Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier

Samstag, 20. Mai 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Missionsgesellschaften unter dem Patronat Marias (Teil 1)

Missionsgesellschaften unter dem Patronat Marias

Die großen Orden der Kirche, die Benediktiner, die Franziskaner und Dominikaner sowie in neuerer Zeit die Jesuiten haben maßgeblich zur Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria in den Ländern Europas beigetragen und diese Verehrung auch in den ihnen übertragenen Missionsgebieten gefördert.

Mit dem Wachstum der äußeren Missionen entstanden im 18. und 19. Jahrhundert verschiedene Ordensgemeinschaften und Kongregationen, die speziell zum Zweck der Missionsarbeit gegründet wurden. Viele dieser Gemeinschaften tragen nicht nur einen marianischen Namen, sondern ahmen das Leben der Gottesmutter im eigenen missionarischen Wirken nach. In diesem Kapitel soll ein kurzer Abriss der Geschichte dieser Orden und ihrer Verehrung der allerseligsten Jungfrau präsentiert werden.


Oblaten der unbefleckten Jungfrau Maria

Die Oblaten der unbefleckten Jungfrau Maria (lateinisch Missionariorum Oblatorum Beatae Mariae Virginis Immaculatae, Ordenskürzel OMI) wurden 1816 durch den provenzalischen Weltpriester Eugen von Mazenod gegründet, um den Glaubensgeist unter der armen Bevölkerung der Provence zu heben. Im Jahr 1825 wurde die Kongregation von Papst Leo XII. bestätigt, der ihr die Aufgabe gab „jene Menschen in den Schoß der Mutter der Barmherzigkeit zurückzubringen, die Jesus Christus an seinem Kreuz ihr als Söhne und Töchter geben wollte“. Bereits zu Lebzeiten des heiligen Gründers, der im Jahr 1837 Bischof von Marseille wurde, ging die Tätigkeit der Oblaten über die Grenzen Frankreichs hinaus: Im Jahr 1841 zogen die ersten Oblatenmissionare in die Indianermission in Kanada, worauf im Jahr 1847 die Übernahme der Mission auf Sri Lanka folgte. Eugen de Mazenod, der 1861 starb und 1995 heiliggesprochen wurde, bezeichnete Maria als die „Mutter der Missionen“. Die schwierigen arktischen Missionen unter den Inuit in Kanada stellte der Orden unter den besonderen Schutz der unbefleckten Jungfrau. Der selige Joseph Gérard, der Apostel von Lesotho, hatte eine kindliche Andacht zur allerseligsten Jungfrau und vermittelte diese auch seinen Christen. Am 7. Dezember 1863 schrieb er: „Es ist eine Freude für mich, wenn ich mir vorstelle, dass unsere Basotho mit den anderen Nationen die Seligkeit der heiligen Jungfrau preisen werden. Mögen auch sie anfangen zu sagen: ‚Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns!‘ Zwar tun sie es noch nicht aus ganzem Herzen und aus ihrer ganzen Seele, aber es ist Anfang; hoffen wir, dass die allerseligste Jungfrau ihnen den Rest lehren wird.“ Als seine Missionserfolge voranschritten, ,verbreitete sich auch die Andacht zu Maria unter dem Volk. Die Neugetauften begannen die Begrüßung der Oblatenmissionare untereinander zu verwenden: „Gelobt sei Jesus Christus – und die unbefleckte Jungfrau Maria“. Mit besonderem Eifer wurden auch die Maiandachten gepflegt.[1] So ist der Selige ein Vorbild des Ideals, das die Ordenskonstitutionen von 1966 im 6. Artikel zeichnen: „Sie [die Ordensmitglieder der Oblaten] werden in dieser Jungfrau einen Typus des Glaubens der Kirche erkennen und das vollkommene Vorbild für ihren eigenen Glauben, da sie Christus empfing, damit sie ihn mit der Welt teilen konnte, deren Hoffnung er ist. In ihren missionarischen Freuden und Leiden werden sie stets eng mit ihr, der Mutter der Barmherzigkeit, verbunden sein. Wo auch immer sie ihr Dienst hinführt, werden sie danach streben, in den Herzen der Menschen eine tiefe Andacht zur unbefleckten Mutter zu entfachen, die siegreich ist über alles Böse.“[2] Heute sind die Oblaten in zahlreichen Ländern vertreten. Der Sitz der mitteleuropäischen Provinz befindet sich im hessischen Hünfeld.



