Sonntag, 17. Dezember 2023

Der heilige Daniel Comboni über den Islam


 Der heilige Daniel Comboni erfuhr in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Sudan aus direkter Anschauung, welches Hindernis der Islam für die katholische Mission und sogar selbst für eine humane Gesellschaftsordnung darstellte:

„Sehr viel wird die europäische Zivilisation erreicht haben, wenn sie sagen kann, dass sie in den Muslimen den Sinn geweckt hat, eine Veränderung der auf dem Koran basierten Prinzipien anzustreben, denn der Koran verbietet jede Neuerung und höhere Ausbildung und gewährt dagegen jede Befriedigung der bösen Lüste und der tierischen Leidenschaften und gestattet seinen Anhängern die Anwendung äußerster Gewalt gegen Andersgläubige. Die menschliche Gesellschaft, wie wir sie uns im wahren Sinn des Wortes denken, verträgt sich nicht mit dem Koran, der wahre Fortschritt und die wahre Zivilisation und der Koran können nicht zusammen existieren. Das eine vernichtet das andere. Keine menschliche Kraft vermag also den Koran zu besiegen (...)“

An einer anderen Stelle schreibt er:

„Eine Wunderkraft, ein souveränes Licht, der Beistand der göttlichen Gnade sind unbedingt notwendig, um den Geist und die vom Islam entwürdigten Herzen zu gewinnen. Die menschlichen Mittel allein genügen nicht. Dieser Triumph wäre der katholischen Religion allein vorbehalten. Der Herr, der mit seiner Stimme die Zedern des Libanon fällt und die Säulen des Firmaments zum Erzittern bringt, könnte aus Liebe zu seiner Religion jenen Menschen das Licht bringen.“

(Quelle: Band II der Schriften des hl. Daniel Comboni)

Samstag, 16. Dezember 2023

Digitale Galerie zur Chinamission von der Whitworth University


 Die Whitworth University (eine presbyterianische Universität in Washington State) hat eine bedeutende Sammlung von Fotoaufnahmen aus der Chinamission verschiedener christlicher Konfessionen online gestellt. Ganz besonders sehenswert sind hier die Einzelgalerien zu den katholischen Orden sowie der Société des Auxiliaires des Missions des um China so verdienten Pater Vincent Lebbe.

Die Bilder sind ein schönes Zeugnis für die Vitalität der chinesischen Kirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts , deren Mitglieder sich später in den Drangsalen der kommunistischen Verfolgung oft heroisch bewährten. Gebe Gott, dass die Kirche in China sich bald wieder frei entfallen kann, wie es Papst Franziskus vor einigen Monaten wünschte.

https://digitalcommons.whitworth.edu/china_christian_missions/

P. Vinzent Lebbe mit Bischof Melchior Sun Dezhen C.M. und den kleinen Schwestern der hl. Theresa


Samstag, 2. Dezember 2023

Gebet von Papst Johannes XXIII. für die „Kirche des Schweigens“

 

Der Papst mit Erzbischof Paul Yü Pin von Nanking, später Kardinal, Exil in Taiwan.
(Quelle:Whitworth University Library “Société des Auxiliaires des Missions (SAM) Collection” via the Catholic World Report)

*Die „Kirche des Schweigens“ bzeichnete die verfolgten Ortskirchen in den kommunistischen Ländern.

„Heiliger Vater, bewahre in Deinem Namen diejenigen, die Du mir anvertraut hast, auf dass wir eins sind und bleiben. Wende endlich, o unser Erlöser, den Blick auf die Verdienste und Gebete Deiner und unserer Mutter, der hohen Königin der Missionen und der Weltkirche, ferner auf die Mühen, Opfer und das vergossene Blut so vieler Glaubensverkünder, die überall ein heldenhaftes Zeugnis für Dich ablegten und noch ablegen; und sei vor allem Deines eigenen kostbaren Blutes eingedenk, das Du vergossen hast zur Nachlassung ihrer Sünden, schenke China und der ganzen Welt Deinen Frieden, denn auf nichts anderem ruhen Hoffnung, Sieg und Frieden als auf Dir, unserem Herrn und unsterblichen König aller Zeiten und aller Völker. Amen.“

Samstag, 4. November 2023

„Pater Claver“ – der Diener Gottes Nicolau Rodrigues Campo S.J.

 

Pater Nicolau Rodrigues Campo S.J.
(Quelle: Covilhã - Subsídios para a sua História

Neulich stieß ich auf die Lebensbeschreibung des heiligmäßigen und doch wenig bekannten Jesuitenmissionars Nicolau Rodrigues Campo, der sowohl in Westafrika als auch in Cartagena in Kolumbien, dem Wirkungsort des hl. Petrus Claver, missionarisch tätig war. In seiner Nachahmung des großen Jesuitenmissionars Claver brachte er es soweit, dass man ihn gemeinhin „Pater Claver“ nannte. Hier der Text aus dem Artikel von P. Kneller S.J.:

Ganz und gar kein Gelehrter war ein anderer der obigen Liste, Nicolaus Rodriguez . Gott will freilich, daß man in der Arbeit für die Seelen auch die natürlichen Mittel anwendet, er pflegt aber mitunter sehr deutlich zu zeigen, daß schließlich der Erfolg von der Beseelung des Natürlichen durch das Übernatürliche abhängt, und zwar zeigt er das dadurch, daß er den Mangel natürlicher Gaben überreich durch übernatürliche ersetzt. Beispiel dafür sind etwa Joseph von Cupertino und der Pfarrer von Ars. Ein weiteres ist auch Nicolaus Rodriguez. 

Als nach seinem Eintritt in den Orden die Zeit herannahte, durch die Gelübde sich zu binden, soll der Provinzial angeordnet haben, ihn wegen seiner schwachen Begabung nicht zuzulassen, der Brief ging aber verloren, und so legte er seine Gelübde ab. Der Provinzial schien aber richtig geurteilt zu haben; schon nach dem ersten Jahre seiner philosophischen Studien bedeutete man ihm, es sei unnütz, diesem Wissenszweig noch längere Zeit zu widmen, er war im Examen glänzend durchgefallen. Aber nun zeigte sich, daß Metall, und edles Metall, in dem Mann steckte. Er verzweifelte nicht, sondern sagte sich: Will Gott mich nicht zum Gelehrten, so doch zum Heiligen. Schon in seiner Jugend hatte das Verlangen nach Heiligkeit ihn mächtig ergriffen, das Verlangen nach dem Martyrium, das ihn sein ganzes Leben nicht verließ, erfaßte ihn schon damals, und als er einmal nach einer Zeit des Leichtsinns sich wieder zurechtfand, entfloh er als Siebzehnjähriger vom Vaterhaus, um Einsiedler zu werden. Seinem Streben versagte Gott nicht den Erfolg, nach allgemeinem Urteil gelangte er zu einem sehr hohen Grad von Heiligkeit. Er bedurfte ihrer im späteren Leben. Nach zweijährigen Bemühungen um die nötigen theologischen Kenntnisse und dem zweiten Noviziat arbeitete er auf der afrikanischen Insel Fernando Poo. In dem mörderischen Klima hielt er acht Jahre aus, bis die Mission aufgegeben wurde. Dann war er zu Covilhao in Portugal 25 Jahre lang tätig; von dem Ansehen, das ihm seine Heiligkeit verschafft hatte, zeugt die Tatsache, daß er einen Volksauflauf, den der Bischof und die bürgerlichen Behörden nicht beruhigen konnten, durch wenige ganz einfache Worte beilegte. 

Die Sehnsucht nach den Missionen ließ ihm aber keine Ruhe. Immer wieder bat er die Obern, ihn in die Übersee zu schicken. An Gründen, den Bitten nicht zu willfahren, fehlte es nicht. Er war schon über 60 Jahre alt, die Strenge seines Lebens hatte die Gesundheit untergraben, er trug schon von seiner Wirksamkeit auf Fernando Poo her eine große Wunde an der Hüfte. Er ließ indes mit Bitten nicht nach, bis man ihn 1896 in die Stadt des hl. Petrus Claver, nach Cartagena in Columbien, sandte. Unter der glühenden Sonne dort und in der schwierigen Mission am Magdalenenfluß nahm er unglaubliche Mühen mit unglaublich großem Erfolg auf sich. Unermüdlich durchwanderte er trotz seines Greisenalters die Städte, Dörfer und Hütten. Man nannte ihn nur den „Pater Claver“, und er war in der Tat ein vollkommener Nachahmer von Clavers Nächstenliebe und beständiger Abtötung. Die vielen Wanderungen in der Sonnenhitze hatten nun zur Folge, daß seine Wunde wieder aufbrach. Aufs Krankenlager hingeworfen, meinte er, wenigstens jetzt sie dem Arzt zeigen zu müssen, der ganz erschrocken über den Anblick äußerte, nur ein Heiliger habe mit einer solchen Wunde solche Arbeiten auf sich nehmen können. Der Kranke sollte sich nicht wieder erheben. Am Fest seines Vorbildes Peter Claver, am 9. September 1900, ging der Unermüdliche in die ewige Ruhe ein. Der Bischof selbst stand ihm im Tode bei und hielt ihm nach einem feierlichen Begräbnis die Lobrede.

