Sonntag, 17. April 2016

„Vater meiner Seele, der liebe Heiland lässt mir keine Ruhe mehr“

Die ersten einheimischen Priester von Belgisch-Kongo


Pater Joseph Fräßle S.C.J. berichtet aus seiner Mission im Kongo (in Afrikanische Missionsgeschichtlein, Band I., 1926) :

Schon lange hatte ich bemerkt, wie der elfjährige Andreas X. oft in stillen Stunden in der Nebenkapelle unserer Kirche allein vor dem Bronzekruzifix kniete, das wegen seiner braunen Farbe die Urwaldkinder weit mehr anzieht als andere. „Hier sehen wir so recht, dass der liebe Heiland unser Bruder ist“, sagen sie.

Stundenlang kniete Andreas da mit erhobenen Händen und zum Kreuz gerichteten Augen, indes sein ganzer Körper sich nach vorwärts und zum Heiland hinauf erhob; seine Lippen bewegten sich in emsigem Gebet, bis helle Tränen ihm über die braunen Wangen perlten.

Oft erbaute ich mich heimlich an der Andacht dieses Knaben und frug mich selber: Was mag wohl aus diesem Kinde werden, das die Liebe Christi so sehr erfasst hat? Eines Abends nun kam Andreas befangen aber freudig in meine Empfangshalle, und kniend sprach er: „Vater meiner Seele, der liebe Heiland lässt mir keine Ruhe mehr.“ „Wie? der Heiland! Das kann nicht sein! Er hat ja gesprochen: Kommt alle zu mir; ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen.“ „Du verstehst mich nicht, Vater! Der Heiland ruft, ruft bei Tag und Nacht; bald schlafe ich nicht mehr wegen dieses Rufens.“

Schon dachte ich an Samuel. „Was spricht der Herr? Wie lautet die Stimme in deines Herzens Mitte?“ „Sie spricht: Geh zu deinem Priester! Frage ihn, ob nicht auch ein Negerknabe Priester Gottes werden dürfe, um seine Stammesbrüder alle dem Erlöser zuzuführen! Hast du nicht selbst so zu uns einmal geredet?“ „O Kind, du hörst die Stimme einer hohen Gnade; sie kommt aus dem Erlöserherzen selber, kündet seiner Liebe unbegreifliche Erwählung. Doch wir müssen warten, ob sie sich auch ferner hören lässt. Wenn ja, dann will ich dich hingeleiten auf den Weg, der dich zum Altar führen wird. Beten wir, bis des Herrn Wille sich uns klarer kund tut.“

Monate vergingen. In der Seitenkapelle kniete Andreas alltäglich in der geschilderten Andacht. Da kam er eines Abends wieder zu mir. „Vater meiner Seele,“ sprach er, „jetzt ist es Zeit! Zeige mir den Weg! Heftiger als je pocht es in meiner Brust und ruft es: Folge mir!“

An eben diesem Tag war ein Schreiben meines Bischofs eingetroffen: Dem Wunsche des Heiligen Vaters gemäß soll versucht werden, ein Eingeborenen-Seminar zu gründen. Wer fromme und talentierte Negerknaben kenne, die vielleicht Beruf zum Priesterstand haben könnten, mögen dieselben schicken. Wunderbare Gottesfügung!

Mit dem ersten Schiff, das abging, fuhr Andreas zum Bischof, trat in das neue Knabenseminar ein, wurde der beste Student, sprach in wenigen Jahren tadellos Latein und wird mit Gottes Gnade bald der erste schwarzer Priester unserer Mission sein.

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