Sonntag, 26. Juli 2015

„Für die Missionen gut genug“


Pater Joseph Fräßle S.C.J. (1878–1929), 15 Jahre Missionär im Kongo, berichtet:

„Eines Tages wurde ich auf einen Kirchenspeicher geführt. Da lagen am Boden drei verblichene, verschlissene Kirchengewänder. Ich schaute sie an. ‚Wollen Sie diese haben? Wir hier können sie nicht mehr gebrauchen, für die Missionen aber sind sie gut genug. ‚Danke, nein!‘ entgegnete ich. ‚Eine Kirche, die in solchen Lumpen den scharf beobachtenden Augen eines Naturvolkes sich zeigte, fände wenig Anklang. Gottes Ehre fordert übrigens auch in Afrika geziemenden Kult, und ein solcher nur bietet dem Missionär die nötige Kraftquelle. Ein feierlicher Kult lässt der Heiden Augen aufleuchten, erfasst ihre Seelen, führt sie der Religion zu.‘

Was jener Herr ausgesprochen hat, ist leider vielfach Europa-Mentalität und gilt nicht bloß von der materiellen Unterstützung; ich hörte anderswo sogar sagen: ‚Nur mindere und missliebige Elemente schicken wir an die Missionsfront übers Meer.‘

Da braucht man sich ja gar nicht mehr zu wundern, wenn die Christianisierung der Welt so langsam voranschreitet. Wie nur konnte eine solche Mentalität in Europa aufkommen? Kulturstolz trägt die Schuld daran. Wie auf Tiere schauen viele Weiße auf andere Rassen herab, haben kein Verständnis, gar keine Liebe für sie. Weil sie ihr Elend nicht kennen, regt sich auch kein Erbarmen in ihrer Brust; und weil sie die großen geistigen und materiellen Schwierigkeiten nicht ahnen, auf welche die Evangelisation bei einem ganz anders denkenden und in ganz anderen Verhältnissen lebenden Volk stößt, meinen sie, es genüge, der heiligen Kirche für die Heidenmission das zu bieten, was Europa nicht brauchen kann, manchmal unbekümmert darum, ob es möglich ist, Christi letzten Auftrag und Herzenswunsch zu erfüllen. Ich hingegen meine: Neues Ackerland und wilder Boden verlange die besten Pflüge und die stärksten Rosse!

Wer als Missionär hinausgeschickt zu werden wünscht, sollte erst auf die Reinheit seiner Absicht geprüft werden, dass er nicht etwa einer Mission gar zur Last falle und andere in ihrem Wirken hindere. Nur wen Christi Gedanken tragen und treiben, durch hartes Leben, Leiden und Sterben Seelen zu retten und zu beglücken, soll in Länder hinaus, wo Leiden und Entbehrungen tägliche Nahrung sind und nur ein Leidensjünger glücklich ist. Wer andere Beweggründe hat, bliebe im Interesse der Sache und zum eigenen und seiner Mitarbeiter Glück besser daheim.“


(Aus: Fräßle, Joseph: Negerpsyche im Urwald am Lohali, Herder, Freiburg, 1926)