(Aus: C.A. Kneller: Zur Geschichte der Heiligkeit in neuester Zeit. Zeitschrift für Aszese und Mystik, Heft 11/1936)


Sonntag, 29. Oktober 2023

„ Tragt Christus in die Welt hinein“ – Johannes Joseph van der Velden als Leiter des Franziskus-Xaverius-Missionsvereins


Der spätere Aachener Bischof Johannes Joseph van der Velden war eine prägende Gestalt der deutschen Missionsbewegung vor dem Zweiten Weltkrieg. Seine Arbeit als Generalsekretär des Franziskus-Xaverius-Missionsvereins beschreibt sein Biograf so:

„Stets blieb er mehr Seelsorger als Organisator. ‚Der Seelsorger in ihm war es, der seine Tätigkeit an der Missionszentrale mit dem Blick auf die Heilsaufgabe der Kirche in der ganzen Welt bestimmte.‘ Mission war ihm Wesensaufgabe er Kirche. Das Ziel seiner Arbeit sah er in einer Verinnerlichung des Missionswesens in der Heimat. Es galt, den Missionsgedanken im Rahmen einer überdiözesanen Missionswerbung in das religiöse Denken von Priestern, Volk und Jugend zu tragen. ‚Tragt Christus in die Welt hinein‘ war der Weckruf, den van der Velden wie einen Brand in die Herzen der Gläubigen warf. Tausenden legte er die Verantwortung der europäischen Kirche für die wachsende Missionskirche ans Herz. Viele Missionsberufe hat er geweckt. In zahlreichen Vorträgen für Lehrer und Erzieher warb er für die Missionskatechese in der Schule.“

Gebe uns Gott wieder viele, viele Katholiken, die sich für den Missionsgedanken voll einsetzen.


(Quelle: August Brecher: Bischof mitten im Volk. Johannes Joseph van der Velden 18911954)

Samstag, 21. Oktober 2023

Gedanken zum Fest der heiligen Laura Montoya

Die heilige Laura Montoya mit Angehörigen des Volkes der Embera

„Meine Seele brannte mit dem Verlangen, etwas Großes für meinen Gott zu tun, damit Er erkannt werde, und mein Mitleid mit den Ungläubigen wurde sehr klein im Vergleich zu meinem Verlangen, Gott erkannt und so geliebt zu sehen, wie Er es verdient.“

Die heilige Laura Montoya, geboren im Jahr 1874 im Westen Kolumbiens, war zutiefst von der Unwissenheit und Gottesferne der Indianer in den abgelegenen Regionen ihres Heimatlands bewegt. Sie fühlte sich zur Gründung einer Ordensgemeinschaft zur Missionsarbeit unter den indigenen Völkern angetrieben, die sie im Sinne einer zutiefst erlebten geistlichen Mutterschaft als ihre Kinder betrachtete. Gleichzeitig war jedoch ihre Liebe zu Gott so innig, dass sie ihre Missionsarbeit mehr von der Ehre Gottes als vom Heil der Ungläubigen her betrachtete – selbstverständlich ohne dabei deren Seelenheil zu vernachlässigen. Dieser Gedanke an die Ehre Gottes, der als höchstes Gut von allen geliebt zu werden verdient, kommt in ihren innigen Gebeten zum Ausdruck: „Mögen sie Dich zu Deiner Ehre erkennen! Mögen wir Dich mit den Seelen der Nichtchristen krönen. Mögen die nicht verloren gehen, die fern von Dir darben. Sieh, ich sterbe aus Wunsch, Dich erkannt und geliebt zu sehen.“ So wird das Mitleid zu den von ihr so sehr geliebten Ungläubigen klein, wenn es dem großen Gedanken der Ehre Gottes gegenübersteht.

Das Heil der Seelen ist ein heiliges und edles Motiv für die Missionsarbeit. Dennoch verdient das Motiv der Ehre Gottes, das vor allem Hauptmotiv des religiösen Strebens der Menschen sein sollte, auch bei der Behandlung des Missionsthemas wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt zu werden. Möge die heilige Laura Montoya uns hierin Vorbild und Fürsprecherin sein.

Freitag, 6. Oktober 2023

St. Daniel Comboni: „Der wahre Apostel weicht nie den trotzigsten Hindernissen“


Ende der 1870er Jahre kam es im Missionsgebiet des heiligen Daniel Comboni im heutigen Sudan innerhalb eines Jahres zu einer verheerenden Dürre mit Hungersnot, die ganze Landstriche entvölkerte, sowie zu einer Epidemie, die noch schlimmere Folgen hatte. In diesem Kontext schreibt der Heilige:

„Soll bei so schrecklichen Schlägen das Herz des apostolischen Missionärs sich außer Fassung bringen lassen und unter der Wucht solchen Unglücks erliegen? … Nimmermehr. Das Kreuz ist der königliche Weg, der zum Triumphe führt. Das hl. Herz Jesu schlug auch für die armen Schwarzen. Der wahre Apostel weicht nie den trotzigsten Hindernissen, den heftigsten Widersprüchen und bietet festen Fußes die Stirne dem Schwalle der Bedrängnis und dem Anprall der wütendsten Stürme; er schreitet auf dem Wege des Martyriums zum Triumphe. Ähnlich unseren Missionskollegen in China, die sich im Angesichte des Todes und der grausamsten Qualen nicht erschüttern lassen, werden wir furchtlos ungeheure Mühen, gefährliche Reisen, peinliche [schmerzvolle] Entbehrungen, das langsame Martyrium eines glühenden Klimas und sogar den Tod erdulden, um die barbarischen Völker Zentralafrikas dem Glauben zu gewinnen und sie alle unter dem friedlichen Schatten des einen Schafstalles Christi zu sammeln.“

(Aus: Daniel Comboni. Bischof von Claudiopolis und Apostolischer Vikar, 1882)

Montag, 7. August 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Der Märtyrer mit dem Marienbild

 

„Es durften früher keine Wiedergaben von dem Madonnenbild in Maria Maggiore gemacht werden, das nach der Legende der hl. Lukas gemalt haben soll. Der hl. Franz Borgias erhielt von Papst Pius V. die Erlaubnis, fünf Kopien davon machen zu lassen, die als besonderer Ansporn zur Marienverehrung dienen sollten. Er hatte ja gesagt, er bange für den Beruf eines jeden, der nicht eine besondere Andacht zu Maria habe. Eine dieser Kopien erhielt der sel. Ignatius von Azevedo vor seiner Ausreise nach Brasilien mit seiner jungen Schar von Missionaren. Es wurde eifrig verehrt und auf dem Schiffe aufgestellt. Als die Hugenotten die wehrlosen Glaubensboten überfielen, hielt der Selige das Bild hoch empor, um alle zu ermutigen. Als man ihn und die übrigen ins Meer warf, hielt seine Hand immer noch das kostbare Andenken in die Höhe, bis alle in den Fluten versunken waren oder vielmehr ihre Seelen triumphierend die himmlische Mutter begrüßen durften.“

(Aus: Constantin Kempf: Wesensmerkmale ignatianischer Heiligkeit. In Zeitschrift für Aszese und Mystik, Jahrgang 1942, Heft 4)

Donnerstag, 3. August 2023

Große Gedanken

Der heilige Guido Maria Conforti bei der Visitation seines Ordens in China

Wir leben wohl in einer Zeit, in der es innerhalb der Kirche nur noch wenige große Gedanken und Hoffnungen gibt, besonders, wenn sie sich auf das Reich Gottes auf Erden beziehen. Hatte der heilige Ignatius von Loyola noch alles zur größeren Ehre Gottes tun wollen, ist die Idee der „Ehre Gottes“ wohl den meisten Katholiken völlig fremd geworden. 

Der heilige Guido Maria Conforti war ein Heiliger vom Schlag des hl. Ignatius, nahm er sich doch dessen größten geistigen Sohn, den hl. Franz Xaver zum Vorbild. So hatte er große Ziele und große Hoffnungen. Er sagte einmal: „Wir brauchen nicht 3000 Missionare für China, sondern 50.000! Ich sehne den Tag herbei, an dem ganz China als christliche Nation bezeichnet wird!“ 

Solche Gedanken kann unser Zeitalter der Kleinmut nur zu gut gebrauchen.

