Samstag, 30. März 2013

Bekehrung des zum Tode verurteilten Sioux-Häuptlings Two Sticks (Teil 2)


Fortsetzung von hier

Am Morgen des 28., etwas nach 8 Uhr, teilte ich ihm mit, dass er ‚heute gehen müsse‘. Er nahm es mit gewohnter Ruhe entgegen.
Die Vollstreckung des Urteils war auf 10 Uhr vormittags festgesetzt. In der Zwischenzeit sang ich ihm mehrere der schönen Lieder in der Sioux-Sprache vor, welche Akte des Glaubens, des Vertrauens, der Liebe und Reue enthielten, betete auch diese Akte und andere Gebete mit ihm, und er war in der besten Stimmung.

Gegen 10 Uhr kamen die Geschworenen, und das Todesurteil wurde ihm nochmals verlesen und durch einen Dolmetscher übersetzt. Er blieb ruhig bis zum Ende.
Auf die Frage, ob er etwas zu erwidern hätte, hielt er eine längere Ansprache an die Umstehenden. Ihr Inhalt war kurz dieser:

‘Ich bin nicht schlechten Herzens, sondern guten Herzens (d.h. nicht traurig, sondern froh). Ich habe den Mord nicht begangen (...). Die Weißen werden eines Tages meine Unschuld erkennen und sich schämen. Auch mein Volk wird sich schämen bei der Nachricht von meinem Tode.
Mein Herz ist gut, und ich liebe alle. Der große Geist hat die Herzen der Menschen gleich gemacht, der Weißen wie der Indianer. Ich habe ein Herz wie die Weißen.
Wäre ich nicht unschuldig, würde ich nicht so gutwillig hierhergekommen sein. Ich sage dies nicht, um frei zu kommen, ich weiß, dass ich sterben muss; aber ich fürchte nicht zu sterben, weil mein Herz meine Unschuld kennt.‘
Er erhob seine Hand wie zum Schwure und begann seinen Sterbegesang. Er hatte immer eine Stentorstimme gehabt, diesmal aber klang sie wahrhaft erschütternd. Es war ein kurzes Gebet zum großen Geiste, zu dessen Haus er im Begriffe stehe zu gehen, und das er öfters wiederholte, bis ich ihm sagte, es sei genug.

Unterdessen hatte man die Riemen mit Schnallen herbeigebracht, um ihn zu binden. Der Dolmetscher sagte ihm, er müsse sich die Hände binden lassen. Er lachte herzlich und sagte: ‚das ist nicht nötig, will schon so gehen.‘ Als ich ihm aber bedeutete, er solle sich erinnern, was ich ihm all diese Tage gesagt, und solle es geschehen lassen, war er sofort bereit.
Jetzt stellte sich heraus, dass sein rechter Arm steif und nicht rückwärts biegbar sei infolge einer früher empfangenen Schusswunde.
So ging jemand, einen Strick herbeizuholen. Dieser Verzug von etwa zwei Minuten verursachte eine peinliche Szene und zeigte wieder, dass der böse Feind nicht schläft und es bis zum letzten versucht.
Eine Anzahl Riemen lagen auf einem Stuhle. Two Sticks nahm einen derselben wie spielend in die Hand, machte eine Schlinge, warf sie über seinen Kopf und versuchte, sich selbst zu erwürgen. Dann trat er einen Schritt zu dem bloß 2-3 Fuß entfernten Eisengitter, hinter welchem zwei andere Indianer, Eagle Louse und Turning Hawk, waren, wollte das Ende des Riemens durch das Gitter reichen und denen bedeuten, sie sollten ihn töten.
Es machte den Eindruck, als wollte er nicht von Weißen getötet werden, obgleich er dies nicht aussprach. Das alles war das Werk weniger Sekunden. Ich streckte meine Hand gegen ihn und rief ihm zu, von einem weiteren Versuch abzustehen. Mit Hilfe der Umstehenden wurde der Riemen gelöst. 


Ich hielt ihm das Böse dessen, was er getan, vor. Er sagte nur ein Wort: ‚inawachni‘, ‚ich wollte schnell machen‘. Nachdem ich ihn zur Reue ermahnt und den Akt der Reue mit ihm wiederholt erweckt, gab ich ihm die Lossprechung, da er sein Unrecht anerkannte.
Wahrscheinlich hat er die Bosheit des Versuchs von Anfang gar nicht so erkannt, bis ich ihm sagte, dass er so den großen Geist beleidigt und nicht in sein Haus eingehen könne. 

Jetzt war er wieder gefasst und ruhig. Solange seine Hände noch nicht gebunden, ging er aus freien Stücken zu allen Umstehenden und schüttelte ihnen die Hand; besonders seinem Verteidiger und mir drückte er sie herzlich und sagte: ‚Ihr, meine Freunde, habt mir beigestanden und geholfen, soviel ihr gekonnt, ich werde euch nicht vergessen, und wenn ich zum großen Geiste komme, für euch beten.‘ Er ließ sich ruhig die Hände binden und ging festen Schrittes hinter dem Marschall her zum Gerüste.
Auf dem Wege noch lud er alle, die ihm nahe kamen, ein nochmals seine Hand zu drücken, und lachte gutmütig dabei.
Nachdem er seinen Platz auf dem Fallbrett eingenommen und seine Beine zusammengebunden waren, betete ich ihm nochmals die Akte des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, der Reue und kurze Stoßgebete vor, besonders die heiligen Namen Jesu und Marias. Wie andere bemerkten (ich selbst sah es nicht), nickte er Beifall.
Zuvor hatte er nochmals seinen Indianer-Sterbegesang gesungen, bis ich ihm sagte, es sei genug, worauf er sofort verstummte und auf die Gebete hörte bis zum Ende. 

Wie Augenzeugen später sagten, trat der Tod augenblicklich mit dem Fall ein, der keine halbe Sekunde dauerte. Ein Sarg war für ihn bereit gehalten.
Viele kamen noch, um ihn zu sehen. Allen fiel es auf, wie friedlich seine Züge waren, viel schöner, als er im Leben ausgesehen. Es lag kein Grund vor, ihm das kirchliche Begräbnis zu verweigern, und so wurde er am selben Nachmittag noch auf dem katholischen Kirchhof zur Ruhe bestattet.
Wir dürfen hoffen, dass er im Jenseits einen gnädigen Richter gefunden. R.I.P.

(Aus: die katholischen Missionen, 1895)

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