1868 finden wir den unermüdlichen Bischof im Königreich
Schoa, im südlichen Teil von Abessinien, wohin ihn der katholikenfreundliche
König Menelik berufen hatte. Menelik liebte und schätzte den seeleneifrigen und
treuherzigen Kapuzinerbischof wie einen Vater, und unter dem Schutze des
Fürsten entwickelte sich eine blühende Missionstätigkeit.
Leider verlor im Jahr 1878 König Menelik durch einen
unglücklichen Krieg mit dem mächtigen, herrschsüchtigen Kaiser Ati Johannes von
Abessinien seine Selbstständigkeit, und die unter unsäglichen Opfern gegründete
Mission wurde das Opfer einer durch den Hass des schismatischen Klerus
entzündeten Verfolgung. Über deren Ursachen, Verlauf und die Leiden des
ehrwürdigen, von Alter gebeugten Missionsbischofs haben wir seiner Zeit
ausführlich berichtet.
Zum siebten Mal verbannt, trat Msgr. Massaia über Jerusalem
die Rückreise nach Europa an. Mit Jubel empfing ihn das italienische Volk; der
Heilige Vater Leo XIII. überhäufte ihn mit Auszeichnungen, machte ihn zum
Titularerzbischof von Stauropolis und ernannte ihn am 10. November 1884
zum Kardinal. Staunend vernahm der verdiente, greise Missionsbischof in seiner
ärmlichen Kapuzinerzelle zu Frascati die Nachricht seiner Erhebung.
Hier in Frascati besuchten ihn einst einige Studenten des
englischen Kollegs.
„Wir fanden ihn an einem kleinen, ärmlichen Tisch sitzen.
Auf seinem Schreibpult lag, wie ein großes Kontobuch, ein mächtiger Band
Manuskripte. Die Zelle war arm und schmucklos, eine echte Kapuzinerzelle. Der
nackte Ziegelboden ohne Spur von einem Teppich, zwei Rohrstühle, ein Armsessel,
zwei kleine, niedrige Bänke, etwa in der Art, wie man sie in Wartezimmern dritter
Klasse findet, das war die ganze Ausstattung. Das einzige Zeichen seiner Würde
war der Bischofsring. Im Übrigen trug er die gewöhnliche braune Kapuzinerkutte.
Mit großer Lebhaftigkeit sprach er über England, ‚das Land des Apostolats in
der Hand der Vorsehung‘ und über die Aussichten der afrikanischen Mission.
‚Nun gut!‘ so schloss er, ‚hier bin ich jetzt, ein alter
Mann, der letzte der Bischöfe Gregor XVI. Manches ist anders geworden, seitdem
ich fort war. Italien ist kaum wiederzuerkennen. Die Zeiten für die Kirche sind
andere geworden. Italien hatte einen großen Ruhm, ihm besonders eigen; er ist
im Augenblick umwölkt, aber ich hoffe für die Zukunft. Ich werde es nicht
erleben, ich bin zu alt, um irgendetwas zu erwarten. Inzwischen bereite ich
mich hier im ruhigen Heim meiner Mitbrüder auf die große Reise vor, gehe ein
wenig im Garten spazieren, bete und schreibe ein bisschen.‘
Das ‚Bisschen‘ ist
nichts weniger als das wahrhaft monumentale Werk seiner Memoiren, die er auf
besonderen Wunsch des Heiligen Vaters unter dem Titel: ‚30 Jahre [eigentlich 35
Jahre] als Missionär in Äthiopien‘ (I
miei trentacinque anni di missione nell'alta Etiopia) begonnen*. Sie werden, einmal vollendet,
eine Fundgrube historischer, linguistischer, geographischer und ethnologischer
Aufschlüsse über die wenig bekannten Länder bilden. Von Hilfswerken und
Materialien war nichts zu sehen. Alles ist aufgespeichert in seinem alten,
frischen, treuen Gedächtnis.“
Nebenbei war Kardinal Massaia ein tätiges Mitglied der
Propaganda und mehrerer anderer Kongregationen. Um seine sichtlich abnehmenden
Kräfte etwas herzustellen, zog er sich nach Amirante, an den herrlichen
Meerbusen von Neapel, zurück.
Bei all den vielen Auszeichnungen und Ehrenbezeigungen, die
dem hochverdienten Mann von allen Seiten zu Teil wurden, blieb er in seiner
Lebensweise und seinem ganzen Auftreten immer der schlichte, prunklose,
kindlich fromme Kapuziner. Trotz seines hohen Alters und seiner rasch
zunehmenden Gebrechlichkeit schlief er nie anders als in seiner rauen,
unbequemen Kutte auf einer ärmlichen, dünnen Matratze. Wenn ihn die vielen
Besuche gestört, holte er noch am späten Abend den Rosenkranz und seine anderen
gewohnten Gebetsübungen nach. Bis zum letzten Abend behielt er seine volle
geistige Frische und jugendliche Lebhaftigkeit, die in Verbindung mit
Herzensgüte und väterlichem Wohlwollen sein ganzes Wesen so gewinnend und
anziehend machte.
Die Nachricht von seinem Tod rief in ganz Italien
außerordentliche Teilnahme wach. Selbst die liberalen Blätter konnten einem der
größten Missionäre dieses Jahrhunderts ihre Hochachtung und Verehrung nicht
versagen.
(Aus: die katholischen Missionen, 1890)
*Das Buch gibt es bei archive.org
Hier noch einige interessante Fotos von Kardinal Massaia.