Ad maiorem Dei gloriam!

Sonntag, 2. Juli 2023

New article and podcast at Unam Sanctam Catholicam

My longtime internet friend and fellow Catholic blogger Boniface over at Unam Sanctam Catholicam was so kind to host both an article on Pius XI, Pope of the Missions, as well as a podcast episode on the missions in the first half of the 20th century. 

You can find it here. Please share and like!


Sonntag, 4. Juni 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist unter dem Schutz des Unbefleckten Herzens Mariens


Im Jahr 1841 gründete der aus dem Judentum konvertierte Elsässer Priester François-Marie-Paul Libermann die Kongregation des Unbefleckten Herzens Mariens. Durch Mitbrüder, die Söhne französischer Plantagenbesitzer in den französischen Kolonien der Karibik und des Indischen Ozeans waren, erfuhr er von der geistigen Verlassenheit der afrikanischen Sklaven dort. Seine Stiftung sollte das Los dieser Menschen verbessern.

Wie bei seiner Bekehrung hatte er auch bei der Ordensgründung mit zahlreichen Hindernissen zu kämpfen. Im Jahr 1840 schrieb Libermann aus Rom, wo er seine Gründung betrieb, dass sein Vertrauen hauptsächlich auf „der Güte des heiligsten Herzens Mariä“ beruhte. Zunächst wünschte Libermann, der künftigen Missionsgesellschaft den Namen „vom heiligen Kreuz“ zu geben, damit sich „bereits im Titel ein vollkommenes Vorbild aller apostolischen Haupttugenden“ vorfinde. Sein Mitgründer P. Tisserant empfahl, das Werk dem Unbefleckten Herzen Mariens zu widmen. Eine Wallfahrt zu den sieben Hauptkirchen Roms und verschiedenen Marienkirchen der ewigen Stadt brachte Libermann dazu, diesem Rat zu folgen. Gleichzeitig erlebte er, dass sich die Unklarheiten und Zweifel bei der Erstellung der Regel der Kongregation gelöst hatten.

Wichtige Gebetsunterstützung zu dieser Gründung leistete die Erzbruderschaft des reinsten Herzens Mariä für die Bekehrung der Sünder der Pariser Pfarrei Notre-Dame-des-Victoires (Unsere Liebe Frau vom Sieg). Pfarrer Desegenettes hatte seine geistlich darniederliegende Gemeinde im Jahr 1835 dem unbefleckten Herzen Mariens geweiht und die erwähnte Erzbruderschaft gegründet, worauf sich das religiöse Leben in der Pfarrei wesentlich erneuerte. Im Jahr 1839 hatten Pater Libermanns Mitgründer Tisserant und Le Vavasseur unabhängig voneinander die Idee, das Anliegen der geplanten Missionsgesellschaft, mit dem sich die drei bereits einige Zeit getragen hatten, den Gebeten der Erzbruderschaft zu empfehlen. So wurde Mariä Lichtmess 1839 zu einem entscheidenden Tag für das Unternehmen. Pfarrer Desgenettes bestieg während der feierlichen Vereinsandacht die Kanzel, um wie üblich die Gebetsmeinungen vorzutragen. Bewegt empfiehl er dann die „neue und hochwichtige Gebetsmeinung“, die Bekehrung der schwarzen Rasse, deren Millionen von Seelen „ein absolutes Anrecht hätten auf unser fürbittliches Gebet und sich des mütterlichen Erbarmens des Unbefleckten Herzens Mariens vorzugsweise erfreuen dürften, da Maria auch diesem, bislang so vergessenen Teil der Menschheit, sein wolle: Trost der Betrübten, Heil der Kranken, Zuflucht und Rettung der Sünder“.

Pater Libermann

Diese Rolle der Erzbruderschaft betonte Pater Libermann in einem Brief an Pfarrer Desgenettes im Jahr 1844: „Es ist sicher, dass unser kleines Unternehmen für die Bekehrung der Schwarzen dem mächtigen Schutze des hl. und unbefleckten Herzens Marias sein Dasein und seine Entfaltung verdankt. Alle Mitbrüder, die es mit mir angefangen und fortgeführt haben, sind davon tief überzeugt, und unsere Herzen sind voll von Erkenntlichkeit und Dankbarkeit gegen die glorreiche Königin des Himmels.

Von Anfang hat sich die Erzbruderschaft für dieses kleine Werk bei dem unbefleckten Herzen unserer guten Mutter verwandt. Die ersten Mitglieder, welche es beginnen sollten, waren noch unentschlossen; die Hindernisse, welche sich ihnen entgegenstellten, schienen unüberwindlich, aber die eifrigen Gebete der heiligen Vereinigung des unbefleckten Herzens Marias erlangte das, was unmöglich schien, denn vom Anbeginn dieses schwierigen Unternehmens ruhte unser Vertrauen auf der Güte unserer hochheiligen Mutter. Trotz den Schwierigkeiten, die menschlich zu reden, bei weitem unsere Schwäche überstiegen, hatten wir immer eine große Zuversicht für den Erfolg.“

Altar der Erzkonfraternität in der Basilika Notre-Dame des Victoires
(Quelle: Von Guilhem Vellut from Paris, France - Basilique Notre-Dame des Victoires @ Paris, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53621852)

Der besonderen Fürsprache Mariens schrieb P. Libermann auch die Tatsache zu, dass die Gemeinschaft im Jahr 1843 bald nach ihrer Gründung ihre erste Mission in Westafrika erhielt. Der irische Missionsbischof Edward Barron, der kurz zuvor zum apostolischen Vikar von Guinea ernannt worden war, besuchte die Kirche Notre Dame des Victoires, um dort am Marienaltar zur allerseligsten Jungfrau zu beten. In einem Brief an Pfarrer Desgenettes schildert Libermann das eigentümliche Ereignis: „Ich verließ Paris am selben Tage. Am folgenden Tage kam der Bischof Barron, apostolischer Vikar von Guinea, Maria am Altar ihres unbefleckten Herzens seine Huldigung darzubringen. Er sprach Ihnen von seinem ausgedehnten Vikariate und seinem Priestermangel, und wunderbar, (was ich mir auf natürliche Weise gar nicht erklären kann), Sie kamen nicht auf den Gedanken, ihm von uns zu reden. Am Tage vorher waren Sie noch so gerührt von unserer Verlegenheit, es bot sich Ihnen damals eine so schöne Gelegenheit dar, Ihren Kindern zu helfen und Sie vergaßen Sie gänzlich. Ich kann dafür nur diese Erklärung finden. Maria wollte zeigen, dass uns alles von ihrem unbefleckten Herzen zukommt. Nachdem Sie sich mit dem frommen apostolischen Vikare von Guinea unterhalten und [ihn] in seiner Verlegenheit gelassen hatten, bestiegen sie den Altar des unbefleckten Herzens und bekamen plötzlich gleichsam eine innere Inspiration, die Ihnen sagte, dass diese Mission für uns bestimmt sei. Sie sprachen mit Bischof Barron und am Tage nach meiner Ankunft in Amiens musste ich wieder nach Paris zurückkehren, um ein Geschäft zum Abschlusse zu bringen, das Maria schon für uns eingeleitet hatte.“

In schöne Harmonie bringt der Gründer die Verehrung des Heiligen Geistes mit der Andacht zum unbefleckten Herzen Mariens, als einige seiner geistlichen Söhne nach der Vereinigung mit der Kongregation vom Hl. Geist wohl gefürchtet hatten, dass dieses Kennzeichen der Genossenschaft in Gefahr war: „Sie gehören dem hl. Herzen Mariä an und Sie werden ihm immer angehören. Unsere Vereinigung mit der Genossenschaft des hl. Geistes kann unsere Andacht und unsere Liebe zu diesem Herzen, dem unsere arme Genossenschaft ihr entstehen verdankt, nur vermehren. Wir haben auf das Herz Marias, das mit der Fülle des hl. Geistes ausgestattet ist, immer unser Vertrauen gesetzt, wenn wir auch den Gedanken von der Fülle des hl. Geistes im Herzen Marias nicht besonders ausgedrückt haben, so bildet er doch das Wesen unserer Andacht gegen dieses heiligste Herz. Wir haben also nichts verändert, denn das, was wir früher voraussetzten und mitverstanden, drücken wir jetzt deutlich aus.“

Die Kongregation wuchs rasch und breitet sich über weite Teile Afrikas, besonders über das französischsprachige Westafrika aus, aber auch andere Regionen wie Australien und Nordamerika, wo Libermanns Söhne unter den Afroamerikanern wirkten, kamen bald hinzu. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Kongregation vom Hl. Geist und dem unbefleckten Herzen Mariens zur größten Missionsgesellschaft der katholischen Kirche.