[1] Blessed Joseph Gérard, O.M.I. Apostle to the Basotho (1831–1914). Generalpostulat O.M.I. Rom 1991
[2] Jette, Fernand: The Missionary Oblate of Mary. Addresses and Written Texts, 1975–1985. Rom 1985


Sonntag, 14. Mai 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Kleinere Marienheiligtümer in den Missionsländern

Kapelle Unserer Lieben Frau vom Pass Otome
(Quelle: https://www.kankou-shimane.com/en/destinations/9398)

 Unsere Liebe Frau vom Lichte, Rota, Nördliche Marianen: Auf vielen Inseln der Nördlichen Marianen, die einst zu Spanien, dann zu Deutschland und Japan gehörten und seit Ende des Zweiten Weltkriegs ein Außengebiet der Vereinigten Staaten im Pazifik sind, wird die allerseligste Jungfrau unter besonderen Titeln verehrt. Auf der Insel Rota pflegen die Einheimischen die Verehrung der „Sainan Ina, Unserer Lieben Frau vom Lichte“. Das einfache Bild, das die Gottesmutter auf einer Wolke mit dem Jesuskind im Arm darstellt, wobei sowohl Mutter als auch Sohn je eine Kerze in der Hand halten, kam durch den seligen Jesuitenpater und Märtyrer Diego San Vitores über Mexiko nach Guam, wo er es dem König Taga der Insel Tinian zum Geschenk machte. Durch diesen kam das Bild nach Rota. Es erfuhr besondere Verehrung in den 1760er Jahren, als die Insel von andauernden schweren Erdbeben heimgesucht wurde. Der damalige Missionar, der Jesuitenpater Pedro, regte die Bevölkerung dazu an, ihre Zuflucht zu Unserer Lieben Frau vom Lichte zu nehmen. Alle Bewohner machten schließlich das Gelübde, in Zukunft ständig Kerzen vor dem Marienbild brennen zu lassen und jährlich ab dem 13. Mai eine Novene zu beten, an deren Ende ein Fest mit Prozession durch das Hauptdorf der Insel gefeiert wurde. Dabei wurde das Gnadenbild mitgetragen. Rota blieb nach Ende der ersten Novene von den schlimmsten Erdbeben verschont. Um immer für genug Lampenöl für die Erfüllung des Gelübdes zu sorgen, wurde ein 14 Hektar großes Stück Land mit Kokospalmen bepflanzt und trug darum den Namen Cocol de la Virgen – Kokospflanzung der Jungfrau.

Der Kapuzinerpater Korbinian, der von 1908 bis 1919 Missionar auf den Marianen war, gibt dem Bild folgende gemütvolle Auslegung: „Unwillkürlich fallen einem bei der Betrachtung des Bildes die Worte ein, die der Heiland gesprochen: ‚Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wandelt nicht in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben‘, und jene Stelle beim Evangelisten, wo bei der Aufopferung des göttlichen Kindes im Tempel der greise Simeon es ‚ein Licht zur Erleuchtung der Heiden‘ nennt. Maria aber trägt eine brennende Kerze in der Hand, weil sie dem ‚Lichte vom Lichte‘ das Leben geschenkt, ihr Leben nur ‚Licht‘ ist, und sie die Mahnung ihres göttlichen Sohnes: ‚So lasst denn euer Lichten leuchten‘, am vollkommensten erfüllt hat.“


