krone seines apostolischen Berufes gewünscht. Wie wir hören, gedenkt die Stadt Mecheln das Andenken ihres ruhmvoll im Kampfe gefallenen Mitbürgers durch Errichtung eines Denkmals zu ehren.

(Aus: die katholischen Missionen, 1905)

Das Apostolische Vikariat Süwest-Hupé unter Leitung der Belgischen Franziskanerprovinz war durch die Vielzahl der Verfolgungen, die seine fanatischen heidnischen Bewohner entfachten und denen zahlreiche Christen und mehrere Missionäre zum Opfer fielen, als „Blutmission“ bekannt. 1898 wurde der im Ruf der Heiligkeit stehende junge Missionär P. Victorin Delbrouck O.F.M. grausam ermordet.