Samstag, 11. Februar 2012

Ein altindisches Sati


Bild eines Sati, etwa 1820


Wie tief der alte Geist des Hinduismus eingewurzelt ist, hat ein Ereignis gezeigt, das im verflossenen Juli bekannt geworden ist. —Mit zurückgehaltenem Atem hörten Tausende die Kunde von dem Begebnis, das in ganz Indien heutzutage einfach für unmöglich gehalten war. Es war die Nachricht von einem altindischen Sati, wie sie in alter Zeit üblich waren.
An eines der traurigsten Kapitel der indischen Geschichte erinnert uns das Wort „Sati“. Es bezeichnet die in früheren Tagen übliche Witwenverbrennung. Starb der Mann vor der Frau, so bestieg die Witwe den Scheiterhaufen, auf dem des Mannes Leib verbrannt wurde.
Der Mann ist nach indischem Begriff der Gott der Frau und die Frau ist ein Nicht ohne Mann und hat nur soweit Existenzberechtigung, als es dem Mann zum Nutzen ist. Die Witwe war zu einem unsäglich traurigen Dasein verdammt. Diesem Schicksal entging sie durch das Sati.
Die Grausamkeit des Sati erhielt sich noch unter der englischen Regierung bis in den Beginn des 19. Jahrhunderts. Nur langsam und mit schwerer Mühe und großen Opfern war es der englischen Regierung möglich, diese so tief ins Religions- und Sittenleben der Hindu eingedrungene Verbrennung der Witwen abzuschaffen.
Eine solche Witwenverbrennung ereignete sich im Juli d.J. im Distrikt Mainpuri, der in den sog. vereinigten Provinzen Vorderindiens liegt.
Dort war ein angesehener Brahmane gestorben, Kamlal mit Namen. Wie ein Blitz verbreitete sich die Aufregung erweckende Kunde, dass ein altindisches Begräbnis abgehalten werden solle; das heißt, dass die Frau des Brahmanen, Musamat Sai Dewi, den Scheiterhaufen ihres Mannes besteigen werde, um mit ihm im Nirwana vereint zu sein. Weit und breit wurde über das aufregende Begräbnis oder besser über die Verbrennung gesprochen. Viele schüttelten bedenklich die Köpfe, weil sie Furcht vor den Engländern hatten. Die meisten meinten, es handle sich bloß um ein Gerücht. Ein Sati ist in Indien eben so selten vorgekommen, dass Hindu und Europäer ein solches Ereignis für ausgeschlossen hielten.
Einige, die Unannehmlichkeiten fürchteten, meldeten das Gerücht an die nächste Polizeistation, die die Nachricht aber erst empfing, als es zu spät war.
So fand sich an dem festgesetzten Tag eine große Menschenmenge aus allen umliegenden Dörfern ein, das Schauspiel anzuschauen.
Ein Scheiterhaufen war errichtet, auf den die Leiche des toten Brahmanen gelegt wurde. Dann nahte in seidenen Gewändern, beladen mit Gold und Silber, geschmückt wie zu einer Hochzeit, die Frau des Toten. Eine atemlose Stille trat ein. Jeder war gespannt, ob die Frau wirklich den schon bereiteten Scheiterhaufen besteigen werde.
Ein Kranz von Verwandten umgab das Opfer. Trommelschläge erschollen, der Schlag des Tam Tam ertönte, gellende Hörnersignale durchzitterten die Luft.
Da gesellte sich die Frau zur Leiche ihres Mannes. Bald zischten die Flammen des Scheiterhaufens hoch empor, schwarze Rauchwolken wirbelten langsam in der glutsengenden Luft, das Geschrei der Leute erstickte die Angstrufe der zu Tode Gemarterten.
Doch plötzlich wich die Menge erschrocken zurück. Die so gefürchteten Sipahis, die indischen Polizeisoldaten, erschienen. Aber sie kamen zu spät. Sie fanden nur noch den verkohlten Leichnam der Frau.
Die Frau war, was noch mehr befremdend ist, keine unwissende, wie sie gewöhnlich in Indien sind, sondern eine gebildete Inderin.
Die Verwandten und Bekannten, die die Frau zum Scheiterhaufen begleitet hatten, wurden vor Gericht gestellt. Als Beihelfer und Anstifter zum Selbstmord klagte sie der Staatsanwalt an. Fünf von ihnen wurden verurteilt. Drei erhielten achtzehn Monate, zwei davon zwei Jahre schweren Kerkers. Unter den letzten befand sich ein Onkel der Frau.

(Aus: die katholischen Missionen, 1914, S. 52-53)

Leider gibt es auch heute noch im ländlichen Indien vereinzelt Satis. Beten wir für die vom Heidentum verblendeten Menschen!

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