Samstag, 4. Juni 2016

Zum 3. Sonntag nach Pfingsten: Hirtensorgen und Hirtenfreuden



Die Hirtensorge und Hirtenliebe des göttlichen Heilandes, andächtige Christen, muss auch in unseren Herzen leben. Christi Geist muss unser Geist, Christi Herz unser Herz sein. In der Sorge für das Missionswerk teilen wir die Hirtensorge des göttlichen Herzens.

Ach, wie viele gute Seelen haben noch keine Ahnung von den Hirtensorgen des Missionswerkes! Willst du sie kennen lernen und dir Hirtenliebe ins Herz lesen, dann greife zu den Missionsberichten und Missionszeitschriften. Sie erzählen dir ausführlich und oft in erschütternder Weise von den schweren Sorgen der Missionäre. Zwischen dem Suchen und dem Finden des verirrten Schäfleins liegt ein weiter Weg, und die Hirtenfreude muss oft um schwere Opfer erkauft werden. 
Der Missionär muss zunächst die Spur des verirrten Schäfleins aufsuchen und durch eifriges Studium der religiösen Sitten und Anschauungen seiner Umgebung aufmerksam den Weg verfolgen, den das verlorene Schaf gegangen ist. Und durch welche Sümpfe, über welche Klippen, in welche Dornen und Hecken führt zuweilen dieser Weg! Dann beginnt der mühsame Hirtengang. Der suchende Missionär muss unermüdlich gehen und wandern; er darf sich nicht kümmern um Regen und Sonnenschein, nicht kümmern um Hunger und Durst, nicht kümmern um den brennenden Sand unter seinen Füßen und die brennende Hitze über seinem Haupte. Eingedenk muss er sein des guten Hirten, der sein Leben hingibt für seine Schafe. Beim Anblick solcher Hirtenarbeit wird auch in unser Herz, andächtige Christen, etwas von der Hirtenliebe des heiligen Missionswerks kommen. Durch unser Missionsgebet und unser Missionsopfer werden auch wir suchende und rettende Hirten der Heiden sein. Mit dem göttlichen Heiland werden wir die Hirtensorge teilen, mit ihm werden wir aber auch in Freuden das Wiedergefundene heimtragen. Seine Hirtenfreude wird auch unsere Freude sein. (…)

O seliges Hirtenglück, wenn zu den Füßen des Missionärs der neubekehrte Heide kniet! O heilige Hirtenfreude, wenn der Missionär das so lange gesuchte Schäflein gefunden und nun über die Stirne das Wasser der heiligen Taufe gießen, das Brot des ewigen Lebens ihm reichen kann! Die Rettung des Schäfleins wird als eigenes Glück empfunden. In diesen Augenblicken sind alle Hirtensorgen reichlich, überreichlich belohnt. (…)

Wir wollen betend unsere Hände zu dem göttlichen Hirtenherzen Jesu aufheben und es bitten, unser Herz dem seinigen immer gleichförmiger zu machen in der Liebe zu dem verlorenen Schäflein der Heidenwelt. Die Gefühle wahrer Hirtenliebe mögen auch unser Herz beseelen. Und diese Liebe wird uns stark machen, tätigen Anteil zu nehmen an der großen Missionssorge, die auf unserer heiligen Kirche lastet. Ihre Missionsfreude wird auch unsere Freude, ihr Missionserfolg auch unser Erfolg sein, und am Tage der Ewigkeit, wenn das letzte Schäflein aus der Heidenwelt heimgebracht ist, dann wird der göttliche Hirt uns als seine Freunde zusammenrufen, und für die ganze Ewigkeit wird seine liebreiche Aufforderung gelten: „Freuet euch mit mir!“ Amen.


(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)

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