Dienstag, 4. Februar 2014

Heroisches Opfer eines indischen Katechisten

„Wir hatten“, so schreibt P. Otto Weishaupt S.J., „wieder in allen drei Missionen (Sangammer, Wallan, Kendal) in einer ganzen Reihe von Dörfern die Pest. 
Bei dieser Gelegenheit gab einer meiner jungen Katechisten ein herrliches Beispiel der Selbstaufopferung, ähnlich wie vor einem Jahre der hochw. P. Gerhard Kipp. 

Als die Pest auch in Rui, einem Dorf von 52 Einwohnern, ausgebrochen war, sagte ich dem dort stationierten jungen Katechisten, falls er Furcht habe, dürfe er für einige Zeit in seine Heimat gehen. Denn wir können und mögen nicht unsere Untergebenen zu heroischen Opfern zwingen. 

Aber der junge Mann erklärte ganz entschlossen: ‚Nein, Pater, ich gehe nicht; denn ich kann so ja mit den kranken Christen täglich die Gebete verrichten und auch, so Gott will, manchen sterbenden Heiden taufen.‘  So blieb er denn aus freien Stücken; nur seine junge Frau und die bejahrten Eltern hatte er heimgeschickt. Da gleich bei Ausbruch der Seuche alle Leute das Dorf verlassen hatten und in den umliegenden Feldern lagerten, errichtete sich mein Katechist aus Stroh eine notdürftige Hütte kaum zwanzig Schritte von den Pestkranken entfernt. 

Heiden und Christen sprechen jetzt noch voll Bewunderung von dem Eifer und der Aufopferung, mit welcher Petrus Zivon, so hieß der Katechist, die Kranken pflegte und mit ihnen wiederholt im Tag betete und die Sterbenden, Heiden wie Christen, zu einem frommen Tod vorbereitete. Mehrere Heiden wurden in der elften Stunde von ihm getauft. 

Trotzdem die Leute nun schon seit drei Wochen auf den offenen Feldern kampierten, griff die Pest immer mehr um sich. Eines Tages starb ein alleinstehender Heide, den Petrus Zivon ebenfalls gepflegt und zum Tod vorbereitet hatte. Niemand wollte den armen Mann beerdigen. Da nahm schließlich Petrus Zivon die schwere Leiche selbst auf seine Arme und trug sie ganz allein zur fernen Begräbnisstätte; dort grub er zuerst ein Grab und legten dann den Ärmsten der Armen zur letzten Ruhe. 
Bei dieser Gelegenheit musste sich der Katechist wohl die Ansteckung geholt haben. 

Als ich nach einigen Tagen wieder die Pestkranken jenes Dorfes besuchen wollte, fiel es mir auf, dass der Katechist nicht schon von weitem mir entgegeneilte, wie er es zu tun gewohnt war. Sofort sagte ich meinem Kutscher: ‚Ich fürchte, Petrus ist selbst an der Pest krank.‘ So war es auch. Ich fand ihn in seiner elenden Strohhütte auf dem Boden liegen; er zeigte mir seine Pestbeule und sagte: ‚Gestern Abend fühlte ich mich unwohl; in dieser Nacht entstand die Beule! Gott sei es gedankt, dass Sie kommen.‘ Mit großer Entschlossenheit und Ruhe machte er seine letzte Beicht und empfing die Sterbesakramente. Voll Ergebung brachte er dem Heiland sein junges Leben zum Opfer. Besonders fühlte er sich getröstet, als ich ihm sagte: Danke dem Heiland, dass du ähnlich wie im letzten Jahr P. Kipp jetzt ein Märtyrer der Nächstenliebe geworden bist. Ich bin sicher, dass in diesem Augenblick P. Kipp dir nahe ist und für dich im Himmel einen herrlichen Platz bereitet hat.‘

 Schon am dritten Tag starb Petrus. Ich hatte sofort zu Pferd einen Eilboten an seine Frau und Eltern geschickt. Aber da sie über 40 Meilen entfernt waren, kamen sie erst an, als das Grab über dem Verstorbenen sich geschlossen hatte. 

Petrus war 21 Jahre alt; vor sechs Jahren war er getauft worden; vor drei Jahren heiratete er und wurde versuchsweise als Katechist angestellt. (…) Der Verlust tat mir leid, aber solch ein heroisches Opfer muss doch auch Gottes Segen auf unsere Mission herabziehen. R.I.P.“

(Aus: die katholischen Missionen, 1905)