Samstag, 9. Mai 2015

Maiwallfahrt in China (Teil 2)

Inneres der heutigen Basilika von Sheshan (Quelle: Peter17)
Fortsetzung von hier

Der folgende 24. Mai war das Hauptfest von Sose, das Fest Unserer Lieben Frau unter dem Titel „Hilfe der Christen“. Anwesend waren 15.000 christliche Pilger, von denen wenigstens 12.000 aus weiter Ferne kamen, und etwa 5.000 Heiden aus Neugierde. Wer schildert den Andrang zum Gottesdienst und zu den Übungen der Andacht! Unsere Christen von Wu-si traf die Reihe der Kreuzwegandacht von 5.00 bis 5.30 Uhr abends. Man denke sich dieselben in Gruppen von beinahe 100 Personen auf die einzelnen Stationen verteilt, wie sie mit lauter, fester und zugleich andächtiger Stimme auf die Gebete antworten. Sie alle hatten freudig acht Tage der Arbeit und des zeitlichen Gewinnes zum Opfer gebracht, um dem Heiland und seiner heiligen Mutter diesen Beweis kindlicher Verehrung zu geben und im Angesicht ihrer heidnischen Mitbürger dieses offene Bekenntnis ihres Glaubens abzulegen.

Am 25. des Morgens sollte die feierliche Prozession das Fest beschließen. Bereits um fünf Uhr war ein jeder auf seinem Posten; jeder trug auf der Brust ein kleines Stück weißer Leinwand mit einem aus rotem Zeug geschnittenen Herzen. Voran schritt der Kreuzträger; dann kamen zwei Pilger, goldene Herzen und ein silbernes Gefäß tragend, worin sich eine Liste der im verflossenen Jahr gebeteten Rosenkränze befand; darauf die Fahne des Vereins der heiligen Kindheit, umgeben von einigen hundert Knaben im Alter von 6 bis 13 Jahren; dann die acht Banner der verschiedenen Kongregationen von Wu-si, umgeben von 170 in Chorhemden gekleideten Männern, welche Kerzen in der Hand hielten; nun folgte eine Gruppe von 200 bis 300 Männern mit Fähnchen, denen das Banner des Mäßigkeitsvereins vorangetragen wurde; dann die Fahnen des heiligsten Herzens Jesu und des Gebetsapostolats, 25 Priester und 19 Kleriker, der Zelebrant in der Chorkappe [wohl im Tsin-kin]. Ihm schlossen sich an 100 Mann mit Fähnchen, 40 kleine Mädchen von der heiligen Kindheit, ebenfalls mit Fähnchen und geschart um das Banner Unserer Lieben Frau, 24 der Rettung ausgesetzter Kinder geweihte Jungfrauen mit einer neuen, kostbaren Fahne von der unbefleckten Empfängnis, die kleinen Mädchen der Schule von Wu-si, und endlich mehr als 300 Mütter mit ihren Kindern auf dem Arme, die sie Unserer Lieben Frau weihen wollten. 


Um sechs Uhr setzte sich die Prozession, laut den Rosenkranz betend, in Bewegung und um sieben Uhr zog sie in die Kirche ein. Der Kreuzträger war bereits vor der Statue Unserer Lieben Frau von Lourdes angelangt, welche mit der Inschrift Tscheng-Mu-Malija, „Heilige Mutter Maria“, den Hauptaltar schmückt, als die Letzten des Zuges noch kaum auf halber Höhe des Berges sich befanden. Nur diejenigen welche mit an der Prozession Teil genommen hatten, konnten in der Kirche selbst Platz finden. Alle Banner wurden im Chor aufgepflanzt; die 170 Männer mit den Chorhemden stellten sich in doppelter Reihe von der Kommunionbank bis zum Portal auf. Alles verlief in schönster Ordnung. Während des Hochamtes nahten sich 800 bis 900 Personen dem Tische des Herrn, im Ganzen an diesem Morgen 3.700. Dann folgte die Predigt. Unmittelbar bevor der letzte Segen mit dem Allerheiligsten gegeben wurde, erneuerten alle unsere Christen, Männer und Frauen, Alt und Jung, die Weihe zum göttlichen Herzen Jesu. Die jüngeren Mitglieder des Mäßigkeitsvereins, 90 an der Zahl, erneuerten gleichfalls ihr Versprechen. Nach der Danksagung des Priesters brachten endlich noch die Mütter ihre Kinder Unserer Lieben Frau dar, und die Absingung der Marien-Litanei beschloss die Feier. Um 9.30 Uhr hatten bereits sämtliche Barken den Fuß des Berges wieder verlassen.

So steht es heute mit der Herrlichkeit des heiligen Berges Sose. Außer den beim Hauptfest anwesenden Prozessionen und Pilgern habe im Mai 1877 etwa 20.000 Christen das Heiligtum U.L.F. auf dem Sose besucht, und abgesehen von den 3.700 heiligen Kommunionen am Fest selbst näherten sich im nämlichen Monat noch über 3.000 Personen den heiligen Sakramenten in der Wallfahrtskirche.

Gepriesen sei Gott und die heilige, unbefleckte Gottesmutter, die Helferin der Christen!



(Aus: die katholischen Missionen, 1878)