Unsere Liebe Frau vom Pass Otome, Japan: Eine kleine Kapelle zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria bei Tsuwano in der südjapanischen Präfektur Shimane erinnert an die Christenverfolgung im Reich der aufgehenden Sonne, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts andauerte. Zwischen 1868 und 1871 wurden Katholiken aus Nagasaki und anderen Regionen von den heidnischen Behörden in die Gegend geführt, um sie dort unter verschiedenen Gewaltmitteln zum Abfall zu bringen. Einer der 153 Verbannten war Johannes Baptist Yasutaro, der in acht Tage lang auf dem Grundstück eines alten Shinto-Tempels in einen kleinen Käfig gefangen gehalten wurde. Bereits drei Christen waren bei winterlicher Witterung in dem Käfig zu Tode gekommen. Als er am dritten Tag von einem Katechisten[1] besucht wurde, der ihn trösten wollte, sagte dieser zu Johannes: „Es mag dir einsam sein, hier zu sterben“, worauf der Märtyrer entgegnete: „Nein, gar nicht einsam. Jede Nacht bis zur Morgendämmerung erscheint zu meinen Haupten eine wunderschöne Dame gleich dem Bilde der Santa Maria. Und ich glaube: es ist wirklich die heilige Maria. Mit zarter mütterlicher Stimme gibt sie mir gute Weisung und Trost. Aber sage es niemandem, solange ich noch am Leben bin!“ Nach fünf Tagen starb Johannes Yasutaro. 1951 wurde eine einfache Holzkapelle an der Stelle gebaut. Zwei Gipsfiguren stellen die Besuche dar, die Johannes Yasutaro in seinem Käfig von Maria erhielt. Noch heute ist der Ort Ziel von japanischen Wallfahrern.




[1] Eine andere Quelle berichtet von zwei Freunden, die in nachts heimlich besuchten.


Sonntag, 7. Mai 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Die Maiandacht in den Missionen

 Von Jos. Peters S.J.[1] 

In einem ausführlichen Artikel, der 1925 in Die katholischen Missionen erschien, beleuchtet P. Peters S.J. die positiven Einflüsse auf das religiöse Leben, die die damaligen Übungen der Maiandacht in den Missionsländern hervorriefen. So schreibt er: „Wir können (…) in voller Wahrheit sagen, dass im Allgemeinen die Maiandacht in den Missionen als eine Gelegenheit zu ernstem Tugendstreben aufgefasst wird, dass die Priester über besonderen Eifer im Sakramentenempfang berichten, dass auch die lieben Kleinen angehalten werden, durch kleine Opfer ihre Liebe zu Gottesmutter zu bezeigen. All die schönen Sitten, wie sie im Mai in unseren Erziehungsanstalten in Übung sind, und in denen besonders gute Ordensschwestern sich so erfinderisch zeigen, finden sich in den Missionen wieder. Auch die kleinen Neger schreiben Briefchen an die Muttergottes, sie wollten in diesem Monat recht brav sein und ihren Charakterfehler bekämpfen; auch in den Missionen bringen die Kinder jeden Morgen ein Sträußlein frischer Blumen zum Maialtar. Mit besonderer Vorliebe hören sie die „Marienbeispiele“. Namentlich in den vielen Waisenanstalten und den Findelhäusern ist der Mai ein Freudenmonat. Darüber wird nie eine Missionschronik gebührend berichten können, wieviel Trost und Kinderglück die Maiandacht mit ihren schönen und reinen Phantasiebildern in die empfänglichen Herzen dieser mutterlosen Waisen strahlt.

Hübsch beschreibt eine italienische Missionsschwester aus Mangalore, wie ihre Kleinen sich allabendlich um das festlich erleuchtete Marienbild im Hofe der Waisenanstalt versammeln. Eine auserlesene Schar gruppiert sich mit leuchtenden Sternen um den Maialtar. Dann singt man einige Marienlieder und betet das „Memorare“, um dann mit einem Kusshändchen von der Mutter Abschied zu nehmen. In der Veranstaltung echt kindlicher, naiver Maifeiern sind namentlich die Italiener und Spanier Meister. Sie treffen damit vollkommen den Geschmack der Missionsvölker, mag auch dabei nicht alles unserer Art entsprechen.

