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Mittwoch, 9. Mai 2012

Fanatismus der Mohammedaner — Entwicklung der Mission im Nildelta


Personal des Priesterseminar für afrikanische Missionen in Kairo


Bekanntlich besitzt das Lyoner Seminar für afrikanische Missionen in den volkreichen Städten Unterägyptens blühende Christengemeinden. Über den Stand der Mission in der 30.000 Einwohner zählenden Stadt Mahallet-el-Kebir am Nilarm von Damiette gehen uns vom Oberen, P. Bacheret, folgende Einzelheiten zu:


„Unsere Christen bereiten uns große Freude. Die Kapelle erweist sich oft zu klein, da die Maroniten vom Libanon und auch die Kopten (Anmerk. die katholischen Kopten) den Gottesdienst sehr eifrig besuchen. Fast jeden Sonn- und Festtag sehen sich Missionäre und Kinder infolge des Andranges von Andächtigen gezwungen, sich in eine kleine Sakristei einzupferchen, von wo aus ihnen weder ein Ausblick auf den Altar noch auf den Priester gestattet ist. Die heilige Kommunion wird häufig empfangen, und was das Erfreulichste ist, die Männer bleiben hinter den Frauen nicht im Mindesten zurück. Und doch bildet nicht etwa der Glanz des Gottesdienstes den Anziehungspunkt für die orientalische Bevölkerung. Zu solcher Prachtentfaltung ist die provisorische Kapelle viel zu armselig.“

Am 15. Januar 1902 wurde die von Schwestern und Missionären geleitete Missionsschule in einem eigenen Gebäude untergebracht. Nicht weniger als siebenmal innerhalb acht Jahren sahen sich Schüler und Lehrer gezwungen, andere Räumlichkeiten aufzusuchen. Anfangs hatte man sich in einem alten Gebäude eines Mohammedaners eingemietet.

Schon nach kurzer Zeit kündigte der Besitzer, gedrängt durch seine fanatische Verwandtschaft, die eine katholische Kapelle in einem muselmännischen Hause ungern sah. Mit Ausnahme eines verlassenen Palastes des Khedive Abbas I. erwiesen sich alle gemieteten Räumlichkeiten als ungesund, waren baufällig und hatten nur unzulängliche Beleuchtung.
Die Schülerzahl stieg denn auch seit dem 1. März bis auf 60. An den französischen Vertretern in Ägypten findet die Schule werktätige Unterstützung. Die Schülerzahl in den verschiedenen französischen Missionsanstalten in Tanta, Mahallet-el-Kebir, Zagazig, Ziste und Zeïtun beläuft sich, trotz der gewaltigen protestantischen Konkurrenz, gegenwärtig auf 1200 Knaben und Mädchen.
„In jeder Missionsniederlassung haben Schwestern ihre Armenapotheken errichtet. Die von Mahallet ist leider in einem sehr primitiven Zustand. Es findet sich nicht einmal ein kleiner Saal, worin der syrische Arzt seine unentgeltlichen Operationen vornehmen könnte. Ein feuchtes Zimmerchen dient zugleich als Krankenraum und als Empfangszimmer für den Arzt. Gewiss ein großer Übelstand in Anbetracht der 200 bis 300 Hilfsbedürftigen, die täglich vorsprechen.“

Die Hingabe der Schwestern darf in der Tat als heroisch bezeichnet werden, in Anbetracht der Krankheiten, die nach dem Zeugnis der Missionäre nirgends Schrecklicher auftreten als in Ägypten.

Da bringt z.B. einmal ein mitleidiger Beduine einen Menschen auf seinem Kamel aus dem Inneren der Wüste nach Zagazig und lädt ihn auf der Straße vor dem Krankenhaus ab. Die Nachbarn fliehen vor dem unerträglichen Geruch. 