Montag, 29. Mai 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Die Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens

Die selige Maria von der Passion, Gründerin der F.M.M.

Die Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens wurden nicht nur für, sondern bereits in einem Missionsland gegründet, und zwar in Indien, wo ihre Gründungsmitglieder, darunter die Ordensstifterin Maria von der Passion, zunächst Mitglieder der Sühneschwestern Mariens (Société de Marie-Réparatrice) waren. Nach Uneinigkeiten zu Fragen der Missionsmethode und der Disziplin trennten sich 33 Schwestern unter der Leitung von Mutter Maria von der Passion im August 1876 von ihrer ursprünglichen Gemeinschaft und gründeten den Orden der Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens im südindischen Udagamandalam. Ziel des Ordens war es, sich ganz der missionarischen Tätigkeit zu widmen, insbesondere in der medizinischen Betreuung von Frauen in Indien. Zu den weiteren Zielen gehörte es, Ordensmitglieder aus der ganzen Welt aufzunehmen, sich für alle Einsatzorte bereit zu zeigen und in Name und Ausrichtung „Missionarinnen Mariens“ zu sein. So sollten sie die Mutter nachahmen, die die Sendung ihres göttlichen Sohnes unterstützte, besonders in ihrem verborgenen Leben in Nazareth, wo sie in Liebe, Frieden und Demut Gott diente. Die Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens sollten nach dem Wunsch ihrer Gründerin Maria als „Magd des Herrn“ in ihrer Hingabe an Gott nachahmen: „Dieses Charisma wird in der grundlegenden Einstellung des Ecce und des Fiat Marias gelebt: sie opferte ihr ganzes Sein in vollständiger und liebender Offenheit, im Glauben und in demütigem Dienst, damit der [Heilige] Geist in ihr die Arbeit des Vaters wirke.“[1] Hauptfest des Ordens ist wie bei andere franziskanischen Gemeinschaften das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens am 8. Dezember.

Der Orden hat neben der seligen Stifterin sieben Heilige und eine weitere Selige hervorgebracht. Die heiliggesprochenen Schwestern unter der Leitung der heiligen Marie-Hermine von Jesus fielen am 9. Juli 1900 zusammen mit Bischof Grassi, anderen Ordensleuten und einheimischen Christen den Boxern in der chinesischen Mission Tai-Yuan-Fu zum Opfer und wurden 1946 selig- und im Jahr 2000 heiliggesprochen. Die selige Maria Assunta Pallotta lebte als Chinamissionarin des Ordensideal der Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens in stiller Arbeit und Aufopferung ihrer selbst. Sie starb im Jahr 1905 im Alter von 26 Jahren.

Entsprechend dem Wunsch Mutter Marias von der Passion entwickelte sich der Orden zu einer internationalen Gemeinschaft. Heute wirken über 5000 Ordensschwestern aus 79 Nationen in 73 Ländern auf allen fünf Kontinenten.[2]

 

[1] Erste Konstitutionen der Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens, Nr. 2
[2] https://fmm.org/where-we-are/

Samstag, 20. Mai 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Missionsgesellschaften unter dem Patronat Marias (Teil 1)

Missionsgesellschaften unter dem Patronat Marias

Die großen Orden der Kirche, die Benediktiner, die Franziskaner und Dominikaner sowie in neuerer Zeit die Jesuiten haben maßgeblich zur Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria in den Ländern Europas beigetragen und diese Verehrung auch in den ihnen übertragenen Missionsgebieten gefördert.

Mit dem Wachstum der äußeren Missionen entstanden im 18. und 19. Jahrhundert verschiedene Ordensgemeinschaften und Kongregationen, die speziell zum Zweck der Missionsarbeit gegründet wurden. Viele dieser Gemeinschaften tragen nicht nur einen marianischen Namen, sondern ahmen das Leben der Gottesmutter im eigenen missionarischen Wirken nach. In diesem Kapitel soll ein kurzer Abriss der Geschichte dieser Orden und ihrer Verehrung der allerseligsten Jungfrau präsentiert werden.


Oblaten der unbefleckten Jungfrau Maria

Die Oblaten der unbefleckten Jungfrau Maria (lateinisch Missionariorum Oblatorum Beatae Mariae Virginis Immaculatae, Ordenskürzel OMI) wurden 1816 durch den provenzalischen Weltpriester Eugen von Mazenod gegründet, um den Glaubensgeist unter der armen Bevölkerung der Provence zu heben. Im Jahr 1825 wurde die Kongregation von Papst Leo XII. bestätigt, der ihr die Aufgabe gab „jene Menschen in den Schoß der Mutter der Barmherzigkeit zurückzubringen, die Jesus Christus an seinem Kreuz ihr als Söhne und Töchter geben wollte“. Bereits zu Lebzeiten des heiligen Gründers, der im Jahr 1837 Bischof von Marseille wurde, ging die Tätigkeit der Oblaten über die Grenzen Frankreichs hinaus: Im Jahr 1841 zogen die ersten Oblatenmissionare in die Indianermission in Kanada, worauf im Jahr 1847 die Übernahme der Mission auf Sri Lanka folgte. Eugen de Mazenod, der 1861 starb und 1995 heiliggesprochen wurde, bezeichnete Maria als die „Mutter der Missionen“. Die schwierigen arktischen Missionen unter den Inuit in Kanada stellte der Orden unter den besonderen Schutz der unbefleckten Jungfrau. Der selige Joseph Gérard, der Apostel von Lesotho, hatte eine kindliche Andacht zur allerseligsten Jungfrau und vermittelte diese auch seinen Christen. Am 7. Dezember 1863 schrieb er: „Es ist eine Freude für mich, wenn ich mir vorstelle, dass unsere Basotho mit den anderen Nationen die Seligkeit der heiligen Jungfrau preisen werden. Mögen auch sie anfangen zu sagen: ‚Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns!‘ Zwar tun sie es noch nicht aus ganzem Herzen und aus ihrer ganzen Seele, aber es ist Anfang; hoffen wir, dass die allerseligste Jungfrau ihnen den Rest lehren wird.“ Als seine Missionserfolge voranschritten, ,verbreitete sich auch die Andacht zu Maria unter dem Volk. Die Neugetauften begannen die Begrüßung der Oblatenmissionare untereinander zu verwenden: „Gelobt sei Jesus Christus – und die unbefleckte Jungfrau Maria“. Mit besonderem Eifer wurden auch die Maiandachten gepflegt.[1] So ist der Selige ein Vorbild des Ideals, das die Ordenskonstitutionen von 1966 im 6. Artikel zeichnen: „Sie [die Ordensmitglieder der Oblaten] werden in dieser Jungfrau einen Typus des Glaubens der Kirche erkennen und das vollkommene Vorbild für ihren eigenen Glauben, da sie Christus empfing, damit sie ihn mit der Welt teilen konnte, deren Hoffnung er ist. In ihren missionarischen Freuden und Leiden werden sie stets eng mit ihr, der Mutter der Barmherzigkeit, verbunden sein. Wo auch immer sie ihr Dienst hinführt, werden sie danach streben, in den Herzen der Menschen eine tiefe Andacht zur unbefleckten Mutter zu entfachen, die siegreich ist über alles Böse.“[2] Heute sind die Oblaten in zahlreichen Ländern vertreten. Der Sitz der mitteleuropäischen Provinz befindet sich im hessischen Hünfeld.