Ein liebliches Maibild entwirft ein französischer Salesianer aus Indien: ‚Auch im Mai kommen die Kinder gerne und knien am Altar der Muttergottes nieder. Sie sind noch ganz grau vom Staub der Felder, ihre Kattunläppchen starren von Schmutz. Einander stoßend und schiebend wie ein Schwarm aufgescheuchter Sperlinge ordnen sie sich um das Bild. Eines der Kinder reicht zum Bilde der himmlischen Mutter einen Arm voll indischer Blumen hinauf, und alle beginnen auf den Knien ihr Gebet. Das Thermometer mag 30–35 Grad zeigen: ihre Andacht wird dadurch nicht beeinträchtigt. Ein Ave löst das andere ab, und so würde es stundenlang dauern, wenn man diese Kinder gewähren ließe. Zum Schluss ihrer Andacht singen sie eines ihrer schönen Marienlieder in einheimischer Sprache.‘

Unter den Maisitten der Missionen verdienen besondere Erwähnung die Blumenhuldigungen. Auf den Philippinen treten an jedem Samstagmorgen des Mai unter dem Gesang des „Salve Regina“ die Anwesenden an den Altar und opfern ein Körbchen mit Blumen, das der Priester dann vor das Marienbild stellt. Weit kindlicher sind die in Mittel- und Südamerika üblichen Blumenhuldigungen durch weißgekleidete Mädchen, denen sich manchmal Knaben in den Trachten jugendlicher Heiliger, wie des hl. Stanislaus, des kleinen Johannes des Täufers usw., zugesellen. Es ist allerdings bezeichnend, dass man bei diesen Berichten in den Missionszeitschriften oft die Bemerkung findet: ‚Das Volk läuft eifriger zur Maiandacht als sonntags zur Messe‘, dass ferner ein brasilianischer Missionar die Bemerkung macht: ‚Erst die Teilnahme ihrer Kinder an der Blumenhuldigung veranlasst manche Eltern zur Erfüllung ihrer österlichen Pflichten.‘ Immerhin steckt in diesen Gebräuchen eine uralte katholische Überlieferung und eine Glaubensinnigkeit, die uns die wehmütige Erinnerung an frühere Jahrhunderte wachruft, wo auch unser Volk, unversehrt durch Protestantismus, Rationalismus und eine im Relativismus befangene vergleichende Religionswissenschaft, sich vertrauend unter dem weiten Mantel der hohen himmlischen Frau barg.

(…) Dass die Heiligen- und Marienverehrung in den Missionen bei Neubekehrten bzw. ins Heidentum Zurückgefallenen zu Irrungen und Aberglauben führen kann, ist eine Erfahrung aller Missionare, und P. Dr. Fontaine aus der Mission Assam hat auf dem Düsseldorfer Missionskursus 1919 darüber in einem Vortrag über den Kampf gegen den Aberglauben eine große Menge Stoff zusammengetragen. Die Gründe zu solchen Verirrungen liegen auf der Hand. Viele solcher Gründe vermag die Religionspsychologie aufzuweisen. Wir möchten hier nur an die Tatsache erinnern, dass sich in den Missionen bei den Marienprozessionen und an den Marienheiligtümern fast stets Heiden einfinden, die alle religiösen Übungen mitmachen und anstandslos der nach ihrer Meinung hier verehrten Göttin ein Kerzenopfer bringen. Die einheimischen Religionen haben fast alle ihre Fruchtbarkeitsgöttin oder eine Muttergottheit, die sie durch Opfer zu besänftigen suchen. (Nur in Klammer sei hier bemerkt, dass nirgends der Heide mit jenem kindlichen Vertrauen zu seiner Muttergottheit betet, wie der Christ bei der Anrufung Mariens.)

