Samstag, 9. Juni 2012

Der Heldenmut eines japanischen Mädchens

Im Waisenhaus von Tainoura (Goto-Inseln, Japan) befand sich ein Mädchen Namens Maria o Hatsu aus dem Dörflein Akoghi. Da es der Missionär für alt genug hielt, um sein Brot zu verdienen und sich selber durchs Leben zu helfen, schickte er es in seine Heimat.
Aber hier wartete seiner ein wahres Martyrium.
Maria hatte die härtesten Prüfungen durchzumachen. Sie stand zu Hause unter einem Fremden, der ihre jüngere Schwester geheiratet hatte und um jeden Preis sie zum Abfall vom Glauben zu bewegen versuchte.
Da Schläge und Misshandlungen ihre Wirkung nicht taten, nahm man ihr den Rosenkranz, das Skapulier, die Medaillen ab und untersagte ihr das Gebet sowie jedes Werk der Frömmigkeit.
Ja, man wies sie aus dem Haus in eine elende, allem Unwetter offene Hütte, wo sie auf einer halbverfaulten Strohmatte schlief und zweimal im Tag von ihrer ebenso grausamen Schwester zwei oder drei Kartoffeln ohne jede Zutat hingeworfen bekam; bis Mittag kümmerte sich kein Mensch um sie.
Doch blieb sie unerschütterlich fest und verbrachte in ihrem Gefängnis den ganzen Winter ohne Feuer, ohne warme Kleider, ohne eine Decke für die Nacht, fast sterbend vor Hunger und Frost. Jeder Verkehr mit Christen war ihr verboten. Obwohl ganz in der Nähe eine Kapelle war, durfte sie nie dahin.
Eines Abends jedoch, als der Missionär in Akoghi Gottesdienst gehalten hatte und eben Anstalten traf für seine Abreise, kam unerwartet die kleine Maria zu ihm. Sie hatte um Erlaubnis gefragt, den Pater zum wenigsten begrüßen, sowie beichten und die Messe hören zu dürfen; doch schlug man die Bitte ab.
Da schlich sie abends, im Glauben, alles schlafe im Hause des Schwagers, fort und schlug den Weg gegen Midzunoura ein. Aber bald sah sie, wie jemand mit einer Laterne auf ihre Hütte zuschritt; eine wohlbekannte Stimme rief sie beim Namen und fügte schreckliche Drohungen bei. Maria stand still — der Gedanke an die Schläge, die sie zu erwarten hatte, falls sie nicht gleich umkehrte, benahm ihr für einen Augenblick den Mut. Aber der Missionär war so nahe, sie hatte die heiligen Sakramente so lange entbehren müssen; welches Glück, wieder einmal, sei es auch nur für ein paar Minuten, mit den versammelten Christen zu beten!
Sie überwand die Furcht und setzte ihren Weg fort. Sie wagte jedoch nicht, bis am Morgen zu bleiben, sondern ging, nachdem der Pater ihre Beichte gehört und sie getröstet und ermutigt hatte, ihn ihr Gefängnis zurück, wo schon ihr Schwager sie erwartete. Dieser warf sie zu Boden, trat sie mit Füßen und schlug sie so schrecklich, dass sie acht Tage lang kein Glied rühren konnte. — Infolge dieser Misshandlung beschloss der Missionär, sie in das Haus der heiligen Kindheit wieder aufzunehmen.
Nach Tainoura zurückgekehrt, weinte sie vor Freuden, und jeden Tag dankt sie dem lieben Gott, der sie in ihren Leiden bestehen und im Haus der heiligen Kindheit den Himmel auf Erden finden ließ.



(Aus: die katholischen Missionen, 1891)

1 Kommentar:

  1. "sie hatte die heiligen Sakramente so lange entbehren müssen"

    Man könnte heulen, wenn man das liest. Und morgen stehen sie wieder alle in der Schlange und nehmen das Allerheiligste weil es alle anderen auch machen und weil es ihnen ja zusteht. Wie wenig verstehen wir doch vom Wert des Allerheiligsten, da wir es nicht entbehren müssen.

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