Donnerstag, 24. Juli 2014

Der Vater der Aussätzigen in Birma stirbt


Endlich gehen uns über den Tod des P. Johann Baptist Wehinger einige nähere Nachrichten zu. Er starb in dem Aussätzigenheim St. John bei Mandalay am 6. September 1903, erst 39 Jahre alt. Geboren zu Dornbirn in Vorarlberg am 24. November 1864, trat Wehinger, etwa 24 Jahre alt, ins Pariser Missionsseminar und kam bereits 1889 in die Mission von Birma.

Sein Hauptverdienst liegt in dem hingebenden Eifer, mit welchem er das Los der zahlreichen Aussätzigen in Birma zu lindern suchte. Das Aussätzigenspital St. John, eine Musteranstalt ihrer Art, ist ganz und gar sein Werk. Er bettelte die Mittel zusammen, er brachte die Schwestern hin, er gab dem Ganzen die treffliche Organisation und war die Seele der Anstalt. Mehr noch, sein Beispiel hat das allgemeine Interesse für die Aussätzigen geweckt, weitere Gründungen ähnlicher Art und eine Besserung der Aussätzigenpflege in der britischen Kolonie bewirkt. Das wurde auch von der englischen Regierung anerkannt. Namentlich hat der Vizekönig von Indien, Lord Curzon, eine hohe Verehrung für den deutschen Apostel. Sie fand ihren Ausdruck in der Verleihung eines Ordens und in wiederholten öffentlichen Erklärungen.

P. Wehinger kränkelte bereits seit längerer Zeit. Am 15. August las er zum letzten Mal die heilige Messe. Ein bösartiges Fieber zehrte mehr und mehr seine Kräfte auf. Die Liebe und Teilnahme der armen Aussätzigen, seiner „Kinder“, deren Wohl er sich ganz geweiht hatte, zeigt sich während der Krankheit und beim Hinscheiden in rührendster Weise. Sie beteten mit größter Inbrunst um seine Genesung, und man musste ihnen die Verschlimmerung des Zustandes verheimlichen, um sie zu schonen.

Als dann die Leiche nach der Todesnacht am Morgen in der Kapelle aufgebahrt wurde, brach der Schmerz der Aussätzigen in herzergreifender Weise hervor. Weinend, schluchzend, jammernd umstanden sie die entseelte Hülle ihres Vaters und Wohltäters. Rasch drang die Todeskunde auch nach Mandalay und die umliegenden Ortschaften, und den ganzen Tag wogte der Strom der Besucher auf und ab. „Man kann wohl sagen, die Trauer war allgemein; alle weinten beim Anblick der Leiche; man sah jetzt erst, was der gute Pater ihnen alles gewesen war. Seine Liebe hatte sich auf jede Art der Not und des Leidens erstreckt, und nie hatte er irgendeinen Liebesdienst verweigert. Die Missionäre erklären einstimmig, dass sein Tod einen unersetzlichen Verlust für die Mission von Birma bedeute.“

Die Leiche wurde in einen Sarg von Teakholz gelegt und dieser von einem zweiten aus Zink mit vergoldetem Kreuz geborgen. Die Aussätzigen wollten den Weg zum Grab mit Blumen bestreuen; man musste ihnen klarmachen, dass diese Ehre dem eucharistischen Heiland vorbehalten sei. So legten sie ihre Blumen auf den Sarg. Auch aus Mandalay, aus allen Klassen kamen Blumenspenden, Kränze u. dgl., so dass der Sarg damit über und über bedeckt wurde. Das Begräbnis war großartig und ergreifend schön. Trotz des strömenden Regens kamen zahlreiche Kutschen angefahren. Vierzehn Missionäre waren herbeigeeilt, um ihrem Mitbruder die letzte Ehre zu geben. Acht von ihnen trugen den Sarg. Die Schulbrüder und Schwestern von Mandalay, die Waisenkinder, auch viele angesehene Personen und vor allem die Aussätzigen folgten dem Zug laut schluchzend und betend. Die Missionäre hätten ihn gern in der Kapelle begraben, allein der hingeschiedene hatte ausdrücklich gewünscht, auf dem kleinen Friedhof der Aussätzigen mitten unter seinen „Kindern“ zu ruhen.

Zum Nachfolger P. Wehingers ist P. Lason ernannt, und er bittet in einem Brief an die Redaktion recht innig, dass doch die Katholiken Deutschlands und Österreichs auch fürder das Werk des deutschen Missionärs nicht vergessen möchten.


(Aus: die katholischen Missionen, 1904)