Welche Gefahren für eine Verdunkelung der Glaubensbegriffe in Sachen der Marienverehrung bei schlecht unterrichteten Christen bestehen können, mag ein Beispiel aus China beweisen, wo man einem Zerrbild der reinen Gottesmutter, der Göttin Koan-yin, ebenfalls einen ganzen Monat weiht und ihr Gelübde und Geschenke macht. Sie ist die liebenswürdigste Göttin im buddhistischen Götterhimmel und in dem ihr geweihten Monat flattern auf den Küstenschiffen lange Wimpel mit der Inschrift: „Himmlische Königin! Heilige Mutter des Himmels!“ Man darf die Gefahr solcher heidnischen Gebräuche für eine gutunterrichtete Christengemeinde nicht überschätzen, aber man möchte anderseits auch wünschen, dass gewisse Beispiele von Marienverehrung, die bisweilen in den populären Missionszeitschriften auftauchen, auf ihre religiöse Grundanschauung untersucht werden. Die im Gottesdienst der Heidenmission gebrauchten Weiheformeln an Maria sollten auf jeden Fall an dogmatischer Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen. An der Hand der himmlischen Mutter und in Nachfolge ihres Tugendbeispieles sollen die Neuchristen zum Heiland kommen, „auf dass sie in der Liebe festgewurzelt sind“ und „zu erfassen vermögen ihre Breite und Länge, ihre Höhe und Tiefe und die Liebe Christi erkennen, die alle Begriffe übersteigt, und dadurch ganz von Gott erfüllt werden“ (Eph. 3, 16–21).

Gegenüber einzelnen Gefahren einer unerleuchteten Marienverehrung steht der herrliche Segen, den die Maiandacht verbreitet. Die Gnaden für Leib und Seele, die Marias mächtige Fürbitte vermittelt, entziehen sich allzu oft menschlicher Berechnung und Feststellung. Aber auch der nicht im Glauben erleuchtete Verstand vermag die Wirkungen der Marienverehrung auf dem moral- und religionspädagogischen Gebiete festzustellen. Welch ein hohes Vorbild ist den im Sumpf der Unsittlichkeit versunkenen Völkern das Bild der reinsten Gottesmutter, jenen Völkern, die oft erst ganz langsam zum Verständnis des christlichen Reinheitsideals gebracht werden können! Wir wollen einem praktischen Missionar das Wort geben, um den Segen der Maiandacht zu kennzeichnen. Ein Pallottiner berichtete vor 12 Jahren aus Kamerun: ‚Speziell in Kamerun wird die Neuchristen recht bald die Maiandacht gelehrt, und nun übt man sie mit großem Eifer. Wir sind uns bewusst, damit dem Neger ein Stück wahren Christentums gelehrt zu haben. Weit davon entfernt, dass der Eingeborene, wie Andersgläubige meinen, götzendienerische Ideen mit dieser Andacht verbindet, empfängt er aus der Gnadenhilfe der Hochgebenedeiten und aus der Anregung gerade der Maiandacht nachhaltige religiöse Hilfe. Besonders das weibliche Geschlecht erhält da Antriebe für das praktische Tugendleben, die umso nötiger sind, als die Frau bei den meisten Heiden aus dem Bannkreis niedrigster Auffassung von ihrer Bestimmung nicht herauskommt. Wie wohltuend und segensreich muss da nicht eine Andacht sein, die ferner die Neger Hochachtung gegen eine Angehörige des von ihnen so tief eingeschätzten und so roh behandelten weiblichen Geschlechts lehrt! Es kann nicht ausbleiben, dass Maria mit ihrer Bedeutung im Christentum und im kirchlichen Andachtsleben ihrem Geschlecht eine Stellung erringen hilft, die die notwendige Grundlage für die wahre Kultur und tieferes Christentum ist. Allen diesen Nutzen erhoffen wir in Kamerun aus der Verehrung Mariens, vor allem aus der Maiandacht.‘