[1] Blessed Joseph Gérard, O.M.I. Apostle to the Basotho (1831–1914). Generalpostulat O.M.I. Rom 1991
[2] Jette, Fernand: The Missionary Oblate of Mary. Addresses and Written Texts, 1975–1985. Rom 1985


Sonntag, 14. Mai 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Kleinere Marienheiligtümer in den Missionsländern

Kapelle Unserer Lieben Frau vom Pass Otome
(Quelle: https://www.kankou-shimane.com/en/destinations/9398)

 Unsere Liebe Frau vom Lichte, Rota, Nördliche Marianen: Auf vielen Inseln der Nördlichen Marianen, die einst zu Spanien, dann zu Deutschland und Japan gehörten und seit Ende des Zweiten Weltkriegs ein Außengebiet der Vereinigten Staaten im Pazifik sind, wird die allerseligste Jungfrau unter besonderen Titeln verehrt. Auf der Insel Rota pflegen die Einheimischen die Verehrung der „Sainan Ina, Unserer Lieben Frau vom Lichte“. Das einfache Bild, das die Gottesmutter auf einer Wolke mit dem Jesuskind im Arm darstellt, wobei sowohl Mutter als auch Sohn je eine Kerze in der Hand halten, kam durch den seligen Jesuitenpater und Märtyrer Diego San Vitores über Mexiko nach Guam, wo er es dem König Taga der Insel Tinian zum Geschenk machte. Durch diesen kam das Bild nach Rota. Es erfuhr besondere Verehrung in den 1760er Jahren, als die Insel von andauernden schweren Erdbeben heimgesucht wurde. Der damalige Missionar, der Jesuitenpater Pedro, regte die Bevölkerung dazu an, ihre Zuflucht zu Unserer Lieben Frau vom Lichte zu nehmen. Alle Bewohner machten schließlich das Gelübde, in Zukunft ständig Kerzen vor dem Marienbild brennen zu lassen und jährlich ab dem 13. Mai eine Novene zu beten, an deren Ende ein Fest mit Prozession durch das Hauptdorf der Insel gefeiert wurde. Dabei wurde das Gnadenbild mitgetragen. Rota blieb nach Ende der ersten Novene von den schlimmsten Erdbeben verschont. Um immer für genug Lampenöl für die Erfüllung des Gelübdes zu sorgen, wurde ein 14 Hektar großes Stück Land mit Kokospalmen bepflanzt und trug darum den Namen Cocol de la Virgen – Kokospflanzung der Jungfrau.

Der Kapuzinerpater Korbinian, der von 1908 bis 1919 Missionar auf den Marianen war, gibt dem Bild folgende gemütvolle Auslegung: „Unwillkürlich fallen einem bei der Betrachtung des Bildes die Worte ein, die der Heiland gesprochen: ‚Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wandelt nicht in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben‘, und jene Stelle beim Evangelisten, wo bei der Aufopferung des göttlichen Kindes im Tempel der greise Simeon es ‚ein Licht zur Erleuchtung der Heiden‘ nennt. Maria aber trägt eine brennende Kerze in der Hand, weil sie dem ‚Lichte vom Lichte‘ das Leben geschenkt, ihr Leben nur ‚Licht‘ ist, und sie die Mahnung ihres göttlichen Sohnes: ‚So lasst denn euer Lichten leuchten‘, am vollkommensten erfüllt hat.“


Unsere Liebe Frau vom Pass Otome, Japan: Eine kleine Kapelle zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria bei Tsuwano in der südjapanischen Präfektur Shimane erinnert an die Christenverfolgung im Reich der aufgehenden Sonne, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts andauerte. Zwischen 1868 und 1871 wurden Katholiken aus Nagasaki und anderen Regionen von den heidnischen Behörden in die Gegend geführt, um sie dort unter verschiedenen Gewaltmitteln zum Abfall zu bringen. Einer der 153 Verbannten war Johannes Baptist Yasutaro, der in acht Tage lang auf dem Grundstück eines alten Shinto-Tempels in einen kleinen Käfig gefangen gehalten wurde. Bereits drei Christen waren bei winterlicher Witterung in dem Käfig zu Tode gekommen. Als er am dritten Tag von einem Katechisten[1] besucht wurde, der ihn trösten wollte, sagte dieser zu Johannes: „Es mag dir einsam sein, hier zu sterben“, worauf der Märtyrer entgegnete: „Nein, gar nicht einsam. Jede Nacht bis zur Morgendämmerung erscheint zu meinen Haupten eine wunderschöne Dame gleich dem Bilde der Santa Maria. Und ich glaube: es ist wirklich die heilige Maria. Mit zarter mütterlicher Stimme gibt sie mir gute Weisung und Trost. Aber sage es niemandem, solange ich noch am Leben bin!“ Nach fünf Tagen starb Johannes Yasutaro. 1951 wurde eine einfache Holzkapelle an der Stelle gebaut. Zwei Gipsfiguren stellen die Besuche dar, die Johannes Yasutaro in seinem Käfig von Maria erhielt. Noch heute ist der Ort Ziel von japanischen Wallfahrern.




[1] Eine andere Quelle berichtet von zwei Freunden, die in nachts heimlich besuchten.


Sonntag, 7. Mai 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Die Maiandacht in den Missionen

 Von Jos. Peters S.J.[1] 

In einem ausführlichen Artikel, der 1925 in Die katholischen Missionen erschien, beleuchtet P. Peters S.J. die positiven Einflüsse auf das religiöse Leben, die die damaligen Übungen der Maiandacht in den Missionsländern hervorriefen. So schreibt er: „Wir können (…) in voller Wahrheit sagen, dass im Allgemeinen die Maiandacht in den Missionen als eine Gelegenheit zu ernstem Tugendstreben aufgefasst wird, dass die Priester über besonderen Eifer im Sakramentenempfang berichten, dass auch die lieben Kleinen angehalten werden, durch kleine Opfer ihre Liebe zu Gottesmutter zu bezeigen. All die schönen Sitten, wie sie im Mai in unseren Erziehungsanstalten in Übung sind, und in denen besonders gute Ordensschwestern sich so erfinderisch zeigen, finden sich in den Missionen wieder. Auch die kleinen Neger schreiben Briefchen an die Muttergottes, sie wollten in diesem Monat recht brav sein und ihren Charakterfehler bekämpfen; auch in den Missionen bringen die Kinder jeden Morgen ein Sträußlein frischer Blumen zum Maialtar. Mit besonderer Vorliebe hören sie die „Marienbeispiele“. Namentlich in den vielen Waisenanstalten und den Findelhäusern ist der Mai ein Freudenmonat. Darüber wird nie eine Missionschronik gebührend berichten können, wieviel Trost und Kinderglück die Maiandacht mit ihren schönen und reinen Phantasiebildern in die empfänglichen Herzen dieser mutterlosen Waisen strahlt.

Hübsch beschreibt eine italienische Missionsschwester aus Mangalore, wie ihre Kleinen sich allabendlich um das festlich erleuchtete Marienbild im Hofe der Waisenanstalt versammeln. Eine auserlesene Schar gruppiert sich mit leuchtenden Sternen um den Maialtar. Dann singt man einige Marienlieder und betet das „Memorare“, um dann mit einem Kusshändchen von der Mutter Abschied zu nehmen. In der Veranstaltung echt kindlicher, naiver Maifeiern sind namentlich die Italiener und Spanier Meister. Sie treffen damit vollkommen den Geschmack der Missionsvölker, mag auch dabei nicht alles unserer Art entsprechen.

Ein liebliches Maibild entwirft ein französischer Salesianer aus Indien: ‚Auch im Mai kommen die Kinder gerne und knien am Altar der Muttergottes nieder. Sie sind noch ganz grau vom Staub der Felder, ihre Kattunläppchen starren von Schmutz. Einander stoßend und schiebend wie ein Schwarm aufgescheuchter Sperlinge ordnen sie sich um das Bild. Eines der Kinder reicht zum Bilde der himmlischen Mutter einen Arm voll indischer Blumen hinauf, und alle beginnen auf den Knien ihr Gebet. Das Thermometer mag 30–35 Grad zeigen: ihre Andacht wird dadurch nicht beeinträchtigt. Ein Ave löst das andere ab, und so würde es stundenlang dauern, wenn man diese Kinder gewähren ließe. Zum Schluss ihrer Andacht singen sie eines ihrer schönen Marienlieder in einheimischer Sprache.‘

Unter den Maisitten der Missionen verdienen besondere Erwähnung die Blumenhuldigungen. Auf den Philippinen treten an jedem Samstagmorgen des Mai unter dem Gesang des „Salve Regina“ die Anwesenden an den Altar und opfern ein Körbchen mit Blumen, das der Priester dann vor das Marienbild stellt. Weit kindlicher sind die in Mittel- und Südamerika üblichen Blumenhuldigungen durch weißgekleidete Mädchen, denen sich manchmal Knaben in den Trachten jugendlicher Heiliger, wie des hl. Stanislaus, des kleinen Johannes des Täufers usw., zugesellen. Es ist allerdings bezeichnend, dass man bei diesen Berichten in den Missionszeitschriften oft die Bemerkung findet: ‚Das Volk läuft eifriger zur Maiandacht als sonntags zur Messe‘, dass ferner ein brasilianischer Missionar die Bemerkung macht: ‚Erst die Teilnahme ihrer Kinder an der Blumenhuldigung veranlasst manche Eltern zur Erfüllung ihrer österlichen Pflichten.‘ Immerhin steckt in diesen Gebräuchen eine uralte katholische Überlieferung und eine Glaubensinnigkeit, die uns die wehmütige Erinnerung an frühere Jahrhunderte wachruft, wo auch unser Volk, unversehrt durch Protestantismus, Rationalismus und eine im Relativismus befangene vergleichende Religionswissenschaft, sich vertrauend unter dem weiten Mantel der hohen himmlischen Frau barg.

