Andächtige Christen!
Das Himmelreich ist gleich einem Sämann, der guten Samen auf
seinen Acker streut. Die Kirche steht in den Missionen auf ihrem Eigentum, und
wohin sie auch schauen mag, und wohin sie, Samen ausstreuend, gehen mag, sie
ist stets auf ihrem Acker. In Wahrheit kann und muss sie bekennen: „Die Welt
ist mein Feld.“
Sagte nicht der Heiland zu denen, die er zum Ausstreuen des
göttlichen Samens bestimmt hatte: „Gehet in alle Welt und verkündet das
Evangelium jeglicher Kreatur“? Zu allen Menschen, für das Heil aller Völker bin
ich in die Welt gekommen, und „wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich
euch. Gehet hin in alle Welt!“
Von Ewigkeit her war es so bestimmt, denn also sprach der Vater zum göttlichen
Gründer und Haupt der Kirche: „Mein Sohn bist du, bitte von mir, und ich will
dir die Völker zum Erbteil geben und zu deinem Besitztum die Grenzen der Erde.“
„Bitte von mir“, so sprach der ewige Vater; und der Sohn hat gebeten in heißem
Flehen und Ringen, und er ist erhört worden, und die ganze weite Welt ist ihm
zum Besitztum gegeben worden. Er ist erhört worden, und um alles an sich zu
ziehen, hat er den blutigen Thron des Kreuzes bestiegen, und gleichsam um seine
Eigentumsrechte geltend zu machen, spannte er seine Arme weit aus. Alles wollte
er mit seiner Liebe und Gnade umfassen, die ganze Welt und alle Völker und jede
Seele. Nicht auf dem Berge der Versuchung, wo der Teufel an ihn herantrat und
zu ihm sprach: „Dies alles will ich dir geben …“, sondern auf dem Berge
des Kreuzes wurde ihm alles übergeben, wurden wir und alle Völker der Erde ihm
in die Hände geschrieben als sein Erbgut, als sein Eigentum, als sein
Ackerfeld.
Auf diesen Acker sandte er seine Kirche, und deshalb ist das
Missionsfeld, das den ganzen Erdkreis umfasst, rechtliches Erbgut unserer
heiligen Kirche. Darum sehen wir auch ihre Sämänner in allen Ländern. Alle
Völker sollen das Heil Gottes schauen, alle sollen den Samen des Evangeliums in
sich aufnehmen; er soll heranwachsen und Früchte der Heiligkeit und
Gerechtigkeit hervorbringen.
Andächtige Christen!
Es ist ein Bild voll Macht und Majestät, das uns beim
Anblick des großen katholischen Missionsfeldes geboten wird, und ein Gebet
ringt sich von unseren Lippen: dass allen Inseln und Ländern, allen Tälern und
Höhen ein Sämann erstehe, der ihnen guten Samen des Heiles bringen.
(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)