Sonntag, 21. April 2013

Pontifikalämter, die sich sehen lassen können – ein Priesterseminar in der Südsee

Ein Priesterseminar für einen einheimischen Klerus auf einer Insel im Stillen Ozean, die vor 50 Jahren nur von Menschenfressern (ob alle Menschenfresser waren, sei mal dahingestellt) bewohnt war, ist gewiss eine denkwürdige Tatsache. Wir entnehmen darüber einem Briefe des Apostolischen Vikars von Zentral-Ozeanien, Msgr. Lamaze, auf der Insel Wallis folgende Einzelheiten. 

„Ihr großes Interesse, das Sie an unserem einheimischen Priesterseminar nehmen, lässt mich erwarten, dass einige weitere Nachrichten nicht unerwünscht sein werden.
Ich werde dieses Jahr die Freude haben, wieder einen unserer Seminaristen zum Priester zu weihen. Sein Name ist Savelio (Xaverius). Es ist nun der fünfte Priester, der aus unserer Anstalt hervorgegangen. Am selben Tage werde ich zwei zu Akolyten und einen zum Lektor weihen. Außerdem haben wir hier noch drei Tonsuristen, während drei weitere im Chor bereits die schwarze Soutane tragen.
Sehen Sie, das ist es, was ich mein Grand-Séminaire (Priesterseminar) nennen. Das kleine Seminar (d.h. das Knabenseminar) zählt 14 junge Lateinschüler, die sich, ich sage nicht mit Rosa, Rosae (denn Rosen gibt es hier keine), wohl aber mit Femina, Feminae, ein Geschöpf, das überall vorkommt, plagen, und zwar nach allen Regeln der Grammatik. Diese unsere Jüngsten haben beim Gottesdienst ihren Platz vorne im Chor, wobei sie der Sparsamkeit halber in schönen, fein geflochtenen Matten statt in Chorhemden erscheinen. 
Dieses Personal bildet zur selben Zeit mein Seminar und mein Kapitel, und dank dieser Seminaristen-Kanoniker, die am liturgischen Gesang sowohl wie an den kirchlichen Zeremonien ihre helle Freude haben, feiern wir hier Pontifikalämter, die sich sehen lassen können. 

Die Tagesordnung meines Seminars, die ich übrigens nicht in allem als Vorbild hinstelle, ist wie folgt:
Um halb fünf Uhr Aufstehen, dann Betrachtung, heilige Messe, Absingen einer der kleinen Horen; es folgt eine halbe Stunde Klasse, dann eine kleine ozeanische Zigarette. 
Nicht selten ergibt sich dann, dass für das nun folgende Frühstück nichts vorhanden ist. Man geht ruhig darüber hinweg, als ob nichts geschehen wäre, nur dass in solchem Fall annuente superiore (mit Zustimmung des Obern) die Zigarette länger wird, wenn nicht gerade sich verdoppelt. 
Vielleicht, dass Ihre Seminaristen sich hieran ärgern. Wohlan, sagen Sie ihnen, dass die unsrigen diese kleine Vergünstigung aufs bereitwilligste gegen das substantielle Frühstück abtreten, was von den guten Schwestern in Ihrem Grand-Séminaire mit kundiger Hand bereitet wird.

Die Arbeit in den Plantagen – denn prius est vivere quam philosophari (d.h. erst leben, dann philosophieren) – füllt dann in nützlicher Weise die Morgenstunden aus. Um 10 ½ Uhr folgt fünf Viertelstunden Klasse, dann Gewissenserforschung, darauf die Hauptmahlzeit, die nicht selten die einzige bleibt; denn ein Abendessen gibt es nur, wenn mittags was übrig bleibt. Um 2 Uhr ist Besuch beim Allerheiligsten, dann fünf Viertelstunden Studium, darauf wieder Handarbeit. 
Wenn dann die Sonne zur Rüste geht, gehen meine Leutchen zum Baden und zum Fischen. Dann versammelt sich alles. Man singt eine Nocturn, betet den Rosenkranz und das Abendgebet und macht dann Erholung, bis es Zeit wird, schlafen zu gehen: das ist um 9 Uhr.“ Soweit der Apostolische Vikar. Möge er uns recht bald wieder was von seinem Seminar erzählen!

(Aus: die katholischen Missionen, 1891)

4 Kommentare:

  1. Ich liebe diese Texte hier einfach! Immer wieder: Vielen Dank dafür!

    AntwortenLöschen
  2. Danke, lieber Bloggerkollege, für das schöne Lob. Vor allem solltest Du neben dem lieben Gott den guten Missionaren und den Jesuiten danken, die die Zeitschrift gemacht haben, ohne sie könnte ich auch nichts abschreiben. Es liegt wohl nahe, dass viele von ihnen im Himmel sind, bestimmt geben sie auch gute Fürsprecher ab! Einen gesegneten Sonntag!

    AntwortenLöschen
  3. Ein sehr interessanter Seminaralltag ... :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, so ein bisschen praktische Arbeit kann zukünftigen Priestern bestimmt nicht schaden.

      Löschen