Die Maiandacht hat sich heute über die ganze Erde verbreitet. Da aber der Monat Mai auf der südlichen Halbkugel in den Herbst fällt und in den Tropen oft die unangenehmste und heißeste Jahreszeit einleitet, so musste sich die Missionskirche die Frage vorlegen, ob es nicht angebrachter wäre, den Marienmonat, der mit dem Frühlingsbeginn so enge symbolische Verbindung hat, auf eine andere Jahreszeit zu verlegen. Man musste dann freilich auf eine besondere Feier des Rosenkranzmonats zumeist verzichten, oder beide Feiern zusammenlegen, oder schließlich den Rosenkranzmonat in der Zeit begehen, wo auf der nördlichen Erdhälfte Frühling ist. Viele Missionare traten entschieden für die gleichzeitige Feier der Maiandacht auf der ganzen Erde ein, mit der Begründung, dass die Feier des Maimonates mit dem katholischen Empfinden so stark verwachsen, und dass es ein so tröstliches Bewusstsein sei, wenn im Mai auf der ganzen Erde Maria gepriesen werde. Aus diesem Grunde hat man in Australien die zeitweise auf den August (die schönste Jahreszeit in Australien) verlegte Maiandacht wieder zurückverlegt. In Indien hat man sich auch nicht zu einer Verlegung entschließen können; man feiert allerdings die Maienkönigin nur wenig im Mai, desto mehr aber im schöneren Monat Oktober, wenn frische Blumen in Fülle zur Verfügung stehen. (…) An eine Verlegung des Rosenkranzmonates ist man bisher unseres Wissens nirgendwo herangetreten.

Der Gedanke an eine einheitliche Maifeier ist durch die geschichtliche Entwicklung, die von der Kirche wohl kaum rückgängig gemacht wird, praktisch in verneinendem Sinne gelöst worden. In Chile, Paraguay, Uruguay und Argentinien begeht man den Marienmonat im November, und zwar gewöhnlich vom 8. November bis 8. Dezember, wo das Fest der Unbefleckten Empfängnis einen guten Abschluss bildet. In Patagonien haben die Salesianer mit Rücksicht auf die im November mit der Sorge um ihre Herden stark beschäftigten Indianer den Marienmonat auf die Zeit vom 9. Oktober bis 10. November verlegt. Aus Mariannhilll [Südafrika] liegt gleichfalls eine Nachricht über die Maifeier im November vor. Die Kopten in Ägypten feiern die Maiandacht im Dezember, wenn nach der Nilüberschwemmung das Land sich mit frischem Grün bedeckt. Zieht man noch in Rücksicht, dass die griechisch unierte Kirche in der vierzehntägigen Vorbereitungszeit auf das Fest Mariä Heimgang im August und an den Freitagen der Fastenzeit auch eine Art Maiandacht hält, so muss man zugeben, dass von einer zeitlichen Gleichheit in der Feier des Marienmonats nicht die Rede sein kann. Wir halten es auch für eine sehr kluge Anpassungsmaßnahme, wenn die Kirche in den Missionen die namentlich in den subtropischen Gegenden bestehenden Frühlingsfeiern adelt und verchristlicht, wie sie es bei unseren Altvordern getan hat. Es ist zudem auch ein religiös erhebender Gedanke, dass überall, wo auf Erden der Frühling erblüht, fromme Lieder zur himmlischen Königin erschallen, die uns in Christus den Frühling der Erlösung schenkte.



[1] Peters, Jos. S.J.: Maria Maienkönigin. In: Die katholischen Missionen, Xaverius-Verlagsbuchhandlung, Aachen 1925

Sonntag, 30. April 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Unsere Liebe Frau von La Vang (Vietnam)

 

Moderne Statue unserer Lieben Frau von La Vang auf dem Gelände des Wallfahrtsorts (Quelle: Hoangvantoanajc)


