Montag, 30. Januar 2012

Der tolle Mullah von Somalia (Teil 2)


Taalex, die Hauptstadt des "Dervish State" (Foto: Scoobycentric)


Aber der tapfere Feldherr Meneliks, Ras Makonnen, sammelte rasch ein Heer und sandte es unter Führung eines seiner tüchtigsten Befehlshaber dem Eindringling entgegen. An der Grenze des Somalilandes, zwischen Dschidschiga und Milmil, stießen die beiden Heere aufeinander. Durch eitle Vorspiegelungen, dass die feindliche Kugeln zu Wasser würden, hatte der Mullah die Seinen begeistert. Mit der größten Tapferkeit stürzten sie sich auf die abessinischen Streitscharen.
Der Kampf war furchtbar. Aber die Abessinier blieben Sieger, und der Mullah ließ über 2000 Tote auf dem Schlachtfeld. Er floh mit dem Rest seiner Truppen nach Ogaden zurück und warf auf dem Rückzug überall die Brunnen zu, so dass im der Feind nicht folgen konnte.
Man hoffte, dass der Mullah, durch die blutige Schlappe entmutigt, seine Eroberungspläne aufgeben würde. Aber sie hatte seinen unersättlichen Ehrgeiz erst recht angestachelt.
Bereits im Beginn des Jahres 1901 begannen seine zahlreichen, gut bewaffnete Scharen abermals ihre Raubzüge auf britischem Schutzgebiet. Ihnen folgte langsam der Mullah mit seiner Hauptmacht. Er besetzte die Berbera beherrschenden Höhenzüge und bedrohte die Stadt. Rasch riefen die Engländer die Eingeborenen unter die Waffen, übten sie, so gut es in der Eile ging, zum Kampfe ein, gaben ihnen englische Offiziere und stellten sie unter den Befehl des tapferen Hauptmanns Swayne. Im Juni 1901 kam es unweit des Nogal zur Entscheidungsschlacht.
Der Mullah wurde abermals geschlagen, obschon er seine Truppen persönlich zum Angriff führte, und musste sich eilig zurückziehen. Er verlegte nun den Schauplatz seiner Tätigkeit nach jenem Teil des Somalilandes, der längs des Indischen Ozeans unter dem Namen Bar el Benadir (Küste der Häfen) sich hinstreckt und durch ein Abkommen von 1901 unter italienischer Schutzherrschaft steht. Leider versäumten es die Engländer, ihren Sieg auszunützen, und begnügten sich, das Grenzland durch einige kleine, feste Posten zu sichern.
Infolge des Krieges und der vielen Raubzüge war das Land verarmt und seiner Herde entblößt. Dazu blieben die Karawanen, die sonst aus Ogaden die reichen Schätze des Inneren an die Küste brachten, aus, Handel und Gewerbe stockten, und eine schreckliche Nahrungsnot herrschte im ganzen britischen Gebiet.
Auch die Mission in Berbera machte trübe Tage durch. Inzwischen fuhr der Mullah auf dem italienischen Schutzgebiet fort, den heiligen Krieg zu predigen, und zog die Stämme von Ost-Somaliland, die Midschurtin, Warsangeli, Noleis u.a. unter sein Banner. In weniger denn 6 Monaten hatte er abermals ein Heer von 10.000 Mann zusammen, die, dank der feilen Gewinnsucht europäischer Firmen, mit Waffen und Munition gut versehen waren.
Anfangs 1902 wurde Berbera von neuem bedroht. Wie ein Präriebrand, alles auf dem Weg verwüstend, zogen die Scharen des Mullah heran. Berbera und die andern Küstenstädte waren von Flüchtigen überschwemmt. Die Berichte der Missionäre aus dieser Zeit geben ein schreckliches Bild der Not und des Elends; kam es doch in Berbera selbst vor, dass Mütter, vom Hunger getrieben, vom Fleische ihrer eigenen Kinder sich nährten.
Die Mission tat, was sie konnte, um das Elend zu lindern. Jetzt erst merkten die Engländer, dass sie die Macht und Gefährlichkeit ihres Gegners unterschätzt und zu lange gewartet hatten, besaß doch der Mullah in Berbera selbst seine Spione und Anhänger. Es galt nun entschlossen zu handeln.
An Stelle des bisherigen guten, aber unentschiedenen Statthalters wurde im Mai 1902 als Generalkommissär Hauptmann Swayne gesetzt, der sich bereit im Kampfe gegen den Mullah bewährt hatte. Das folgende ist aus der Tagespresse bekannt.
Die ersten Strafexpeditionen der Engländer waren von Erfolg begleitet. Dann aber wandte sich das Glück. Mehrere vereinzelte Abteilungen wurden vom Mullah in einen Hinterhalt gelockt und fast aufgerieben. Die Engländer haben inzwischen den kostspieligen Feldzug aufgegeben und es den Abessiniern überlassen, mit dem „tollen Mullah“ fertig zu werden.


(Aus: die katholischen Missionen, 1903)


War das das Ende der Geschichte? Weit gefehlt! Der tolle Mullah konnte noch 17 Jahre lang sein Unwesen treiben, baute den sogenannten "
Dervish State" auf, samt Burganlagen und Palästen, bis die Briten ihn und seine Gefolgsleute 1920 mit der Hilfe der im Weltkrieg erprobten Luftwaffe schlugen. Hassan zog sich nach Ogaden zurück, wo er noch im selben Jahr an der Grippe starb.

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