Freitag, 29. März 2013

Bekehrung des zum Tode verurteilten Sioux-Häuptlings Two Sticks (Teil 1)

Deadwood, South Dakota


Über die Hinrichtung des Sioux-Häuptlings schreibt der hochw. P. Florentin Digmann SJ (hier links im Bild) von der Pine Ridge-Agentur:

Die Hinrichtung des Sioux-Häuptlings Two Sticks, welcher am 28. Dezember in Deadwood, South Dakota, wegen der ihm zur Last gelegten Beteiligung am Mord der vier Cowboys auf der Pine Ridge-Reservation sein Leben am Galgen geendet, hat in den Zeitungen die verschiedensten Meinungen zu Tage gefördert. Ohne mich auf dieselben einzulassen, will ich im Folgenden nur berichten, was ich selbst gesehen und gehört bei seiner Vorbereitung auf die Taufe und den Tod, welche mir der hochw. Bischof Martin Marty aufgetragen:

„Einige Wochen nach Fällung des Todesurteils schrieb ich an Two Sticks und bat ihn, sich mit dem großen Geiste auf freundschaftlichen Fuß zu stellen, bevor er vor seinem Richterstuhle zu erscheinen habe. Zur selben Zeit sah ihn Mr. Phil Wells in Deadwood. Letzterer brachte mir die Nachricht, dass derselbe sehr wünsche, mich zu sehen.
Auf die Bemerkung, ich könne ihm nicht zur Freiheit verhelfen, alles, was ich könnte und wollte, wäre, ihn zu einem seligen Tod vorzubereiten, gab er zur Antwort: das letztere sei auch alles, was er wolle, er wünsche getauft zu werden und wünsche sich niederzulegen wie ein Mann.

Bald nach meiner Ankunft in Deadwood am 24. Dezember sprach ich beim Sheriff vor und erhielt alle Freiheit, den Gefangenen zu sehen, so oft und so lange ich wollte. Two Sticks war ungemein erfreut, mich zu sehen. Man erlaubte ihm, seinen eisernen Käfig (Zelle) zu verlassen und innerhalb der Gefängnismauern sich frei zu bewegen. Er war fortwährend von einem Beamten bewacht, wovon er selbst aber keine Ahnung hatte.
Oberhalb der Zellen (‚cages‘) war ein freier, geräumiger Platz, wohin wir uns zurückzogen und ungestört miteinander sprechen konnten.
Bald fand ich heraus, dass er noch nicht alle Hoffnung aufgegeben, ein anderes Verhör zu bekommen und sich von dem ihm zur Schuld gelegten Verbrechen zu reinigen.
Einer seiner Mitgefangenen, ein Halbblut, hatte ihm aus Zeitungen alles mitgeteilt, was die Hoffnung nährte. Vielleicht taten er und andere so, den alten 63-jährigen Mann in guter Stimmung zu erhalten; mir aber schien es sehr grausam, und jedenfalls war es nicht die Stimmung, bei der ich eine aufrichtige Bekehrung erwarten mochte.
Deshalb ging ich zuerst zu seinem Advokaten, der Katholik ist und auf den Two Sticks das größte Vertrauen hatte, und bat ihn, dem Armen klaren Wein einzuschenken, dass er keine Hoffnung mehr habe für diese Welt und sich vorsehen solle, gut zu sterben.
So geschah es. Er nahm die Nachricht sehr ergeben an und hörte seit der Zeit mit großer Aufmerksamkeit auf den Unterricht.
Da er stets seine Unschuld am Mord beteuerte, so suchte ich ihn vor allem zu durchdringen mit dem Gedanken an die Allgegenwart, Allwissenheit und Gerechtigkeit Gottes, dem nichts verborgen sei und der nichts vergesse. 

Als er trotzdem bei der Behauptung blieb, wies ich ihn auf den am Kreuze sterben Heiland, der, selbst schuldlos, für unsere Sünden gestorben und dessen erstes Gebet gewesen: ‚Vater, vergib ihnen!‘ 


‚Im Krieg mit den Krähen-Indianern (Crows)‘, sagte er, ‚er habe ich drei Männer getötet und ihre Pferde weggenommen, und deshalb gelte ich bei den Dakotas als ein Häuptling. Aber nie habe ich auf einen Weißen geschossen. Wenn ich Weiße töten wollte, so ist ja Holz genug im Gefängnis, ich könnte es als Waffe brauchen und alle Weißen hier erschlagen; aber das will ich nicht.‘

Hie und da machte sich das Verlangen, zu leben, heimzugehen und den Rest seiner Tage im Frieden als ein guter Mann zu beschließen, doch wieder geltend. Dann sagte er wohl: ‚Ich mag nicht sterben.‘ Dann nahm ich ihn zum Heiland im Ölgarten. ‚Der hatte auch ein menschliches Herz‘, sagte ich ihm, ‚und bat den Vater, verschont zu bleiben. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst, fügte er bei, und das muss jetzt auch dein Gebet sein.‘
Er nahm es an und war wieder zufrieden.

Ein kleines Kruzifix, welches ich beim Unterricht auf den Tisch gelegt, nahm er ganz von selbst und küsste es ehrfurchtsvoll und herzlich. Ich ließ es ihm Donnerstag vor Mittag. Als ich nach Mittag wieder zu ihm kam, hatte er jemand um ein kleines Bändchen gebeten und es umgehängt.
An seiner guten Stimmung konnte ich nicht zweifeln und taufte ihn Johannes Evangelist am Nachmittag desselben Tages. Der Priester von Deadwood, Rev. G. Traynor und sein Anwalt, Mr Willliam McLaughlin, waren als Zeugen zugegen. Das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser und die Antworten auf die Fragen: widersagst du dem Satan etc. und: Glaubst du an Gott den Vater usw., sagte er mit kräftiger Stimme.
Am Abend desselben Tages kam von Washington das Telegramm, dass der Präsident ‚sich weigere, sich einzumischen‘, d.h. das Urteil zu ändern. Two Sticks wusste nichts davon, dass sein Anwalt sich nochmals für ihn verwendet. Ich hielt es für klüger, ihm nichts davon zu sagen, bis am nächsten Morgen, dem Tag der Hinrichtung.

Fortsetzung hier

(Aus: die katholischen Missionen, 1895)

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