Mittwoch, 19. Juni 2013

Was ein Apfel mit der Bekehrung eines kalvinistischen Aussätzigen auf Molokai zu tun hat



Wir erhalten durch gütige Vermittlung der Anverwandten den Brief eines wackeren Missionärs aus der Picpus-Gesellschaft, des P. Matthias Limburg, welcher augenblicklich in der durch P. Damian so berühmt gewordenen Mission auf der Aussätzigen-Insel weilt.

„Molokai, Kalaupapa, den 22. Mai 1890. Wie Ihr seht, schreibe ich Euch dieses Mal vom weltberühmten Molokai aus, wo ich jetzt zum dritten Mal bin. Das erste Mal – es war im Dezember 1888 – kam ich hierher mit den ersten Franziskanerinnen und blieb damals ungefähr neun Tage. 
Das zweite Mal – im vergangenen Januar – kam ich, um den Schwestern die geistlichen Übungen zu geben. Dieses Mal werde ich von meinen Oberen geschickt, um den P. Wendelin Moellers (den Nachfolger P. Damians) für eine Zeitlang zu ersetzen, da derselbe erkrankt war und der Doktor ihm eine Erholung und Klimawechsel vorgeschrieben hatte. 

Ich bin hier seit dem 29. April. Unser hochw. Bischof, Msgr. Hermann Köckemann, kam am 6. Mai gleichfalls hierher und spendete die heilige Firmung hier in Kalaupapa am 7. Und in Kalawao, welches 1 ½ Stunden Wegs von hier entfernt ist, am 8. Mai. In jedem der beiden Dörfer waren ungefähr 100 Firmlinge, also etwa 200 im Ganzen. 
Aussätzige sind in beiden zusammen über 1100; die meisten davon in Kalaupapa. Am 8. Mai ging der hochw. Herr Bischof in Begleitung des P. Wendelin nach Honolulu zurück. P. Wendelin hat mir seitdem schon zweimal geschrieben. Er hat bereits Heimweh und wünscht, sobald als möglich zu seinen geistlichen Kindern zurückzukommen, d.h. schon Montag nach Pfingsten, nächste Woche. 

Als ich das dem hiesigen Doktor (Dr. Swift) sagte, schüttelte er den Kopf und sagte, P. Wendelin täte Unrecht und würde es später bereuen. Der Doktor hatte gewünscht, dass P. Wendelin eine sechsmonatliche Reise nach Amerika mache, um sich vollständig zu erholen. Nun, man kann auch nicht immer tun, was die Doktoren sagen.

Was mich angeht, so wird die Zeit mir gar nicht lang. Ich bin gesund und munter, Arbeit gibt’s genug, und der Trost fehlt auch nicht.
Am selben Tag, an welchem unser hochw. Bischof von hier fortging, gab ich den Kindern, die im Hof spielten, einige Äpfel. Kaum waren die Kinder fröhlich fortgegangen, da kam eine Frau und bat mich gleichfalls um einen Apfel für einen Kranken. Ich erkundigte mich, wer denn der Kranke sei. 

Als ich hinkam, fand ich, dass der Kranke am Sterben lag. Er bat mich, ihm zu helfen, da er große Schmerzen leide. Ich sagte ihm, für den Körper sei der Doktor da, ich wolle ihm aber beistehen, seine Seele zu retten. 
Sodann sprach ich zu ihm über den Wert der Seele, von Himmel, Hölle, von der Vergänglichkeit dieses Lebens usw. Ich war nämlich der Überzeugung, der Mann sei Kalvinist. 
Ich fragte ihn sodann, ob er getauft worden. Er sagte: ‚Ja.‘ ‚Wer hat dich getauft?‘ ‚Joakimo.‘ ‚Dann bist du ja katholisch.‘ (Joakimo [P. Joachim] war einer der ersten Missionäre hier, nun aber schon längst tot.) ‚Ja‘, sagte er, ‚ich wurde getauft, als ich noch ein kleiner Knabe war, habe aber später die Kirche verlassen und bin zu den Kalvinisten gegangen.‘ ‚Nun, dann musst du jetzt diese Sünde bereuen und Gott um Verzeihung bitten.‘
 Ich hörte sodann seine Beicht und ging sofort nach Haus, um die heiligen Öle zu holen. Es war gegen 5 Uhr abends, und ich fürchtete, er werde nicht lange mehr leben. Ich kehrte zurück und gab ihm die letzte Ölung.

Als ich am folgenden Morgen die Betglocke läutete, hörte ich, dass auch die Kalvinisten läuteten. Ich wusste anfangs nicht, was das zu bedeuten habe, vernahm aber später, dass es die Sterbeglocke sei. ‚So‘, dachte ich, ‚der arme Mann ist wohl gestorben.‘ 
Ich war noch am Läuten, da kam ein Mann in großer Eile zu mir und bat mich, für Kainuwai (Name des Kranken) das Scheidezeichen zu geben. Ich sagte ihm, dies ginge nicht so ohne weiteres, da man ja schon bei den Kalvinisten läute. ‚Das ist ein Irrtum‘, erklärte er. ‚Nun dann geh und sag ihnen, sie sollten aufhören zu läuten, dann will ich anfangen.‘ 
Der Mann lief fort, und bald hörten die Kalvinisten auf, und ich fing an. Unsere ganze Gemeinde war erstaunt, als sie hörte, dass Kainuwai gestorben, aber erst recht erstaunt, dass er als Katholik gestorben sei. Kaum einer hatte nämlich von seiner Krankheit gewusst und kein einziger, dass er je katholisch getauft worden war.

Ihr seht, lieber Vater ein Apfel führte mich ans Sterbelager dieses armen verlorenen Sünders. Die Kinder waren nämlich (nach Empfang der Äpfel) in das Haus der Kranken gegangen. Als dieser die Äpfel in den Händen der Kinder sah, spürte er auch Lust, einen Apfel zu essen. So schickte er denn eine Frau, seine Verwandte, mich um einen Apfel zu bitten. Den Apfel konnte er zwar nicht mehr essen, der Tod ließ ihm keine Zeit, aber anstatt des Apfels bekam er etwas Besseres.“


(aus: die katholischen Missionen, 1890)

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