Montag, 2. April 2012

Religionsdiskussion zwischen einem katholischen Bischof und einem chinesischen Moslem (Teil 1)



Msgr. Fenouil, Apostol. Vikar von Yünnan (Südwestprovinz des Kaiserreiches), wäre vor einiger Zeit dem fanatischen Hass der dortigen chinesischen Muselmänner beinahe zum Opfer gefallen.
In Yünnan, besonders in der gleichnamigen Hauptstadt, sind die Mohammedaner sehr zahlreich, und der Prophet hat in Mekka kaum eifrigere Schüler, als die dortigen Marabuts. Mit viel Humor erzählt der ehemalige Oberhirt, wie sie mit ihren Bekehrungsversuchen selbst an ihn sich herangewagt.
Ohne eine Ahnung von der Erhabenheit, Heiligkeit und göttlich reinen Trostesfülle der wahren Religion Jesu Christi wähnt ihr verblendeter fleischlicher Sinn, dass den phantastisch lüsternen Seligkeitsverheißungen des falschen Propheten kein menschliches Herz sich verschließen könne.
Ruhig und mit mildem Ernst wies Msgr. Fenouil ihre lächerlichen Zumutungen ab und suchte ihrem lästigen Fanatismus möglichst auszuweichen. Die Marabuts hofften aber immer noch, ihren guten Freund, den Bischof, für sich zu gewinnen.
Eines Tages erhielt der Apostol. Vikar von einem reichen Muselmann unerwartet eine Einladung zum Abendessen. Eine abschlägige Antwort hätte seine sonderbaren Freunde beleidigt, was der Bischof vermeiden wollte; und so fand er sich zur festgesetzten Stunde ein.
Kaum hatte man Platz genommen, als einer der anwesenden Saïtes (der Ehrentitel chinesischer Moslems, welche die Pilgerreise nach Mekka gemacht), auch gleich eine Lanze gegen Msgr. Fenouil einlegte und zu einem Religionsgespräch überging.
Christus, so behauptete der Marabut, habe doch eigentlich nichts getan, um den Namen eines Erlösers zu verdienen, habe zudem ein schlimmes Ende gefunden und dergleichen mehr, was wir hier nicht wiederholen wollen.
Der Bischof trat hierauf mit Wärme für die Ehre des Welterlösers ein und entwarf ein Bild seines wundervollen, gottmenschlichen Lebens. „Aber, woher wissen Sie“, unterbrach ihn der Marabut, „dass Christus der Sohn Gottes ist?“ — „Weil Er selbst es gesagt und Gott seine Aussage durch Wunderzeichen bestätigt hat.“ Und nun zeigte der Bischof die unwiderstehliche Beweiskraft der Wunder Christi, insbesondere der Auferstehung.
„Aber,“ meinte der Marabut, „es gibt nichts Unklareres und Unvernünftigeres als eure Religion; denn sie zwingt euch, zu glauben, was ihr nicht seht, und anzunehmen was ihr nicht versteht.“ Ein solcher alberner Einwand verdiente eine tüchtige Abfertigung. „Erlauben Sie mir, zu fragen, ob Sie einen Urgroßvater hatten.“ — „Versteht sich; er war aber tot, als ich zur Welt kam.“ — „Ja, sind Sie dann aber auch gewiss, dass Sie einen hatten?“ — „Wie können Sie so etwas fragen?“ — „Nun wohl, dann glauben Sie ja selbst etwas, was Sie nicht sehen. Sie nehmen gewiss auch an, dass Sie eine Seele haben, die mit Ihrem Leibe verbunden ist, nicht wahr?“  — „Natürlich; das ist aber eine offenkundige Tatsache.“ — „Aber verstehen Sie auch wohl wie zwei verschiedene Wesen, wie Geist und Körper, zu einem Wesen sich verbinden können?“ — „Das will ich nicht behaupten.“ — „Nun wohl, Sie glauben also nach Ihrem eigenen Geständnis, was Sie nicht sehen, und nehmen auf Menschenwort hin, was Sie selbst nicht begreifen. Wie soll also der Glaube der Christen, der auf Gottes Wort sich stützt, etwas Unvernünftiges sein?“ — Den Anwesenden wurde es bei dieser Wendung des Religionsgesprächs unbehaglich.
Sie hatten vielleicht einen glänzenden Sieg erwartet und waren auf diese Niederlage nicht gefasst. Der Apostolische Vikar aber wollte die Gelegenheit nicht verpassen, um gegen den falschen Propheten einen Trumpf auszuspielen.
„Da ich“, so fuhr er fort „Ihre Einwände gelöst und Ihre Fragen beantwortet habe, so werden Sie mir nun auch eine Frage erlauben. Hat denn Euer Prophet auch nur durch ein einziges Wunder sich als Gesandter Gottes ausgewiesen?“ — „Ob er das wohl hat“, meinte der Marabut. „Wer weiß nicht, wie viele und staunenswerte Wunderzeichen er getan? Ich will nur eines anführen, das seinesgleichen nimmer hat.
Eines Abends spät, als die Ungläubigen (Juden und Christen) immer noch sich weigerten, die Lehre des Propheten Allahs anzunehmen, sprach Mohammed zu ihnen: ‚So sehet denn und glaubet. ‘ Und mit einer Bewegung seiner Hand teilte er den Mond in zwei Hälften, steckte eine davon in seinen Ärmel und ließ den anderen aufs Geratewohl in den leeren Raum hinabfallen.“ — „In der Tat“, erwiderte der Bischof, „das ist sehr stark; da muss man zur Zeit des Propheten wohl recht weite Ärmel getragen haben.“
Diese Antwort erregte allgemeine Heiterkeit, und das süßsaure Lächeln des Saïte darüber nach, wie er die Scharte wieder auswetzen und dem christlichen Bischofe eines versetzen könnte. — „Was denken Sie denn eigentlich“, so fragte er nach einer Weile, „ von unserem Mohammed, dem großen Propheten Allahs? Wo lassen Sie ihn in diesem Augenblicke sein, im Himmel oder in der Hölle?“
Das war eine recht heimtückisch pharisäische Schlinge.
Die Antwort auf die Frage war heikel und konnte verhängnisvoll werden. Nach einem kurzen inneren Gebet erwiderte der Bischof: „Es ist Ihre eigene Schuld, mein Herr, wenn Sie durch diese unausweichlich bestimmte Frage eine Antwort herausfordern, die Ihnen vielleicht minder angenehm sein dürfte; es ist aber meine Art nicht, Winkelzüge zu machen, wo es sich um Glaubenslehren handelt.
Sie wissen, meine Herren, dass ich Ihr Freund und Sie mir persönlich wert sind. Doch Gott allein ist unser Herr; ihm stehen alle Freunde dieser Erde nach, wo dies seine Ehre fordert. Mohammed ist in der Hölle, und dorthin gehen alle, die aus Verstockung Gott widerstehen bis zum Ende.“



(Aus: die katholischen Missionen, 1891)