Samstag, 31. August 2013

Ein alternder Missionsbischof in Norwegen berichtet seine Leiden nach dem ersten Weltkrieg

Johannes Olaf Fallize (1844-1933)

Aus Norwegen geht uns folgendes Dankschreiben zu:

„Im Monate Oktober, wo selbst im südlichen Norwegen der Schnee aus den Hochgebirgen, in denen er seit Jahrtausenden das Zepter führt, zu Tal steigt, um viele, viele Monate lang mit der unheimlichen Winternacht die Herrschaft zu teilen, im Oktober pflege ich unsern Gönnern zu erzählen, was ich auf meinen endlosen Missionsreisen zu Wasser und zu Land, von den Küsten der Nordsee bis hinauf zu den unwirklichen Gestaden des Eismeers erlebt habe und für das Reich Gottes habe wirken können.

Ich sehe diese Berichterstattung als eine süße Pflicht an. Denn sind wir Missionsbischöfe vor allem Apostol. Vikare, also Sendboten des Statthalters Christi, so sind wir doch auch zugleich die Abgesandten der Gläubigen, die uns durch ihre Gebete und großmütigen Gaben in den Stand setzen, unseres apostolischen Amtes zu walten; und darum haben diese ein heiliges Recht, zu erfahren, was der Hirt der Hirten durch ihre Vertreter gewirkt, und sich zu erfreuen an den Früchten ihrer Opfer.

Auch dieses Jahr möchte ich ihnen ausführlich erzählen, wie der Glaubenseifer unserer Christen, der Opfergeist unserer Priester und Ordensschwestern inmitten der unsäglichen Not, die der Krieg auch uns und unserer Mission gebracht, und das stetige Wachsen unserer Gemeinden durch Neubekehrungen mein altes Herz erfreut haben. Aber diesmal versagt die Feder fast ganz den Dienst.

Vierundsiebzig Lebensjahre lassen von Kraft nicht mehr viel übrig, und eine 31-jährige Pilgerfahrt unter den eisigen Nordstürmen der endlosen Winternacht durch wilde Gebirge und schaurige Schluchten, ein 31-jähriger Kampf mit Not und Entbehrungen, mit Sorgen und Ängsten um die gefährdeten unsterblichen Seelen – alles das zehrt an den Nerven, trotz des Trostes, den die Liebe der Priester und Gläubigen, die Herzensgüte auch der noch getrennten Brüder und das Entgegenkommen der Behörden dem Herz stets bereiteten.

Und nun kam der unselige Krieg mit der Angst um die Lieben in der Heimat, mit dem Schwinden der Hilfsmittel und daneben dem ungeheuerlichen Steigen der Ausgaben. Wenn ich auf meinen Hirtenreisen, noch zitternd vor den Gefahren von Seiten der tobenden Stürme und der losgerissenen Seeminen, mit meinen Mitarbeitern über ihre Freuden und Leiden sprach; wenn sie mir dann erzählten, wie jedes Pfündchen Fleisch 3-4 Kronen (1 Krone ist jetzt ungefähr 2 Mark), eine Flasche Messwein ein kleines Vermögen, ein Klafter Brennholz in diesem Forstreiche 70-80 Kronen, jeder Hektoliter Koks 13-15 Kronen, jede Stunde Arbeitslohn für einen Handwerker 1 ½ - 2 Kronen kostet und alle Lebensbedürfnisse in demselben Verhältnisse; wenn ich erfahren musste, dass es geradezu unmöglich ist, Altarlichter und Öl für die Ewige Lampe zu schaffen, so dass ich gestatten musste, dass man sich mit dem bescheidensten Lichtlein behilft – dann konnte ich oft die Tränen nicht zurückhalten angesichts meiner Hilflosigkeit gegenüber der großen Not, trotz der Opferwilligkeit unserer Gläubigen und der Hochherzigkeit unserer fernen Glaubensbrüder, die selbst in diesen schweren Kriegszeiten für uns tun, was sie vermögen. Gott segne sie dafür tausendmal!

Und nun bin ich wieder zurückgekehrt. Aber damit ist auch die letzte Kraft der Nerven – wer weiß auf wie lange? – erschöpft. Der bislang so mutige Mann ist ängstlich geworden wie ein schwaches Kind, die Hand kann kaum noch die Feder führen. Ich suche geistigen Trost, aber selbst die Verbindung mit dem Vater in der Ewigen Stadt, wo sonst der Glaubensbote, auch wenn alles ihn verlässt, noch Rat und väterlichen Trost findet, ist fast ganz abgebrochen. Nur eines ist geblieben: das Vertrauen auf Gott droben im Himmel und seine treuen Werkzeuge hinieden. Und das hebt wieder den Mut, bis das Wort des Arztes, dass die Schwäche nur vorübergehend ist, sich bewährt. Gottes heiliger Wille geschehe!

Aber den längeren Bericht müssen Sie mir diesmal schenken, ich muss mich damit begnügen, Ihnen und allen unseren anderen Gönnern und Freunden aus Herzensgrund für Ihre großmütige Hilfe zu danken und Sie inständig zu bitten, uns auch fürderhin Ihr Wohlwollen zu bewahren. Auch ich werde fortfahren, für Sie zu beten und beten zu lassen und unsere Leiden mit den Ihrigen, meist noch viel größeren, zu vereinigen zu eine sühnenden Opfer für die Sünden der Menschheit, die uns diese Heimsuchung gebracht haben.

Möge der Vater im Himmel das Flehen erhören!“

+ J.O. Fallize, Bischof von Elusa, Apostol. Vikar

(aus: die katholischen Missionen, 1919)

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