Samstag, 6. Februar 2016

Zum Sonntag Quinqagesima: Sei sehend!

„Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ (Lk 18, 38)

In der Nähe des göttlichen Heilandes belebt sich der Glaube und die Hoffnung des Blinden. Wir hören, wie er mit aller Zuversicht seine Bitte stellt: „Herr, dass ich sehend werde.“ Um sein Augenlicht bittet der Blinde. Um das eine fleht er, was ihm vor allem nottut zu einem glücklichen Leben. Er verschmäht alles andere, denn was immer er haben könnte, ohne Licht kann er nicht schauen, was er hat. Nicht um Reichtum bittet er, nicht um Ehre, nicht um Brot, nur um das eine: „Herr, dass ich sehend werde.“

Andächtige Christen! Nur eines tut den Heiden not: dass sie sehend werden. Was nützt alles andere, was Kulturreichtum, was Literaturstolz, wenn ihnen das Licht fehlt, um den wahren Wert der Dinge abzumessen. Mache, o Herr, dass sie sehend werden und die Blindheit ihrer Seelen gehoben werde, mit der eitler Götzenwahn sie geschlagen hat; dass sie sehend werden und die Irrwege schauen, ihre Wege der Torheit und der Sünde; dass sie sehend werden und dich als Gott erkennen und Christus, deinen Sohn, den du gesandt hast, und so das ewige Leben haben.

Die Blindheit der Heidenwelt soll gehoben werden durch das Licht des wahren Glaubens. Dieses Licht, andächtige Christen, muss ihnen gebracht, und zwar durch uns gebracht werden. Unser Glaube muss seinen hellen Schein in die Nacht der Heidenwelt tragen: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5, 14). Wir alle sind nach den Worten des hl. Paulus Lichtkinder und Tagessöhne (1 Thess 5, 5), und Lichtträger sollen wir sein der Heidenwelt. „Gesetzt habe ich dich zum Lichte der Heiden, dass du seiest zum Heile bis an das Ende der Erde“ (Apg 13, 47). Diese Worte, die von den ersten Heidenmissionären, den hll. Paulus und Barnabas, geschrieben stehen, gelten auch von jedem Missionär, der mit der Leuchte des Evangelium zu den Heiden hinauszieht, gelten von jedem Christen, der in seiner Glaubensüberzeugung das heilige Missionswerk unterstützt. Nur auf diese Weise kann die Kirche ihre Missionspflicht erfüllen und im Namen ihres göttlichen Stifters auf die Bitte der Heidenwelt antworten.


(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)