Samstag, 18. Juni 2016

Die Dankbarkeit im Kongo

Pater Joseph Fräßle S.C.J. berichtet über seine Mission im Kongo:

Der Negerdank, wo er ihrem Empfinden entspricht, bricht sich spontan durch. Als ich mit P. Wulfers einmal dessen ehemalige Mission Romee durchfuhr, kamen die Eingeborenen, sobald sie ihren alten Missionär erblickten, in hundert Kanus ans Schiff herangefahren, holten ihn herunter, führten ihn ins Dorf und trugen ihn über eine tausendköpfige, jauchzende Menge die Straße hinauf bis ans Ende der Ortschaft, und alles Volk schrie: „Unser Vater ist er und unser Lehrer, der beste Mensch, den die Erde trägt!“ Ein Baumkahn brachte ihn dann dem vorbeifahrenden Schiffe nach, während alles Volk am Ufer noch lange rief: „Du musst zu uns zurückkehren! Wir sind dein Volk!“


Ein über siebzig Jahre alter Mann ließ sich von seinen Enkeln vier Tage weit durch den Wald zu mir tragen:

„Ich habe gehört, du gehest zu deinen Brüdern heim“, sagte er zu mir. „Diese böse Botschaft ließ mir keine Ruhe: ich muss dich noch einmal sehen und dein Bild tief in mein Herz eingraben, damit ich es nie vergesse; denn du bist der Vater meiner Seele.“

Drei volle Tage saß nun der alte Mann auf dem Boden in meiner Empfangshalle und beobachtete mich, ohne mich aus dem Auge zu verlieren – seine Enkel sorgten ihm derweilen für Nahrung. Dann aber stand er auf, nahm meine Hand, drückte sie innig und lange, wie ich es nie erfahren hatte, schaute mir tief ins Auge und sprach: 

„Du hast meiner Seele Gutes getan. Durch dich bin ich Gottes Kind geworden. Das sollst du in Europa deinen Brüdern sagen und deiner Mutter und sie alle von mir grüßen. Wenn du aber wieder kommst, bring mir ein Kreuzlein mit, dass ich es anschaue, wenn ich bete, und sterbend es in Händen halte.“

(Aus: Fräßle, Joseph: Negerpsyche, Herder, Freiburg, 1926)


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