(…) Dass die Heiligen- und Marienverehrung in den Missionen bei Neubekehrten bzw. ins Heidentum Zurückgefallenen zu Irrungen und Aberglauben führen kann, ist eine Erfahrung aller Missionare, und P. Dr. Fontaine aus der Mission Assam hat auf dem Düsseldorfer Missionskursus 1919 darüber in einem Vortrag über den Kampf gegen den Aberglauben eine große Menge Stoff zusammengetragen. Die Gründe zu solchen Verirrungen liegen auf der Hand. Viele solcher Gründe vermag die Religionspsychologie aufzuweisen. Wir möchten hier nur an die Tatsache erinnern, dass sich in den Missionen bei den Marienprozessionen und an den Marienheiligtümern fast stets Heiden einfinden, die alle religiösen Übungen mitmachen und anstandslos der nach ihrer Meinung hier verehrten Göttin ein Kerzenopfer bringen. Die einheimischen Religionen haben fast alle ihre Fruchtbarkeitsgöttin oder eine Muttergottheit, die sie durch Opfer zu besänftigen suchen. (Nur in Klammer sei hier bemerkt, dass nirgends der Heide mit jenem kindlichen Vertrauen zu seiner Muttergottheit betet, wie der Christ bei der Anrufung Mariens.)

Welche Gefahren für eine Verdunkelung der Glaubensbegriffe in Sachen der Marienverehrung bei schlecht unterrichteten Christen bestehen können, mag ein Beispiel aus China beweisen, wo man einem Zerrbild der reinen Gottesmutter, der Göttin Koan-yin, ebenfalls einen ganzen Monat weiht und ihr Gelübde und Geschenke macht. Sie ist die liebenswürdigste Göttin im buddhistischen Götterhimmel und in dem ihr geweihten Monat flattern auf den Küstenschiffen lange Wimpel mit der Inschrift: „Himmlische Königin! Heilige Mutter des Himmels!“ Man darf die Gefahr solcher heidnischen Gebräuche für eine gutunterrichtete Christengemeinde nicht überschätzen, aber man möchte anderseits auch wünschen, dass gewisse Beispiele von Marienverehrung, die bisweilen in den populären Missionszeitschriften auftauchen, auf ihre religiöse Grundanschauung untersucht werden. Die im Gottesdienst der Heidenmission gebrauchten Weiheformeln an Maria sollten auf jeden Fall an dogmatischer Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen. An der Hand der himmlischen Mutter und in Nachfolge ihres Tugendbeispieles sollen die Neuchristen zum Heiland kommen, „auf dass sie in der Liebe festgewurzelt sind“ und „zu erfassen vermögen ihre Breite und Länge, ihre Höhe und Tiefe und die Liebe Christi erkennen, die alle Begriffe übersteigt, und dadurch ganz von Gott erfüllt werden“ (Eph. 3, 16–21).

Gegenüber einzelnen Gefahren einer unerleuchteten Marienverehrung steht der herrliche Segen, den die Maiandacht verbreitet. Die Gnaden für Leib und Seele, die Marias mächtige Fürbitte vermittelt, entziehen sich allzu oft menschlicher Berechnung und Feststellung. Aber auch der nicht im Glauben erleuchtete Verstand vermag die Wirkungen der Marienverehrung auf dem moral- und religionspädagogischen Gebiete festzustellen. Welch ein hohes Vorbild ist den im Sumpf der Unsittlichkeit versunkenen Völkern das Bild der reinsten Gottesmutter, jenen Völkern, die oft erst ganz langsam zum Verständnis des christlichen Reinheitsideals gebracht werden können! Wir wollen einem praktischen Missionar das Wort geben, um den Segen der Maiandacht zu kennzeichnen. Ein Pallottiner berichtete vor 12 Jahren aus Kamerun: ‚Speziell in Kamerun wird die Neuchristen recht bald die Maiandacht gelehrt, und nun übt man sie mit großem Eifer. Wir sind uns bewusst, damit dem Neger ein Stück wahren Christentums gelehrt zu haben. Weit davon entfernt, dass der Eingeborene, wie Andersgläubige meinen, götzendienerische Ideen mit dieser Andacht verbindet, empfängt er aus der Gnadenhilfe der Hochgebenedeiten und aus der Anregung gerade der Maiandacht nachhaltige religiöse Hilfe. Besonders das weibliche Geschlecht erhält da Antriebe für das praktische Tugendleben, die umso nötiger sind, als die Frau bei den meisten Heiden aus dem Bannkreis niedrigster Auffassung von ihrer Bestimmung nicht herauskommt. Wie wohltuend und segensreich muss da nicht eine Andacht sein, die ferner die Neger Hochachtung gegen eine Angehörige des von ihnen so tief eingeschätzten und so roh behandelten weiblichen Geschlechts lehrt! Es kann nicht ausbleiben, dass Maria mit ihrer Bedeutung im Christentum und im kirchlichen Andachtsleben ihrem Geschlecht eine Stellung erringen hilft, die die notwendige Grundlage für die wahre Kultur und tieferes Christentum ist. Allen diesen Nutzen erhoffen wir in Kamerun aus der Verehrung Mariens, vor allem aus der Maiandacht.‘

Die Maiandacht hat sich heute über die ganze Erde verbreitet. Da aber der Monat Mai auf der südlichen Halbkugel in den Herbst fällt und in den Tropen oft die unangenehmste und heißeste Jahreszeit einleitet, so musste sich die Missionskirche die Frage vorlegen, ob es nicht angebrachter wäre, den Marienmonat, der mit dem Frühlingsbeginn so enge symbolische Verbindung hat, auf eine andere Jahreszeit zu verlegen. Man musste dann freilich auf eine besondere Feier des Rosenkranzmonats zumeist verzichten, oder beide Feiern zusammenlegen, oder schließlich den Rosenkranzmonat in der Zeit begehen, wo auf der nördlichen Erdhälfte Frühling ist. Viele Missionare traten entschieden für die gleichzeitige Feier der Maiandacht auf der ganzen Erde ein, mit der Begründung, dass die Feier des Maimonates mit dem katholischen Empfinden so stark verwachsen, und dass es ein so tröstliches Bewusstsein sei, wenn im Mai auf der ganzen Erde Maria gepriesen werde. Aus diesem Grunde hat man in Australien die zeitweise auf den August (die schönste Jahreszeit in Australien) verlegte Maiandacht wieder zurückverlegt. In Indien hat man sich auch nicht zu einer Verlegung entschließen können; man feiert allerdings die Maienkönigin nur wenig im Mai, desto mehr aber im schöneren Monat Oktober, wenn frische Blumen in Fülle zur Verfügung stehen. (…) An eine Verlegung des Rosenkranzmonates ist man bisher unseres Wissens nirgendwo herangetreten.

Der Gedanke an eine einheitliche Maifeier ist durch die geschichtliche Entwicklung, die von der Kirche wohl kaum rückgängig gemacht wird, praktisch in verneinendem Sinne gelöst worden. In Chile, Paraguay, Uruguay und Argentinien begeht man den Marienmonat im November, und zwar gewöhnlich vom 8. November bis 8. Dezember, wo das Fest der Unbefleckten Empfängnis einen guten Abschluss bildet. In Patagonien haben die Salesianer mit Rücksicht auf die im November mit der Sorge um ihre Herden stark beschäftigten Indianer den Marienmonat auf die Zeit vom 9. Oktober bis 10. November verlegt. Aus Mariannhilll [Südafrika] liegt gleichfalls eine Nachricht über die Maifeier im November vor. Die Kopten in Ägypten feiern die Maiandacht im Dezember, wenn nach der Nilüberschwemmung das Land sich mit frischem Grün bedeckt. Zieht man noch in Rücksicht, dass die griechisch unierte Kirche in der vierzehntägigen Vorbereitungszeit auf das Fest Mariä Heimgang im August und an den Freitagen der Fastenzeit auch eine Art Maiandacht hält, so muss man zugeben, dass von einer zeitlichen Gleichheit in der Feier des Marienmonats nicht die Rede sein kann. Wir halten es auch für eine sehr kluge Anpassungsmaßnahme, wenn die Kirche in den Missionen die namentlich in den subtropischen Gegenden bestehenden Frühlingsfeiern adelt und verchristlicht, wie sie es bei unseren Altvordern getan hat. Es ist zudem auch ein religiös erhebender Gedanke, dass überall, wo auf Erden der Frühling erblüht, fromme Lieder zur himmlischen Königin erschallen, die uns in Christus den Frühling der Erlösung schenkte.