Nachdem der neue vietnamesische Kaiser Canh Thinh im Jahr 1798 die katholische Religion in seinem Reich verboten hatte, flohen Katholiken aus der Gegend der Kaiserstadt Huế in den Dschungel von La Vang. Dort suchten sie im Rosenkranzgebet Hilfe in ihrer Notlage, und eines Tages erschien ihnen die allerseligste Jungfrau mit dem Jesuskind auf dem Arm, sprach ihnen Trost zu und riet ihnen, mit den Blättern der umliegenden Bäume eine Art Tee zu kochen, um Krankheiten zu heilen. Von der Erscheinung der Mutter Gottes werden folgende Worte überliefert: „Vertraut mir, denn ich habe eure Gebete erhört. Von nun an werde ich alle diejenigen segnen, die mich an diesem Ort anrufen.“[1] Die Verfolgten konnten 1802 in ihre Dörfer zurückkehren und berichteten ihrem Umfeld von der himmlischen Erscheinung. In der Folge bauten die Katholiken in La Vang eine Kapelle, die in den späteren Verfolgungszeiten zahlreiche Male zerstört, von den Gläubigen aber immer wieder aufgebaut wurde. Nachdem die Christenverfolgungen in Vietnam mit der französischen Herrschaft über das gesamte Land zum Ende gekommen war, ließ der Apostolische Vikar von Huế, Msgr. Marie-Antoine-Louise Caspar M.E.P., eine große Kirche in La Vang bauen, die er vom 6. bis 8. August 1901 im Beisein von 12.000 Pilgern einweihte. Bald war auch diese Kirche zu klein, sodass eine größere an ihrer Stelle gebaut wurde, die am 22. August 1928 im Beisein von 20.000 Pilgern eingeweiht wurde. Im Jahr 1959 wurde sie anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Einführung des Christentums in Vietnam zum Nationalheiligtum des Landes, und Papst Johannes XXXIII. erhob sie 1961 zur Basilica minor. Im selben Jahr fand an dem Wallfahrtsort ein marianischer Kongress unter großer Teilnahme von einheimischen und französischen Bischöfen, weltlichen Behörden und zahlreichen Gläubigen statt. Die vietnamesische Bischofskonferenz erklärte La Vang am 13. April 1961 zum nationalen marianischen Zentrum.

Die ursprüngliche Basilika, die im Jahr 1972 bis auf den Kirchturm zerstört wurde (Quelle: Sciacchitano) 
 

Gegen Ende des Vietnamkriegs wurde die Kirche vollständig durch Artilleriebeschuss zerstört. Nach der Vereinigung von Nord- und Südvietnam weigerte sich die kommunistische Regierung lange Zeit, die Kirche wieder aufzubauen. Die Verehrung des Volkes überdauerte auch diese schweren Zeiten, und im Jahr 2012 wurde der Bau einer neuen Basilika im asiatischen Stil begonnen, die vor der Fertigstellung steht. An den Feierlichkeiten zum Fest Mariä Himmelfahrt nahmen im Jahr 2019 insgesamt 80.000 Personen teil. Besonders Papst Johannes Paul II. betonte die Bedeutung dieses Wallfahrtsorts für die Kirche in Vietnam, etwa als er am Weltjugendtag in Denver im Jahr 1993 die vietnamesische Kirche unter den Schutz unserer Lieben Frau von La Vang stellte.



[1] https://www.ucanews.com/news/vietnams-our-lady-of-la-vang-lifts-pilgrims-spirits/97389



Sonntag, 23. April 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Der Muttergottesbaum in Matarieh (Ägypten)

Einer der ältesten und zugleich einer der wenigen Marienwallfahrtsorte, der direkt mit dem irdischen Leben der allerseligsten Jungfrau Maria in Zusammenhang gebracht werden kann, ist der Muttergottesbaum von Matarieh, der sich heute im Bezirk Al Matariyah in der ägyptischen Hauptstadt Kairo befindet.

