Johannes Olaf Fallize (1844-1933) |
Aus Norwegen geht uns folgendes Dankschreiben zu:
„Im Monate Oktober, wo selbst im südlichen Norwegen der Schnee aus den
Hochgebirgen, in denen er seit Jahrtausenden das Zepter führt, zu Tal steigt,
um viele, viele Monate lang mit der unheimlichen Winternacht die Herrschaft zu
teilen, im Oktober pflege ich unsern Gönnern zu erzählen, was ich auf meinen
endlosen Missionsreisen zu Wasser und zu Land, von den Küsten der Nordsee bis
hinauf zu den unwirklichen Gestaden des Eismeers erlebt habe und für das Reich
Gottes habe wirken können.
Ich sehe diese Berichterstattung als eine süße Pflicht an. Denn sind
wir Missionsbischöfe vor allem Apostol. Vikare, also Sendboten des Statthalters
Christi, so sind wir doch auch zugleich die Abgesandten der Gläubigen, die uns
durch ihre Gebete und großmütigen Gaben in den Stand setzen, unseres
apostolischen Amtes zu walten; und darum haben diese ein heiliges Recht, zu
erfahren, was der Hirt der Hirten durch ihre Vertreter gewirkt, und sich zu
erfreuen an den Früchten ihrer Opfer.
Auch dieses Jahr möchte ich ihnen ausführlich erzählen, wie der
Glaubenseifer unserer Christen, der Opfergeist unserer Priester und
Ordensschwestern inmitten der unsäglichen Not, die der Krieg auch uns und
unserer Mission gebracht, und das stetige Wachsen unserer Gemeinden durch
Neubekehrungen mein altes Herz erfreut haben. Aber diesmal versagt die Feder
fast ganz den Dienst.
Vierundsiebzig Lebensjahre lassen von Kraft nicht mehr viel übrig, und
eine 31-jährige Pilgerfahrt unter den eisigen Nordstürmen der endlosen
Winternacht durch wilde Gebirge und schaurige Schluchten, ein 31-jähriger Kampf
mit Not und Entbehrungen, mit Sorgen und Ängsten um die gefährdeten
unsterblichen Seelen – alles das zehrt an den Nerven, trotz des Trostes, den
die Liebe der Priester und Gläubigen, die Herzensgüte auch der noch getrennten
Brüder und das Entgegenkommen der Behörden dem Herz stets bereiteten.
Und nun kam der unselige Krieg mit der Angst um die Lieben in der
Heimat, mit dem Schwinden der Hilfsmittel und daneben dem ungeheuerlichen
Steigen der Ausgaben. Wenn ich auf meinen Hirtenreisen, noch zitternd vor den
Gefahren von Seiten der tobenden Stürme und der losgerissenen Seeminen, mit
meinen Mitarbeitern über ihre Freuden und Leiden sprach; wenn sie mir dann
erzählten, wie jedes Pfündchen Fleisch 3-4 Kronen (1 Krone ist jetzt ungefähr 2
Mark), eine Flasche Messwein ein kleines Vermögen, ein Klafter Brennholz in
diesem Forstreiche 70-80 Kronen, jeder Hektoliter Koks 13-15 Kronen, jede
Stunde Arbeitslohn für einen Handwerker 1 ½ - 2 Kronen kostet und alle
Lebensbedürfnisse in demselben Verhältnisse; wenn ich erfahren musste, dass es
geradezu unmöglich ist, Altarlichter und Öl für die Ewige Lampe zu schaffen, so
dass ich gestatten musste, dass man sich mit dem bescheidensten Lichtlein
behilft – dann konnte ich oft die Tränen nicht zurückhalten angesichts meiner
Hilflosigkeit gegenüber der großen Not, trotz der Opferwilligkeit unserer
Gläubigen und der Hochherzigkeit unserer fernen Glaubensbrüder, die selbst in
diesen schweren Kriegszeiten für uns tun, was sie vermögen. Gott segne sie
dafür tausendmal!
Und nun bin ich wieder zurückgekehrt. Aber damit ist auch die letzte
Kraft der Nerven – wer weiß auf wie lange? – erschöpft. Der bislang so mutige
Mann ist ängstlich geworden wie ein schwaches Kind, die Hand kann kaum noch die
Feder führen. Ich suche geistigen Trost, aber selbst die Verbindung mit dem
Vater in der Ewigen Stadt, wo sonst der Glaubensbote, auch wenn alles ihn
verlässt, noch Rat und väterlichen Trost findet, ist fast ganz abgebrochen. Nur
eines ist geblieben: das Vertrauen auf Gott droben im Himmel und seine treuen
Werkzeuge hinieden. Und das hebt wieder den Mut, bis das Wort des Arztes, dass
die Schwäche nur vorübergehend ist, sich bewährt. Gottes heiliger Wille
geschehe!
Aber den längeren Bericht müssen Sie mir diesmal schenken, ich muss mich damit begnügen, Ihnen und allen unseren anderen Gönnern und Freunden aus Herzensgrund für Ihre großmütige Hilfe zu danken und Sie inständig zu bitten, uns auch fürderhin Ihr Wohlwollen zu bewahren. Auch ich werde fortfahren, für Sie zu beten und beten zu lassen und unsere Leiden mit den Ihrigen, meist noch viel größeren, zu vereinigen zu eine sühnenden Opfer für die Sünden der Menschheit, die uns diese Heimsuchung gebracht haben.
Möge der Vater im Himmel das Flehen erhören!“
+ J.O. Fallize, Bischof von Elusa, Apostol. Vikar
(aus: die katholischen Missionen, 1919)
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