Jedes
katholische Herz hat als ersten und schönsten Ausdruck seiner Liebe zu Maria
den „ewigen Gruß“ und fügt denselben zusammen zum Rosenkranz. Darum ist auch
das Rosenkranzgebet so beliebt und geübt in den Missionen und ist das
Lieblingsgebet der Neubekehrten. In jeder Anstalt, in jeder Schule, vor jedem
Gottesdienst, oft mehrmals des Tages wird der Rosenkranz gebetet; ein
Rosenkranz ist das wertvolle Geschenk an den Neugetauften, und da seine
primitive Kleidung keine Taschen hat, wird er um den Hals getragen. An allen
Anstalten ist die Marianische Kongregation eingeführt; hinter Glas und Rahmen
sind an der Wand der Missionskirche die Namen der „Marienkinder“ aufbewahrt,
und mit berechtigtem Stolz weisen sie noch nach Jahren hin auf diese Ehre.
Ich
wurde einmal benachrichtigt, dass ein Mädchen, welches vor Jahren in der
Anstalt der Schwestern (in der Kapuzinermission unter den Mapuche in Chile)
war, zum Tode krank darniederliege und nach mir verlange. Der Weg war weit und
beschwerlich, und ich zweifelte, ob ich das heilige Sakrament mitnehmen könne.
Aber es reitet sich doch so gut mit dem Heiland auf dem Herzen. Wir hatten
einen tiefen Fluss zu durchreiten, und das Wasser reichte bis zum Sattel. Nach
sechs Stunden kamen wir am Ziel an. In der armseligen Strohhütte lag das
Mädchen auf einem Schaffell am Boden, im Fieber brannten die Wangen, aber die
todmüden Augen leuchteten freudig auf, und die erste Frage war: „Hast du den
lieben Heiland mit?“
Ehe
ich aber die heilige Beichte begann, wollte ich mich noch vergewissern, ob die
Kranke in ihrer heidnischen Umgebung doch treu geblieben ihren christlichen
Vorsätzen, und so stellte ich einige Fragen. Erstaunt, fast verstimmt gab sie
zur Antwort: „Ja, was meinst du denn? Ich bin ja ein ‚Marienkind‘. Ich habe
alle Tage meinen Rosenkranz gebetet vor meinem Altar.“ Fast musste ich lächeln;
nur zu gut wusste ich, dass in einer solchen Indianerhütte kein Tisch, keine
Wand ist, wo ein Altar anzubringen wäre. Auf ihren Wink ging eine der drei
Frauen ihres Vaters in einen Winkel der Hütte und brachte ein Stück Brett, auf
welchem die Heiligenbildchen aufgeklebt waren, die sie in der Schule für ihren
Fleiß erhalten hatte, und in der Mitte derselben ihr Andenken an die erste
heilige Kommunion. Dann nestelte sie vom Hals ein Schnürchen los, an dem
anderthalb Gesätzchen des Rosenkranzes hingen. „Beim Arbeiten ist halt der
Rosenkranz zerrissen, und ich habe nur mehr so viel davon; dieses habe ich alle
Tage fünfmal gebetet. Meinst du, dass es gegolten hat?“ Gerührt versicherte ich
ihr, dass es sicher Gott und unserer himmlischen Mutter gefallen habe. Jetzt
begriff ich auch, wie es ihr möglich war, in einer noch ganz heidnischen
Umgebung den Glauben treu und das Herz rein zu bewahren – sie war ein treues
Marienkind geblieben.
Sie
wusste, dass sie sterben würde, die Lungenentzündung war zu weit
vorgeschritten; beim Fischen im kalten Meere hat sie sich dieselbe zugezogen;
und sie starb gerne. Nur einen Wunsch brachte sie vor: In geweihter Erde wollte
sie begraben sein, und ein Kreuz sollte ihren Grabhügel schmücken. Ich konnte
ihr diesen Wunsch erfüllen, und auf dem Kreuz steht: „Sie starb, wie sie gelebt
hat, eine treue ‚hija de María‘ eine Tochter Mariens.“
(Aus:
das seraphische Weltapostolat, 1925)