Montag, 11. März 2013

Der kindliche Brief eines Indianers an seinen Missionsbischof



Elk Island. An meinen ehrwürdigen Vater, den großen Mann des Gebets (Bischof) Isidor Clut.
Es ist schon lange her, dass ich Dir geschrieben habe. Darum will ich wieder einmal schreiben. Alle Briefe, die Du an mich gesandt hast, hat man mir gebracht. Ich bin darüber sehr zufrieden; meine Frau auch; wir sagen Dir beide Dank.
Für das Bild Deines Angesichtes (Photographie) habe ich ein schönes Holz (Rahmen) gemacht, dasselbe darin befestigt und in meinem Hause aufgestellt. So oft ich es sehe, denke ich an Dich. Zwar ist es nicht Dein wirklicher Leib, aber es ist mir doch so, als ob ich Dich wirklich gegenwärtig sähe, und ich bin darüber glücklich. Ich habe aber noch mehr zu sagen.

Du hast mir einst von der anderen Seite des großen Wassers (von Frankreich) aus geschrieben, und Du sagtest damals: ‚Ich werde auf dem Kanu wieder zu euch zurückkommen.‘ Ja, das hast Du damals gesagt; erinnerst Du Dich noch? Ich war darüber sehr zufrieden. Aber einige Zeit  darauf hast Du wieder geschrieben vom Land der Großen Messer (USA) aus, und da hast Du gesagt: ‚Ich kann nicht zu euch kommen, da ich sehr krank bin.‘ Ja, das hast Du gesagt. Als ich aber diesen Brief sah, da war ich erstickt von Schmerz, und viele, viele andere waren erstickt von Schmerz.

Du selbst hast gesagt: ‚Die Montaignais lieben mich sehr.‘ Ja, so ist es. Vielleicht werden wir Dich nicht wiedersehen hier auf Erden. Allein, falls wir gut beten, Du für uns und wir für Dich, wird Gott Erbarmen haben mit uns, und wir werden uns wiedersehen in einem anderen Land, und unser Herz wird dann voll Freude sein. Wenn Gott es will, ist es nicht schwer. 

Ich will Dir jetzt noch anderes sagen. Ich danke Gott, dass sowohl ich als meine Frau und meine Kinder alle gesund sind. Mehr noch, die (…), die weißes Fleisch haben, sind gut gegen mich. Eines muss ich Dir noch sagen. Das, wovon man lebt (Fleisch), haben wir in diesem Fort die Menge; Fische aber sind rar. Es gab gar keine letzten Herbst; von dem aber, was die Erde gewährt (Kartoffeln), gab es die Fülle. Noch niemals haben wir früher so viel davon gehabt. Wenn also auch die Fische rar sind, so haben wir doch genug, um einen guten Winter zu verleben, und darüber bin ich froh.

Noch etwas anderes muss ich Dir sagen. Was meine Kinder anbetrifft, die bei den Schwestern wohnen — Du wirst Dich doch noch erinnern, nicht wahr? — so habe ich Michel wieder nach Haus geholt, und ich werde im Sommer auch Elsbeth abholen.
Solltest Du’s wohl glauben, der protestantische Missionär hat zu mir gesagt: ‚Lass mich deine Kinder unterrichten, die Katholiken unterrichten nicht gut; nur wir unterrichten gut.‘ Du weißt, dass ich dazu nicht ‚Ja‘ gesagt habe.
Er sagte mir weiter: ‚Die Katholiken fordern für den Unterricht von den Eltern Geld, wir aber tun so etwas nicht, sondern bei uns heißt es: ‚Wir dürfen nicht das Geld der Armen nehmen‘. Solches hat er öfter zu mir gesagt; aber ich habe bis heute ihn keiner Antwort gewürdigt.
Was die Religion betrifft, so ist er darauf noch nicht zu sprechen gekommen: Er weiß wohl, dass es umsonst wäre. Man sagt, er habe schon etliche Montaignais betreffs ihrer Religion behelligt. Gegen mich hat er es aber noch nicht gewagt.

Noch eines. Weil Du nicht darum gebeten hast, so schicke ich Dir diesmal keine Mokassins. Wenn Du welche wünschest, scheu Dich nicht und sage es mir. Wenn meine Frau gesund bleibt, wird es leicht sein, sie Dir zu verschaffen; wenn nicht, dann wird es freilich schwer halten. 

Ich schließe; ich habe nichts anderes mehr Dir zu erzählen. Dein Kind, von dem Du Beweise hast, dass es Dich liebt. Michael Malville. Dies sind seine Worte.

(aus: die katholischen Missionen, 1892)