Sonntag, 9. Oktober 2016

Ein Märtyrer in Tibet

P. André Soulié M.E.P. (erste Reihe, zweiter von rechts) neben Bischof Felix Biet

Aus einem Brief des Apostolischen Vikars von Tibet, Msgr. Giraudeau.

„Am 3. April 1905 kam eine Schar Lamas von Bathang mit etwa sechzig Kriegern, welche sie in drei Dörfern gewaltsam rekrutiert hatten, etwas vor Sonnenuntergang in Yaregong an. Pater Soulié war durch die roten Lamas von Yaregong zum Voraus hiervon in Kenntnis gesetzt worden und hatte damals eben alles zur Abreise bereit gemacht und seine Sachen ins Depot gebracht.

Da er die Vorgänge in Bathang zum Teil nicht kannte, glaubte er, nichts Weiteres als eine Plünderung fürchten zu müssen. Als er nun aber sein Haus durch die Lamas und ihre Krieger umringt sah, hielt er es für gut, sich auszuliefern; übrigens hatte er auch kein Mittel zu entkommen. Er trat daher zur Tür heraus mit den Worten: „Da bin ich, ihr könnt mit mir machen, was ihr wollt, selbst mich töten.“ Da niemand Hand an ihn zu legen wagte, befahl der Führer der Lamas einem sehr verrufenen Menschen, sich des Missionärs zu bemächtigen, indem er ihm eine gute Belohnung versprach.
Der Tibetaner gehorchte sofort und umfasste den Pater mit den Armen. Er wurde an den Füßen gefesselt; man ließ ihm aber die Hände frei. Während man ihm die Fesseln an die Füße legte, erhielt er einen Säbelhieb auf den Kopf, der ihn aber kaum verwundete, und an der Seite wurde er von einem Stein getroffen, an welchem er bis zum letzten Augenblick zu leiden hatte. Die Lamas von Bathang warfen ihm nur das eine vor, dass er eine andere Lehre als die Lamaserei [buddhistisches Kloster] predige.

Hierauf drang der Anführer der Lamas in die Zimmer des Paters und entdeckte dort ein Verzeichnis, in dem alle Habseligkeiten des Priesters auf tibetanisch aufgeschrieben waren. Dieses Verzeichnis diente ihm nun dazu, auf alles Hand zu legen. Als dann alle Gegenstände und Vorräte der Mission, wie auch die der Christen genommen waren, befahl der gleiche Anführer sechzehn seiner Leute, den Pater zu töten.

Diese führten ihn an ein wenig aus dem Dorf hinaus und banden ihn an einen Baum. Sofort traf ihn eine Kugel am Hinterkopf und ging bei der Stirn hinaus. Ein zweiter Schuss traf ihn gerade ins Herz. Die Mörder banden den Leichnam los und bedeckten ihn zur Hälfte mit Steinen und Baumzweigen. Es war am 14. April, dem Feste der Schmerzen Mariä, gegen zehn Uhr morgens, als unser Martyrer sein Opfer vollendete.

Herr Soulié, aus dem Bistum Rodez, war seit 1885 Missionär in Tibet.


(Aus: Annalen der Verbreitung des Glaubens, 1906)

Pater Soulié war auch ein bedeutender Botanist, darum habe ich ihn in diese Liste aufgenommen (letzter Eintrag).

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