Nur die Schwester Stephanie eilt herbei und untersucht die in Fäulnis und Würmer übergangene Wunde des Armen. „Im Namen des allbarmherzigen Allah“, ruft der Beduine, „gib mir Gift, ich halte das Leben nicht mehr aus. Ich wollte mich unter das ‚Babur‘ (vapeur=Lokomotive) legen, aber es misslang.“ Mit heldenmütiger Selbstüberwindung reinigt die Schwester die Wunde. „Der Brand ist zu weit fortgeschritten,“ sagt sie, „das Bein muss abgenommen werden.“ —„Nein, nein,“ schreit der Araber „was sollte mir dies helfen, ich sterbe lieber. Bringe mir Gift, und dann sterbe ich auf dem Platz. Nur gib mir noch einen Tropfen Wasser, essen kann ich nichts…“
Die Schwester tröstet und pflegt den Unglücklichen bis zu seinem Tod. — Das ist nur ein Fall christlichen Opfermuts von den vielen. Sprechen doch in dem einzigen Krankenhaus von Zagazig jährlich 30.000 Kranke vor, das macht in den 20 Jahren seines Bestehens 600.000 verpflegte Unglückliche.
Namentlich zeigt sich die Aufopferung zur Zeit der Pest, die in den unterägyptischen Städten wegen ihrer Lage an dem Seeweg nach Indien fast jährlich mehr oder minder stark auftritt. So hielten im letzten Jahr, als von den 40.000 Einwohnern von Zagazig 15.000 auswanderten, die Schwestern tapfer aus.

Diese Aufopferung der Schwestern und Missionäre verfehlte denn auch nicht ihren wohltätigen Einfluss auf Mohammedaner und Schismatiker (Anmerk. die schismatischen, die sogenannten "orthodoxen" Kopten) und ließ die Kälte, um nicht zu sagen die feindselige Haltung der ersten Jahre allmählich einer offenbaren Zuneigung weichen.


Leider sollte am 13. Mai dieses Jahres der unter der Asche glimmende Fanatismus wieder in hellen Flammen aufschlagen. Gegen 50 Ortschaften des Deltagebietes wurden um diese Zeit Opfer von Brandstiftung, wobei nach amtlichen Listen 50 Personen das Leben einbüßten; doch soll diese Zahl nach den Berichten der Missionäre unter der Wahrheit bleiben. 

Wie es sich nicht anders erwarten lässt, legte die fanatische Bevölkerung die Brandstiftung den Christen zur Last, und die ersten Opfer der Volkswut sollten zwei Missionäre sein.

P. Chabert, der Obere von Zagazig, und P. Youens hatten sich, sobald sie die geröteten Rauchwolken aufsteigen sahen, zur Hilfeleistung nach dem 6 km entfernten Dorfe Khanaiat begeben. Kaum auf der Brandstätte angelangt, wurden sie von bewaffneten Fellahmännern und –frauen mit wildem Geschrei und Todesdrohungen empfangen. Der Hinweis auf die gespendeten Wohltaten fruchtete nichts, und ebenso wenig richtete die Einsprache gutgesinnter Mohammedaner und Beamten aus.
Die Missionäre wurden mit Stöcken geschlagen, dass ihnen das Blut aus Mund und Nase strömte. 
Schon machten sie sich zum Opfertode bereit und erhoben die Hand zur gegenseitigen Lossprechung. Da wurde P. Chaberts erhobene Rechte durch einen Stockschlag niedergeschmettert und P. Youens beinahe erdrosselt.
Die rasende Menge schickte sich bereits an, die beiden Bekenner ins Feuer zu werfen. Im Augenblick der höchsten Not gelang es dem Polizeichef im Verein mit mehreren mutigen Männern, die Opfer der Rotte zu entreißen und in die I. Klasse eines bereitstehenden Eisenbahnzuges zu retten.
In einem erbarmungswürdigen Zustand kamen die beiden Patres in Zagazig an: ohne Hut, die Soutane zerfetzt, Gesicht und Hände mit Blut und Staub beschmutzt. Auf das energische Einschreiten des bevollmächtigten Vertreters Frankreichs wurde ihnen 14 Tage hernach volle Sühne zuteil. Seine Exzellenz der Mudir (Gouverneur) der Provinz Charkieh, an der Spitze von etwa 20 Ortsvorstehern und 50 einflussreichen Persönlichkeiten und in Gesellschaft des französischen undenglischen Konsuls, begleitete die Patres in das schuldige Dorf.
Der Mudir warf den Ortsbehörden Mangel an Energie vor und wies die Einwohner auf die Wohltaten hin, welche ihre Kinder und Kranken den Missionären zu verdanken haben. Die Lokalbehörden mussten feierliche Abbitte leisten.
Es ist dies der erste gewalttätige Angriff auf die Missionäre seit ihrer Ankunft im Jahr 1877.



(Aus: die katholischen Missionen, 1903)

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