Samstag, 14. März 2015

Die Kirche als Wohltäterin der Völker – zum 4. Fastensonntag (Lætare)



(…) Das ganze Leben des göttlichen Heilands fasst der Evangelist in die Worte zusammen: „Er wandelte dahin, indem er Gutes tat“ (Apg. 10,38). Der göttliche Heiland spendete Segen und linderte Not mannigfacher Art. Er war ein Arzt für Leib und Seele; er war der Seligmacher; er war, wie die begeisterte Volksmenge von ihm sagte, „wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen sollte.“
Christi Leben und Wirken wird fortgesetzt durch das Christentum, durch die heilige Kirche. Auch sie wandelt durch die Zeiten und Völker, indem sie Gutes tut und die Not lindert, die sie an Leib und Seele der großen Volksmenge findet. Ohne Zweifel ist die Seelenrettung, das Reich Gottes, das Allererste und Allernotwendigste, was die Kirche anstreben muss. Sie ist sich des Wortes ihres Stifters bewusst: „Suchet nur zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“ (Mt. 6, 33); aber sie sucht dieses Reich und lehrt suchen mit der Anspannung aller Kräfte und Fähigkeiten. Deshalb fördert die Kirche auch das zeitliche Wohl des Volkes und jedes einzelnen, befördert sie Bildung, Kunst und Wissenschaft und wird sie ein Faktor des Fortschrittes in allem dem, was wir Kultur und Zivilisation nennen. Durch ihre Arbeit auf dem sozialen und kulturellen Gebiet lindert die Kirche die vielfache Not, löst sie die Not- und Brotfrage der menschlichen Gesellschaft.

Was nun die Kirche der Vergangenheit gewesen ist, das wird sie auch unserer Zeit und ihrer Not sein, und das wird sie auch sein der Heidenwelt durch die Missionstätigkeit. Wie einst der göttliche Heiland zu seinen Aposteln, so spricht die Kirche zu ihren Missionären das Wort der Brotversorgung: „Lasset das Volk sich setzen!“ Lasset das Volk, das unstet, ziellos und zuchtlos umhergeirrt ist, sesshaft werden, sich ansiedeln und anbauen! Unterweiset es in den Handwerken und Künsten; gebt ihm zu essen (vgl. Mt. 14, 16)! Veredelt sein Herz und seine Lebensweise durch Erziehung und Unterricht! Gebt seinem Denken und Fühlen, seinem Wünschen und Wollen, seinem Tun und Lassen höhere Motive und höhere Ziele! – Und die Mission begibt sich ans Werk. Das kleine Opfer, die geringe Gabe wird in ihren Händen durch Gottes Seen ein wunderbarer Überfluss für die Völker. (…)


(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)