Montag, 22. April 2013

Die Barmherzigen Schwestern bei den Aussätzigen im Heiligen Land

Barmherzige Schwestern im ursprünglichen Habit (Armand Gautier)

Der hochwürdige Herr Poyet, Apostol. Protonator und Kanonikus des heiligen Grabes, schreibt uns aus Jerusalem die folgenden Zeilen, in welchen er das Los der Aussätzigen in der heiligen Stadt der Mildtätigkeit unserer Leser dringend empfiehlt:

„Noch immer findet sich der Aussatz in der Levante. In Palästina sind seine Opfer zahlreich. Zu Damaskus hat man sie aus der Stadt in ein abgetrenntes Quartier verbannt.
Die Pilger, welche in Jaffa landen und von dort nach Jerusalem ziehen, treffen an den Toren der Stadt Frauen und Kinder, welche das Mitleid der Fremden dadurch zu erwecken suchen, dass sie ihre von der Krankheit zerfleischten Arme zeigen. In Jerusalem sind sie zahlreich und bilden bei Siloë eine Art Gemeinde; wenn jemand in der Umgegend von der Krankheit befallen wird, geht er nach Siloë und bittet um Aufnahme.(…)

Die christliche Liebe schuf einst in Europa allenthalben Zufluchtsstätten für diese Kranken, weil sie in denselben ein Bild des bitteren Leidens (Christi?) erblickte. Zu Jerusalem hat man bis auf die letzte Zeit nichts für sie getan.
Ein Pascha verbannte sie vor etwa 15 Jahren aus der Stadt in das Tal Cedron, jenseits der Quelle Siloë. Die Kräftigeren unter ihnen, welche noch gehen können, begeben sich jeden Morgen an den Weg nach Bethlehem und halten den Vorübergehenden eine Schüssel aus Weißblech hin, in die man ihnen ein Stück Brot, einige Früchte usw. wirft, was sie mit ihren Unglücksgenossen in Siloë teilen.
Ein Missionär des lateinischen Patriarchats hegte schon seit 30 Jahren den Plan, eine Anstalt für diese Unglücklichen zu gründen; es fehlte ihm aber sowohl an Geld als an einer Ordenskongregation, welche sich mit der Pflege dieser schrecklich verstümmelten Kranken hätte befassen können.
Als 1875 Msgr. Gauthier, der Apostol. Vikar von Süd-Tonking, das Mittel Hoang-nan bekannt machte, welches gegen die Wut und gegen den Aussatz, zwei Krankheiten, die bisher der europäischen Arzneikunde gespottet hatten, mit Erfolg angewendet wird, entschloss man sich, dasselbe in Jerusalem anzuwenden. Man wandte sich an die Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul und bewog dieselben, einige Mitglieder zur Ausübung ihrer Ordenstätigkeit und namentlich zur Pflege der Aussätzigen nach Jerusalem zu senden. Seine Heiligkeit Leo XIII. segnete das Unternehmen.
Am Feste Kreuzauffindung (3. Mai) 1886 trafen sie in Jerusalem ein und eröffneten ein Haus für Krankenpflege; sieben Schwestern können gegenwärtig der Arbeit kaum genügen. Täglich bedienen sie durchschnittlich 350 Kranke von verschiedenen Sprachen und Religionen; oft hat man sogar 650 gezählt. Unentgeltlich verteilt man an alle Kranken die nötigen Arzneien.
Abends besuchen die Schwestern in ihren Wohnung diejenigen Kranken, welche am Morgen nicht zur Apotheke kommen konnten, und jede Woche begeben sich zwei Schwestern in die umliegenden Dörfer und pflegen alle Kranken, welche man ihnen bringt. Vierzehn Dörfer haben das Glück, von ihnen besucht zu werden, und jedes Mal ist die Freude groß, wenn sie eintreffen.

Dreimal wöchentlich steigen die Barmherzigen Schwestern auch nach Siloë hinab, um die Wunden der Aussätzigen zu verbinden. Unmöglich lässt sich das Staunen der Unglücklichen beschreiben, das sich bald in Dankbarkeit verwandelte, als sie diese Frauen aus Europa den Eiter aus ihren Wunden waschen und dieselben mit größter Zartheit mit blendend weißer Leinwand verbinden sahen. Man weiß, wie sehr die Mohammedaner das Weib verachten; umso mehr erschienen die Barmherzigen diesen Unglücklichen als wahre Engel, welche vom Himmel herniedergestiegen.
Ein- oder zweimal im Jahr bringen die Schwestern den Aussätzigen Brot, Fleisch, Früchte und arabische Süßigkeiten, um die Ärmsten, in denen sie Jesum Christum verehren, mit einer Mahlzeit zu erquicken. Mehrere edle Pilger wollte dieser Mahlzeit beiwohnen und die Aussätzigen bedienen.

Leider ist Siloë für die Schwestern, die wöchentlich dreimal hinabsteigen, viel zu weit entfernt, namentlich im Winter, wo es während drei Monaten oft in Strömen regnet und ein heftiger Wind weht.
Auch hätte man von den Kranken, bei denen das Übel schon Fortschritte gemacht hat, täglich, ja öfter im Tage, die Hilfeleistungen der Schwestern nötig. Man könnte so manche Seele retten, die sonst verloren geht.
Die Krankenpflegerinnen dieser armen Leute beten also inständig zu Gott, er möge wohlhabenden Christen den Gedanken eingeben, ihnen ein Haus zu bauen, in welches sie die am meisten der Pflege bedürftigen aufnehmen könnten. Sollten sich nicht Wohltäter finden, welche ihnen zur Verwirklichung dieses Planes behilflich wären?


(Aus: die katholischen Missionen, 1888)

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