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Basilika Bom Jesus, Alt-Goa, Indien. Die Kirche beherbergt die Reliquien des hl. Franz Xaver (Bildquelle: P.S. Sujay) |
Die Ausstellung des Leibes des Heiligen, die, wie bekannt, Ende des
letzten Jahres stattfand, war diesmal außerordentlich stark besucht. Der Madras
Mail schätzt die Zahl der Leute, die täglich an dem herrlichen Grabschrein in
der Kirche Bom Jesus vorüberzogen, auf 15-20.000. Zahlreich waren auch die
Missionäre, die mit Gruppen neubekehrter Christen zum Teil aus weiter Ferne
herankamen. Beispielsweise führten die Kapuzinerpatres aus Radschputana (heute
Rajasthan) im Norden Indiens eine ganze Schar neubekehrter Bhils nach Goa.
Hören wir, wie P. Karl O.F.M. Cap. darüber berichtet:
„Am 22. November, 4 Uhr Nachmittags, nahm ich den Schnellzug nach
Bombay. Ich hatte 31 Personen, darunter 28 Bhils, bei mir, die mit gekochten
und rohen Speisevorräten gut versehen waren. Die meisten dieser Leute hatten
gar keine Vorstellung von allem, was außerhalb ihrer Heimat lag, und so erregte
alles und jedes ihre Neugierde und ihr Staunen. Umgekehrt zogen meine Wilden
auch selbst überall, wohin wir kamen, die Augen auf sich. ‚Woher kommt ihr?‘
wurde gefragt. ‚Wer seid ihr?‘ Erst in Goa, dessen Bevölkerung durch und durch
katholisch und voll Ehrfurcht für die Priester ist, gab es Ruhe. Welch ein
Gegensatz zu den frechen Heiden und Moslemin in Bombay!
Am 25. November erreichten wir Alt-Goa, und meine Truppe kampierte
unter offenem Himmel unmittelbar vor der Kirche Bom Jesus, wo der Leib des
glorreichen Heiligen ruht.
Alt-Goa ist heute nur ein Palmenhain, aus welchem hier und dort die
prachtvollen Kirchen und verlassenen Klöster (bzw. deren Ruinen) aufragen.
Die
ehemaligen Straßen der Stadt, die man für die Festtage gereinigt hatte, ziehen
sich wie Waldwege durch diesen prächtigen Hain. Unter den Wipfeln der Palmen
waren Hunderte von Krambuden aufgeschlagen. Der Anblick dieses rasch
hingezauberten Basars mitten im Wald machte des Abends mit seinen zahllosen
Lichtern einen feenhaften Eindruck.
An allen Wegkreuzungen ragten hohe Kreuzbilder aus Stein, und vor ihnen
lagen diese braven Goanesen auf den Knien und sangen wehmütige, aber
harmonische litaneiartige Weisen.
Ich musste für meine Bhils sorgen. Budenbesitzer und Pilger zeigten mir
in zuvorkommender Weise, wo ich Wasser und Steine zur Herrichtung eines Herdes
usw. finde. Andere fragten, wo ich die Nacht zubringen wolle. Auf meine Erklärung,
ich wisse es nicht, ich kännte mich nicht aus, führte man mich zum Abendessen
in eine kleine Garküche unter den Palmen; ein Kerzenverkäufer lud mich ein,
hinter seinem Kramladen unter den Bäumen zu schlafen. Es war nicht so kalt wie
in Thandla (Radschputana); aber am Morgen fiel starker Tau, der alles
durchnässte.
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Schrein des heiligen Franz Xaver |
Um 5 Uhr in der Früh krachte Böllerschuss auf Böllerschuss. Das
war das Zeichen zum Aufstehen. Ich eilte in die Kirche Bom Jesus und hatte die
Freude, auf dem Grab des hl. Franz Xaver das heilige Messopfer feiern zu
dürfen. Das Marmormonument, auf dem der Schrein ruht, ist prachtvoll mit
herrlichen Figuren in halb erhabener Arbeit geschmückt; ich habe nie Schöneres
dieser Art gesehen.
Nach der heiligen Messe suchte ich meine Bhils auf und bereitete sie
zur heiligen Kommunion vor. Ich hörte ihre Beichten, unter den Wipfeln der
Palmen auf einem Stein sitzend.
Da schallten die Glocken von den Türmen; das
bedeutete, dass die Prozession beginne; ich stellte meine Leute bei der
Kathedrale auf.
Zuerst kamen die Bruderschaften in ihren eigenartigen Trachten,
dann 200 einheimische Seminaristen in Chorröcken. Meine Bhils machten große
Augen: also auch Eingeborene konnten Priester werden! Es folgte die Geistlichkeit
in Rauchmänteln und Kaseln, darauf fünf Bischöfe, davon drei Portugiesen. Meine
Bhils hatten noch nie einen Bischof gesehen; Sie können sich denken, wie sie
staunten. Den Schluss machte eine zahllose Volksmenge. Die Kirche Bom Jesus war
das Ziel. Nun wurde der Leib des großen Apostels Indiens zur Verehrung
ausgestellt. Aber die drängende Volksmasse ist so groß und dicht, dass ich die
Hoffnung aufgab, die schöne Zeremonie meinen Wilden zeigen zu können. Ich brachte
sie also zur Kathedrale und reiche ihnen dort die heilige Kommunion.
