„Als nun diese Stimme erscholl, kam die Menge zusammen und
entsetzte sich; denn es hörte ein jeder sie reden in seiner Sprache.“
Andächtige Christen! Die Menge der Juden hatte das Brausen des Sturmes, der die
Ankunft des Heiligen Geistes verkündigte, vernommen. In dichten Massen drängten
sie sich um den geheimnisvollen Abendmahlssaal. Derselbe Geist, der die Apostel
antreibt, hinauszutreten und zu der Menge zu reden, derselbe Geist treibt auch
sie an, dies Haus zu umlagern, das in seinen Mauern die eben geborene Kirche
Christi birgt. Das Apostelhaus, das neue Sion, wird der Sammelpunkt, an welchem
die Menge der Völker zusammenkommt. „Es
waren aber zu Jerusalem Juden wohnhaft, gottesfürchtige Männer, aus allerlei
Völkern, die unter dem Himmel sind.“ „Parther, Meder, Älamiter und Bewohner von
Mesopotamien, Judäa, Kappadozien, Pontus und Asien, von Phrygien und
Pamphylien, Ägypten und von den Gegenden Libyens bei Cyrene…, Ankömmlinge von Rom,
Juden und Judengenossen, Kreter und Araber.“
So steht auch heute noch, andächtige Christen, das
Apostelhaus auf Sion, unsere heilige Kirche, als die Stätte, als der
Vereinigungs- und Einigungspunkt, an welchem die Menge der Völker, wenn ihre
Stimme erschallt, zusammenkommt. Unsere Kirche ist wahrhaft die Kirche Christi,
weil sie die eine Völkerkirche, die allgemeine, katholische Kirche ist. Ihre
Missionstat ist die Verwirklichung der Pfingsthoffnung: „Sende aus deinen
Geist, und sie werden neu geschaffen, und du wirst das Angesicht der Erde
erneuern.“
Das Jerusalem des Pfingstfestes wird durch die Ausgießung des
Heiligen Geistes zum erklärten Gegensatz Babels. Dort, beim Beginn der Völkergeschichte,
wurde die ursprüngliche Einheit in die Vielheit und Verschiedenheit der
Sprachen und Religionen, der Götter und Kulte, der Stämme und Nationen
aufgelöst. Hier lernen sich die Völker wieder verstehen. Dort trennten sich die
Wege der Menschheit. Hier in Jerusalem führen sie wieder zusammen, insofern
alle Menschen in der Einheit des Glaubens, in der einen Familie der Kinder
Gottes, in der einen, alle Völker und Zeiten umfassenden Kirche Christi
vereinigt werden sollen.
Noch ein anderer Gegensatz waltet zwischen Babel und
Jerusalem. Dort in Babel hatte der verblendete Menschengeist gesprochen: „Lasset
uns einen Namen machen!“ Hier aber spricht der Gottesgeist, und den Inhalt
seiner Worte verkündet die staunende Volksmenge: „Wir hören sie in unsern
Sprachen die Großtaten Gottes aussprechen.“ Die Großtaten Gottes! Das war es,
was die Menschen vergessen hatten und die Apostel wieder verkündigten. Die
Großtaten Gottes in der Erschaffung, in der Erlösung, in der Heiligung und Beseligung,
das ist’s, andächtige Christen, was die Heiden nicht kennen und was ihnen die
Mission bekannt geben muss. Die Mission verkündet den Völkern in ihren Sprachen
die Großtaten Gottes. O dass diese Missionskunde in Sturmesbrausen über das
weite Erdenrund dahinfahre! O dass diese Missionsbotschaft in Feuerflammen über
die Völker komme! Die Pfingsterleuchtung muss über die Heidenwelt kommen. Die Pfingstbitte
muss unsere Missionsbitte und die Pfingsthoffnung unsere Missionshoffnung sein.
(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)