Wohl kaum ein Laie hatte in der Geschichte der katholischen
Kirche in China einen solchen Einfluss wie Joseph Lopahong, der wegen seiner
Wohltätigkeit der „Vinzenz von Paul Chinas“, der „Ozanam Chinas“ oder der „Cottolengo
Chinas“ genannt wurde. Sich selbst bezeichnete er wegen seiner großen Andacht
zum Ziehvater des Herrn als „Kuli des hl. Joseph“. Joseph Lopahong wurde im März 1875 geboren und stammte aus
einer Familie, die bereits 300 Jahre lang katholisch gewesen war.
Als der junge
Jurist im Jahr 1911 in seiner Heimatstadt Schanghai an einem mit Geschwüren
bedeckten Kranken vorbeikam, wollte er diesen in ein Hospiz bringen, doch
niemand wollte den Mann aufnehmen. Da auch der Rikschafahrer, den er zum
Transport des Kranken engagiert hatte, den Dienst quittierte, trug Lopahong letzteren
kurzerhand auf dem Rücken in sein Elternhaus, um ihn dort zu pflegen.
Durch dieses Ereignis kam ihm die Idee, ein Hospiz für die
vielen Armen und Verlassenen, die es in China so zahlreich gab, zu gründen.
Zunächst sollte es nur 30–40 Betten haben, denn mehr Geld hatte er nicht. Als
dann auch das Geld für den Bau des Hospizes auf einem alten Friedhofsgelände
ausging, besorgte er im Wallfahrtsort Zikawei eine Statue des heiligen Joseph,
stellte sie auf dem Baugelände auf und versammelte die Arbeiter, Bettler und
Kranken, meist Heiden, um sich, um zum Ziehvater Christi zu beten. Darauf
begann er, Geld für sein Werk zu sammeln, vor allem bei Heiden. Der Erfolg: in
wenigen Tagen war das Geld für das St. Josephs-Hospiz zusammen.
Auch in Zukunft sollte sein Gebet und Vertrauen zum heiligen
Joseph stets belohnt werden, doch er tat auch viel dafür, indem er rastlos
sammelte. Dieses Vertrauen, gepaart mit der eigenen Anstrengung, kam in der
Bezeichnung „Kuli des hl. Joseph“ zum Ausdruck.
Durch sein großes Ansehen und seine Vertrauenswürdigkeit
sollte er bald in Schanghai zahlreiche Ämter bekleiden: das eines Präsidenten
der chinesischen Handelskammer, des Generaldirektors des Elektrizitätswerkes
und der Straßenbahngesellschaft sowie der Kanalisationswerke, um nur einige wenige zu nennen. Diese Posten brachten weiteres Geld
für seine Werke, die sich bald über die ganze Stadt erstreckten. Allerdings war
Joseph Lopahong nie ein Millionär, geschweige denn ein „chinesischer Rockefeller“,
und es lag ihm viel daran, diese falsche Ansicht, die sich auch schon in Europa
verbreitet hatte, zu widerlegen.
Um sich eine Idee von seinen Werken zu verschaffen, folgen
einige Zahlen: Im Jahr 1937 hatte er 7 Hospitäler und 89 Armenapotheken
gegründet, in denen in einem Vierteljahrhundert über 9 Millionen Menschen Hilfe
fanden. Das St. Joseph-Hospiz bot in 16 Gebäuden Platz für 3.200 Personen. Er
gründete 17 Volksschulen, zwei Krankenpflegeschulen und sorgte für den Bau von
33 Kirchen und Kapellen und unterstützte zwei Abteien (der Trappisten und der
Benediktiner). Seine Nächstenliebe ging jedoch weit über die Grenzen Chinas hinaus.
Dem hartgeprüften Nachkriegsdeutschland (Erster Weltkrieg) widmete er sich
ebenfalls mit seiner Hilfe.
Bei all dem blieb Joseph Lopahong ein schlichter, demütiger,
frommer Mann. Er empfing täglich die heilige Kommunion, nachdem er bei der
Messe gedient hatte, lehrte die Kranken den Katechismus und taufte sogar zum
Tode verurteilte Häftlinge. Mancher sagte, Lopahong habe selbst mehr Menschen
getauft als viele Missionare. Als er einmal im Beisein eines deutschen
Steyler-Paters las, der „katholische Missionar Joseph Lo“ (er selbst) habe
einen bekannten Verbrecher getauft, sagte er lächelnd: „Missionar sein möchte
ich am liebsten“. Dem stand allerdings im Wege, dass er der Vater von 9 Kindern
war, wobei seine beiden ältesten Söhne eifrige Mitarbeiter in seinem Werk
waren. Die Auszeichnungen, die ihm zukamen, wie etwa die Ernennung zum Ritter
des Ordens vom hl. Gregor dem Großen oder die Ernennung zum Mitglied der
päpstlichen Familie, nahm er nur um seines Werkes Willen an. Ein großes
Verdienst erwarb er sich um die Katholische Aktion, der er in China von 1912
bis zu seinem Tod vorstand, was ihn wohl zum weltweit dienstältesten
Vorsitzenden machte.
Ungeklärt bleibt das Motiv für den Mord an dem großen
Wohltäter, der im Dezember 1937 während der japanischen Besatzung von zwei als
Orangenhändler verkleideten Chinesen vor seinem Haus erschossen wurde, als er
gerade einem Armen einen Teller Reis reichen wollte. Die Nachricht erschütterte
die gesamte katholische Welt. Es wird gemutmaßt, dass er ermordet wurde, da er
häufiger den Kontakt zu den Besatzungsbehörden suchte, um seine Werke vor dem
Untergang zu schützen. Lopahong sagte schon zu Lebzeiten, dass Gott sein Werk
auch nach seinem Tod fortbestehen und wachsen lassen würde, wie bei Don Bosco.
Schließen wir mit einem Zitat, dass wohl sein Leben treffend
zusammenfasst. Der ehemalige Direktor der Agentia Fides, John Considine, sagte
über ihn, nachdem er Lopahong besucht hatte: „Ich trage mit mir das Gefühl, in Lopahong
das lebendig gewordene Bild der Heilandsliebe zu den Armen gesehen zu haben.“
Es bleibt zu hoffen, dass Joseph Lopahong, der früher in der
ganzen katholischen Welt bekannt war und hoch geachtet war, eines Tages zur
Ehre der Altäre erhoben wird.