[1] Peters, Jos. S.J.: Maria Maienkönigin. In: Die katholischen Missionen, Xaverius-Verlagsbuchhandlung, Aachen 1925

Sonntag, 30. April 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Unsere Liebe Frau von La Vang (Vietnam)

 

Moderne Statue unserer Lieben Frau von La Vang auf dem Gelände des Wallfahrtsorts (Quelle: Hoangvantoanajc)


Nachdem der neue vietnamesische Kaiser Canh Thinh im Jahr 1798 die katholische Religion in seinem Reich verboten hatte, flohen Katholiken aus der Gegend der Kaiserstadt Huế in den Dschungel von La Vang. Dort suchten sie im Rosenkranzgebet Hilfe in ihrer Notlage, und eines Tages erschien ihnen die allerseligste Jungfrau mit dem Jesuskind auf dem Arm, sprach ihnen Trost zu und riet ihnen, mit den Blättern der umliegenden Bäume eine Art Tee zu kochen, um Krankheiten zu heilen. Von der Erscheinung der Mutter Gottes werden folgende Worte überliefert: „Vertraut mir, denn ich habe eure Gebete erhört. Von nun an werde ich alle diejenigen segnen, die mich an diesem Ort anrufen.“[1] Die Verfolgten konnten 1802 in ihre Dörfer zurückkehren und berichteten ihrem Umfeld von der himmlischen Erscheinung. In der Folge bauten die Katholiken in La Vang eine Kapelle, die in den späteren Verfolgungszeiten zahlreiche Male zerstört, von den Gläubigen aber immer wieder aufgebaut wurde. Nachdem die Christenverfolgungen in Vietnam mit der französischen Herrschaft über das gesamte Land zum Ende gekommen war, ließ der Apostolische Vikar von Huế, Msgr. Marie-Antoine-Louise Caspar M.E.P., eine große Kirche in La Vang bauen, die er vom 6. bis 8. August 1901 im Beisein von 12.000 Pilgern einweihte. Bald war auch diese Kirche zu klein, sodass eine größere an ihrer Stelle gebaut wurde, die am 22. August 1928 im Beisein von 20.000 Pilgern eingeweiht wurde. Im Jahr 1959 wurde sie anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Einführung des Christentums in Vietnam zum Nationalheiligtum des Landes, und Papst Johannes XXXIII. erhob sie 1961 zur Basilica minor. Im selben Jahr fand an dem Wallfahrtsort ein marianischer Kongress unter großer Teilnahme von einheimischen und französischen Bischöfen, weltlichen Behörden und zahlreichen Gläubigen statt. Die vietnamesische Bischofskonferenz erklärte La Vang am 13. April 1961 zum nationalen marianischen Zentrum.

Die ursprüngliche Basilika, die im Jahr 1972 bis auf den Kirchturm zerstört wurde (Quelle: Sciacchitano) 
 

Gegen Ende des Vietnamkriegs wurde die Kirche vollständig durch Artilleriebeschuss zerstört. Nach der Vereinigung von Nord- und Südvietnam weigerte sich die kommunistische Regierung lange Zeit, die Kirche wieder aufzubauen. Die Verehrung des Volkes überdauerte auch diese schweren Zeiten, und im Jahr 2012 wurde der Bau einer neuen Basilika im asiatischen Stil begonnen, die vor der Fertigstellung steht. An den Feierlichkeiten zum Fest Mariä Himmelfahrt nahmen im Jahr 2019 insgesamt 80.000 Personen teil. Besonders Papst Johannes Paul II. betonte die Bedeutung dieses Wallfahrtsorts für die Kirche in Vietnam, etwa als er am Weltjugendtag in Denver im Jahr 1993 die vietnamesische Kirche unter den Schutz unserer Lieben Frau von La Vang stellte.



[1] https://www.ucanews.com/news/vietnams-our-lady-of-la-vang-lifts-pilgrims-spirits/97389



Sonntag, 23. April 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Der Muttergottesbaum in Matarieh (Ägypten)

Einer der ältesten und zugleich einer der wenigen Marienwallfahrtsorte, der direkt mit dem irdischen Leben der allerseligsten Jungfrau Maria in Zusammenhang gebracht werden kann, ist der Muttergottesbaum von Matarieh, der sich heute im Bezirk Al Matariyah in der ägyptischen Hauptstadt Kairo befindet.

Die Überlieferung berichtet, dass die Heilige Familie sich nach ihrer Flucht nach Ägypten in Heliopolis, der „Sonnenstadt“ (ägyptisch Pi-Ra, Wohnung der Sonne), niederließ. Diese im Altertum berühmte Stadt verfügte neben einem großen Sonnentempel über Schulen für Philosophie und Astronomie, in denen die heidnischen Priester studierten. Der biblische Patriarch Joseph heiratete Aseneth, die Tochter des Oberpriesters Putiphar, und wohnte dort. Möglicherweise hat auch Moses dort die ägyptischen Wissenschaften studiert. Zur Zeit des Herrn war Unterägypten Heimat zahlreicher Juden, die sich in der Umgegend des Tempels von Leontopolis niederließen. Weil Heliopolis bereits teilweise in Ruinen lag, so wählte die Heilige Familie Matarieh, einen kleinen Vorort Heliopolis’ mit einer großen jüdischen Bevölkerung. Da die ägyptischen Wohnhäuser zu jener Zeit aus Lehm waren, sind keine Überreste mehr von dem Heim der Heiligen Familie übrig, doch bis zum heutigen Tag wird ein anderes Relikt des Aufenthalts des Gottessohnes und seiner gebenedeiten Mutter dort verehrt: Der Muttergottesbaum von Matarieh. Es handelt sich dabei um eine Maulbeerfeige oder Sykomore (Ficus Sycomorus L.), wie sie im östlichen Mittelmeerraum und Afrika weitverbreitet ist. Der Baum wird auch in der Heiligen Schrift erwähnt. Unter einem solchen Baum, so die Überlieferung, soll sich die Heilige Familie ausgeruht bzw. Schutz gefunden haben.[1] In der Nähe dieses Baumes befindet sich eine Quelle. Im Bericht deutscher Wallfahrer aus dem Jahr 1484 heißt es: „Neben uns sehen wir die geweihte Quelle, aus der die glorreiche Jungfrau, Jesus, die Quelle der Frömmigkeit, und Joseph, das Beispiel aller Tugenden, ihren Durst gestillt haben. Nach einer alten Überlieferung unserer Vorfahren kam Joseph, da er auf Befehl des Engels aus dem Lande Israel floh, mit dem Kinde Jesus und seiner Mutter an diesen Ort. Von Durst gequält, bat er in allen Häusern Matariehs um Wasser, aber niemand gab ihm etwas. Ganz erschöpft und ermüdet von der Reise setzte sich die allerseligste Jungfrau mit dem Jesuskind und Joseph unter einen Baum nieder, und siehe da: plötzlich sprudelte an ihrer Seite eine Quelle hervor, und sie konnten sich erquicken.“

Der Ableger des ursprünglichen Baumes zu Beginn des 20. Jahrhunderts 
('Abre di la Viere - Matarieh (1904)' postcard sent by Charles Boddington 2021, Museum of Applied Arts & Sciences, accessed 23 April 2023, <https://ma.as/364278>)

Die Quelle wird schon in frühen christlichen Texten erwähnt, so in einer Predigt des Patriarchen Theophilus, der im Jahr 406 starb. Auch das apokryphe Evangelium über die Kindheit Jesu berichtet im 24. Kapitel: „Als die erhabenen Flüchtlinge die götzendienerische Stadt verließen, gingen sie zu einer Sykomore, die man heute den Baum von Matarea nennt; und zu Matarea ließ der Herr Jesus eine Quelle hervorsprudeln, in welcher Maria, die allerseligste Jungfrau, das Unterkleid des göttlichen Kindes wusch.“ Tatsächlich scheint es an diesem Ort eine Süßwasserquelle gegeben zu haben, während sich die Brunnen aus der Umgegend aus dem Nilwasser speiste, das in den Grund einsickert. Jedoch hat sich der Boden in den Jahrhunderten derart gehoben, dass heute das Quellwasser bereits mit dem Grundwasser aus dem Nil vermischt werden müsste. P. Jullien berichtet, dass das Wasser aus Matarieh tatsächlich weniger salzig war als das Grundwasser der Umgegend, das das Salz aus dem Boden löste. Nach der muslimischen Eroberung gewann die Quelle ein solches Ansehen, dass der ägyptische Sultan vermutlich im 13. Jahrhundert dort einen Landsitz bauen ließ, dessen Balsambaum-Garten nur mit dem Wasser aus der Quelle gegossen wurde. Die osmanischen Paschas in Ägypten zogen das Wasser aus Matarieh jedem anderen Trinkwasser vor.

