Dienstag, 18. Juni 2013

„Das muss die wahre Religion sein, wir könnten nicht so viel aushalten“ - Katholikenverfolgung in Eritrea


Bereits in der Februar-Nummer berichteten wir die Vernichtung der Missionsstation Keren, welche der Besetzung Massauas durch die Italiener und den infolge davon zwischen Abessinien und Italien ausgebrochenen Feindseligkeiten zuzuschreiben ist. Nachträglich teilt uns P. Picard noch das folgende schöne Beispiel von heldenmütiger Glaubenstreue mit, welche die Katholiken von Keren bei dieser Gelegenheit bewiesen haben:

„Am 23. August letzten Jahres wurde unser Haus zu Keren von fünfhundert abessinischen Soldaten umstellt. Sämtliche Mitbrüder versammelten sich hierauf im Diwan, wo die Bewaffneten eingelassen wurden. Der Hauptmann sagte uns: ‚Wir kommen im Namen Ras Alulas, um alle abessinischen Katholiken, die bei euch sind, sowie die Priester, Seminaristen und Schwestern in Ketten zu legen. Euch Europäer wir man samt euren Gütern und Häusern in Frieden lassen.‘ 
Auf meine Frage nach einem Brief des Königs antwortete der Anführer: ‚Wir haben ausdrücklichen Befehl, ihr müsst ihm nachkommen.‘ 

Es blieb nichts übrig, als unsere vierzig Seminaristen, die Priester, Waisenkinder und etliche Diener zu rufen. Darauf beschied man die vierzehn katholischen Familien des Dorfes, die Schwestern und die Arbeiterinnen her. Uns führte man aufs Feld, wo jeder nach Heimat, Religion und Zeitpunkt seiner Ankunft in Keren ausgeforscht wurde. 
Danach wurden Seminaristen und Priester gefesselt. ‚Heute Abend oder morgen früh geht es fort,‘ lautete der Befehl, ‚am Freitag habt ihr vor dem König zu erscheinen.‘

Die Greise, die Schwestern und die katholischen Familien wurden gegen Bürgschaft auf freien Fuß gesetzt. Tags darauf, es war Mittwoch, zogen unsere Kinder zu je zwanzig, zwei und zwei aneinander gekettet, nach Asmara. Herr Jougla und ich folgten mit Mundvorrat für die Reise. Das Wetter war hübsch und die Wege ziemlich gut. Auf jeder Station verrichteten wir gemeinsame Andachtsübungen und beteten den heiligen Rosenkranz. Am Freitagmorgen trafen wir in Asmara ein. 

Umgeben von zahlreichen Priestern und schismatischen Mönchen, empfing uns der König nicht gerade unfreundlich. Nach halbstündigem Warten, während dessen man zehn Peitschen und zehn Knuten zurechtgelegt hatte, durften wir vortreten. Auf Befehl des Ras rief ich meine Priester, Seminaristen und die übrigen Katholiken. Hierauf nahm ich das Wort und sagte: ‚Fürst, wir sind mit des Königs Erlaubnis in Abessinien; denn so lautet sein Bescheid: Zu Keren, Acrur und Alitiena erteilet Unterricht und seid meine Freunde. Wir haben allezeit den Willen des Königs erfüllt.‘ Danach wurde jeder einzelne nach seiner Heimat und dem Namen seines Vaters ausgeforscht. 

Nach diesem Verhör fuhr Ras unseren Gesangslehrer an: ‚Warum bedeckst du deinen Kopf? Packt ihn, prügelt ihn.‘ Gesagt, getan! Der Mann wurde festgebunden und erhielt 143 Hiebe. Dreimal fragte man ihn dazwischen nach der wahren Kirche. ‚Die katholische Kirche ist die wahre Kirche‘. Da fuhr Ras auf. ‚Gebt ihm hundert, zweihundert Schläge, aber kräftig.‘
Endlich ließ man ab, den mutvollen Bekenner länger zu peinigen; denn man fürchtete, er werde sterben; das Blut rann ihm vom Leib und das Fleisch hing in Fetzen herab. Selbst die Schismatiker sagten leise für sich: ‚Das muss die wahre Religion sein, wir könnten nicht so viel aushalten.‘

Jetzt mussten wir uns zurückziehen. Während man achtundzwanzig Kinder in Ketten legte, nahmen wir den misshandelten Bekenner in Pflege. Erst einen Monat später war er wieder hergestellt. Elf Tage blieben unsere Kinder gefesselt; dann ließ man auch sie, und zwar ohne Bürgschaft, los. Ein Mönch nur blieb im Gefängnis zurück; auch er verharrt treu im Glauben.“


(Aus: die katholischen Missionen, 1888)