Nachdem wir gemeinsam laut und auf Hindustani unsere Danksagung
gebetet, zeigte ich ihnen die Kathedrale und ihre goldschimmernden, mit
herrlichen Gemälden, Fresken und Statuen geschmückten Altäre.
Ich erklärte ihnen alles. Der kleine Küster führte uns dann in die
Sakristei, wo in einem Glasschrank die Reliquien der eingebornen Märtyrer
aufbewahrt werden, welche einst mit dem sel. Rudolf Aquaviva und seinen vier
Genossen aus der Gesellschaft Jesu auf Salsette den Bekennertod erlitten (15.
Juli 1583).
Der wackere Sakristan stieg dann auf einen erhöhten Mauervorsprung und
suchte eine Art Truhe zu öffnen, die dort mit anderen Kisten aufgestellt war,
fand sie aber geschlossen. Sie enthält die Säbel, Lanzen und andere Waffen, die
bei der Ermordung der Blutzeugen gedient hatten. Meine Bhils meinten: ‚Wenn die
Leute von Goa die Reliquien der Märtyrer nicht eifriger verehren, dann sollen
sie dieselben uns geben. Wir werden sie in unserem Land nach Verdienst in Ehren
halten.‘
Ich nahm meine braven Bhils mit, um ihnen noch andere Wunderdinge zu
zeigen. Wir sahen die alte Kirche der Franziskaner, gleichfalls prachtvoll
ausgestattet und voll von Darstellungen aus der Franziskanergeschichte. O welch
schöne Sachen hat unser Orden in Goa zurückgelassen! – ‚Warten Sie noch eine
Weile‘, sagte uns ein einheimischer Priester lächelnd, ‚bald werden die
Engländer kommen und Goa nehmen, dann können Sie zurückkehren und ihr schönes
Kloster in Besitz nehmen.‘
Nach dem Hochamt gelang es mir, den Patriarchen zu treffen, der in
liebenswürdiger Weise uns versprach, dass wir am folgenden Tag das Glück haben
sollten, die Füße des hl. Franz Xaver zu küssen.
Und wirklich, am Sonntag durfte ich die heilige Messe wieder am Grab
lesen und meine Danksagung dicht neben dem Leibe, mit dem Kopf an den Schrein
gestützt, machen. Jetzt hatte ich die schönste Gelegenheit, für mein Vaterland
und für Dich (der Brief ist an die Mutter des Missionärs gerichtet), für unsere
Mission, unseren Orden, unsere Wohltäter, die apostolische Schule und alle
unsere Freunde zu beten.
Der Patriarch lud uns zum Mittagessen ein; auf diese Weise konnten wir
uns eine schriftliche Erlaubnis verschaffen, mit unseren Neubekehrten bis zu
den Füßen des hl. Franz Xaver zu gelangen. Die Volksmenge ist immer so groß und
so gedrängt, dass wir nicht daran denken konnten, nur bis zum Schrein
vorzudringen, ohne die Wache zu durchbrechen. Der Patriarch selbst zweifelte
daran, ob sein Schreiben auf die Polizei, die alle Zugänge in die Kirche
bewacht, den gewünschten Eindruck mache.
Da bot der Bischof von Haiderabad sich an, uns zu begleiten. Er wollte
um jeden Preis unsere Neubekehrten sehen und ihre Lieder hören und suchte uns
persönlich an unserem Lagerplatz auf. Sofort entfalteten wir unser Herz
Jesu-Banner und stimmten freudig unsere Lieder an. So gelangen wir in
Prozession zur Kirche; der Bischof ging an der Spitze, und aus Rücksicht auf
seine Würde ließ man uns durch. So konnten unsere Bhils den heiligen Leib in
aller Muße betrachten, die Füße küssen und ihre Andachtsgegenstände anrühren,
während die übrige Menge von Morgen früh ab geduldig warten musste, bis die
Reihe an sie kam.
Wir kehrten in derselben Weise singend zurück. So sahen die Pilger von
Radschputana sich am Ziel all ihrer Wünsche; sie hatten den großen Wundertäter
geküsst und dort für ihre noch heidnischen Landsleute gebetet. Ich hoffe
zuversichtlich, dass die Bhils nun in Scharen zum Heiland kommen werden. Unsere
Neubekehrten sind jetzt stolz darauf, zur großen katholischen Kirche zu
gehören, in der trotz der Verschiedenheit der Sprachen und Rassen alle Herze in
der Einheit desselben Glaubens und derselben Liebe schlagen.“
Dies ist nur eines aus hundert anderen Beispielen, die zeigen, welche
Begeisterung in jenen Tagen in Goa herrschte und welcher Zauber noch immer von
dem Grab des Apostels Indiens ausgeht.
(die katholischen Missionen, 1911)