Matarieh muss einst über eine bedeutende koptische Kirche verfügt haben, deren Kirchweihe in allen koptischen Kirchen Ägyptens und Äthiopiens am 8. Paoni des koptischen Kalenders, dem 15. Juni des gregorianischen Kalenders, unter dem Titel „Gedächtnis der Einweihung der Kirche der Jungfrau von Heliopolis und der wunderbaren Quelle“ gefeiert wurde. Möglicherweise war dies gar die Kathedrale des Bischofs von Heliopolis, dessen Bistum sich zur Zeit des Konzils von Ephesus im Jahr 431 nachweisen lässt. Sie wurde wohl zwischen dem 6. und 12. Jahrhundert entweder beim Schisma der Kopten oder bei der islamischen Eroberung zerstört, die auch einen Wiederaufbau im Jahr 1154 verhinderten, indem sie die im Bau befindliche Kirche plünderten und zu einer Moschee machten. Im 16. Jahrhundert bauten europäische Kaufleute aus Kairo in Matarieh eine Kapelle. Der Franziskanerpater Bernardin Amico, dessen Orden mit der Pflege der Kapelle betraut war, berichtet über den Bau: „Die Katholiken haben dort [in Matarieh] zu Ehren der Himmelskönigin eine Kapelle erbaut, welche noch besteht. Man sieht sie, wenn man den vor dem Garten befindlichen Hof betritt, rechts, etwa zehn Schritte von der Sakyeh. Das Innere derselben ist nur ein durch einige Treppenstufen in zwei Teile geschiedener Saal. Ein in den Boden gemauertes längliches Bassin, eine durch eine Lampe erhellte Nische in der Wand rechts, und im Vordergrund ein als Altar dienender Steintisch bilden den ganzen Schmuck. Man sagt, dass Maria in dem Bassin die Kleider des göttlichen Kindes wusch, dass sie dasselbe auf dem Stein ruhen ließ und dass sie an dem durch die Nische bezeichneten Ort betete. (…) An jedem Samstag, an den Feiertagen und an allen Muttergottesfesten wird hier die hl. Messe gelesen.“ Zwischenzeitlich wurde die Kirche von Ibrahim Pascha in eine kleine Moschee umgewandelt; nach seiner Absetzung erlaubten die Türken jedoch wieder den Christen das Gebet dort. In den folgenden Jahrzehnten verfiel die Kapelle zusehends und verschwand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die französischen Jesuiten in Kairo, allen voran P. Michel Jullien, der der bedeutendste Forscher auf dem Gebiet der Geschichte von Matarieh war, bauten in den 1890er Jahren eine Kirche, die diesen weniger bekannten Wallfahrtsort des Heiligen Landes – denn dazu gehört ja auch Ägypten – ehren sollte: 

„Seit einigen Jahren nun zeigt ein neues würdiges Heiligtum dem Pilger die Stelle an, wo die heilige Familie im Lande Ägypten gewohnt hat. Es ist das Werk der im Kolleg der heiligen Familie zu Kairo wirkenden französischen Jesuiten und besonders P. Julliens, der sich um die Erforschung der mit der Heiligen Schrift und der Kirchengeschichte in Verbindung stehenden Stätten so hohe Verdienste erworben hat. 

Schon von ferne grüßt aus der Mitte der Fassade auf rotem Marmorgrund dem Pilger die Inschrift entgegen: Sanctae familiae in Aegypto exsuli (Der heiligen Familie in ihrer ägyptischen Verbannung geweiht). 

Dieses Wort bringt denn auch die Idee zum Ausdruck, welche der Ausführung des schönen Heiligtums zu Grunde gelegt ist. So rufen die beiden eng aneinander liegenden Rundbogenpforten, wie man sie wohl bei Synagogen findet, die zwei Tafeln des alttestamentlichen Gesetzes ins Gedächtnis, unter dem die heilige Familie während ihrer Verbannung lebte. 

Anlehnend an die Legende, wonach bei der Ankunft des Heilandes die Götzenbilder von Heliopolis stürzten, wurden die tiefen Fundamente aus Ziegeln und Scherben des alten Sonnentempels von Heliopolis gelegt. Das Innere, ohne Reichtum, aber in schöner Einfachheit und Lichtfülle, strahlt in lieblichen, ruhigen Tönen den Frieden und die Reinheit wieder, welche die heilige Familie nach Ägypten gebracht. In einer Nische über dem Hochaltar, umrahmt von harmonisch angeordneten Bogen, Gewölben und Skulpturen, umleuchtet von mildem, bläulichen Scheine, thront die Gruppe der heiligen Familie, das Werk eines Lyoner Meisters.

Zwei Seitenaltäre zieren liebliche Statuen des hl. Antonius von Padua und des hl. Stanislaus Kostka, beide mit dem Jesuskind auf dem Arm. 


Am 8. Dezember des Jubiläumsjahres der Unbefleckten Empfängnis nahm der Apostol. Präfekt des Nildeltas unter zahlreicher Beteiligung von Pilgern aus Kairo und Umgebung die feierliche Weihe des Heiligtums vor. Eine Widmungstafel aus Marmor soll kommende Geschlechter daran erinnern, wie aus dem Vaterland Verbannte der verbannten heiligen Familie dieses Denkmal gesetzt. Sie trägt die Inschrift: ‚Französische Ordensleute, durch die gegenwärtige Verfolgung vertrieben, weihen als Zeichen der Liebe und Hoffnung auf ihre Rückkehr ins Vaterland der verbannten heiligen Familie dies Heiligtum.‘

Die Verehrung der heiligen Stätten hat im Laufe der letzten Jahre einen bedeutenden Aufschwung genommen. Ordensgemeinden, Bruderschaften, Vereine und Privatpersonen Kairos pilgern zu der heiligen Kapelle von Matarieh, und die Pilger nach dem Heiligen Land strömen in Scharen herbei, um die Ablässe zu gewinnen, welche an den Besuch des Heiligtums geknüpft sind.

Vor einem Jahre reihte nämlich der Heilige Vater die Kapelle von Matarieh den heiligen Stätten zweiter Ordnung ein, so dass dieselbe, was Würde und Vorrechte betrifft, den Heiligtümern von Tabor, der Werkstätte des hl. Joseph, der Kreuzauffindungs- und Mariä-Heimsuchungskirche, dem Josephs- und Unschuldig-Kinder-Altar in der Grotte von Bethlehem usw. ebenbürtig zur Seite steht.“[2]

Die Kirche der Heiligen Familie liegt heute genauso wie der Muttergottesbaum wenige Hundert Meter von der U-Bahn-Station El Matarya. Sie befindet sich in weitgehend unverändertem Zustand.

 

Gebet zur Heiligen Familie

„Heilige Familie, Maria und Joseph, die du zu Matarieh trotz der Entbehrungen und Demütigungen der Armut, der Einsamkeit der Verbannung, unter Verfolgung und Todesgefahr glücklich und zufrieden gelebt hast, weil Jesus in eurer Mitte war, und seine Gnade in euren Herzen regierte, erlanget den Pilgern die Gnade, dass Jesus in ihren Familien herrsche, ihnen Geduld und Frieden verleihe in den Prüfungen, und das Vertrauen, bald davon befreit zu werden.

Göttliches Kind Jesus, Du bist nach Ägypten gekommen und hast dort in den ersten Jahrhunderten Deines Gesetzes der Gnade die höchsten Tugenden erblühen lassen; gib, dass Deine Liebe und die christlichen Tugenden in diesem mit irdischen Gütern so reich gesegneten Lande auch jetzt wieder erblühen.“

 

Möge dieses Gebet des P. Jullien sich auch in unseren Tagen erfüllen.



[1] Der heute in Al Matariyah befindliche Baum ist wohl ein mehrere Generationen vom ursprünglichen Baum entfernter Ableger, da die über die Jahrhunderte beschriebenen Bäume deutlich unterschiedliche Formen aufwiesen. Der jetzige Baum ist im Jahr 2013 zusammengebrochen und wurde in der Folge beschnitten. Aus zwei Ästen hat sich mittlerweile ein neuer Baum gebildet.

[2] Ein afrikanisches Heiligtum. In: die katholischen Missionen. Herder’sche Verlagsbuchhandlung, Freiburg 1908