Die Überlieferung berichtet, dass die Heilige Familie sich nach ihrer Flucht nach Ägypten in Heliopolis, der „Sonnenstadt“ (ägyptisch Pi-Ra, Wohnung der Sonne), niederließ. Diese im Altertum berühmte Stadt verfügte neben einem großen Sonnentempel über Schulen für Philosophie und Astronomie, in denen die heidnischen Priester studierten. Der biblische Patriarch Joseph heiratete Aseneth, die Tochter des Oberpriesters Putiphar, und wohnte dort. Möglicherweise hat auch Moses dort die ägyptischen Wissenschaften studiert. Zur Zeit des Herrn war Unterägypten Heimat zahlreicher Juden, die sich in der Umgegend des Tempels von Leontopolis niederließen. Weil Heliopolis bereits teilweise in Ruinen lag, so wählte die Heilige Familie Matarieh, einen kleinen Vorort Heliopolis’ mit einer großen jüdischen Bevölkerung. Da die ägyptischen Wohnhäuser zu jener Zeit aus Lehm waren, sind keine Überreste mehr von dem Heim der Heiligen Familie übrig, doch bis zum heutigen Tag wird ein anderes Relikt des Aufenthalts des Gottessohnes und seiner gebenedeiten Mutter dort verehrt: Der Muttergottesbaum von Matarieh. Es handelt sich dabei um eine Maulbeerfeige oder Sykomore (Ficus Sycomorus L.), wie sie im östlichen Mittelmeerraum und Afrika weitverbreitet ist. Der Baum wird auch in der Heiligen Schrift erwähnt. Unter einem solchen Baum, so die Überlieferung, soll sich die Heilige Familie ausgeruht bzw. Schutz gefunden haben.[1] In der Nähe dieses Baumes befindet sich eine Quelle. Im Bericht deutscher Wallfahrer aus dem Jahr 1484 heißt es: „Neben uns sehen wir die geweihte Quelle, aus der die glorreiche Jungfrau, Jesus, die Quelle der Frömmigkeit, und Joseph, das Beispiel aller Tugenden, ihren Durst gestillt haben. Nach einer alten Überlieferung unserer Vorfahren kam Joseph, da er auf Befehl des Engels aus dem Lande Israel floh, mit dem Kinde Jesus und seiner Mutter an diesen Ort. Von Durst gequält, bat er in allen Häusern Matariehs um Wasser, aber niemand gab ihm etwas. Ganz erschöpft und ermüdet von der Reise setzte sich die allerseligste Jungfrau mit dem Jesuskind und Joseph unter einen Baum nieder, und siehe da: plötzlich sprudelte an ihrer Seite eine Quelle hervor, und sie konnten sich erquicken.“

Der Ableger des ursprünglichen Baumes zu Beginn des 20. Jahrhunderts 
('Abre di la Viere - Matarieh (1904)' postcard sent by Charles Boddington 2021, Museum of Applied Arts & Sciences, accessed 23 April 2023, <https://ma.as/364278>)

Die Quelle wird schon in frühen christlichen Texten erwähnt, so in einer Predigt des Patriarchen Theophilus, der im Jahr 406 starb. Auch das apokryphe Evangelium über die Kindheit Jesu berichtet im 24. Kapitel: „Als die erhabenen Flüchtlinge die götzendienerische Stadt verließen, gingen sie zu einer Sykomore, die man heute den Baum von Matarea nennt; und zu Matarea ließ der Herr Jesus eine Quelle hervorsprudeln, in welcher Maria, die allerseligste Jungfrau, das Unterkleid des göttlichen Kindes wusch.“ Tatsächlich scheint es an diesem Ort eine Süßwasserquelle gegeben zu haben, während sich die Brunnen aus der Umgegend aus dem Nilwasser speiste, das in den Grund einsickert. Jedoch hat sich der Boden in den Jahrhunderten derart gehoben, dass heute das Quellwasser bereits mit dem Grundwasser aus dem Nil vermischt werden müsste. P. Jullien berichtet, dass das Wasser aus Matarieh tatsächlich weniger salzig war als das Grundwasser der Umgegend, das das Salz aus dem Boden löste. Nach der muslimischen Eroberung gewann die Quelle ein solches Ansehen, dass der ägyptische Sultan vermutlich im 13. Jahrhundert dort einen Landsitz bauen ließ, dessen Balsambaum-Garten nur mit dem Wasser aus der Quelle gegossen wurde. Die osmanischen Paschas in Ägypten zogen das Wasser aus Matarieh jedem anderen Trinkwasser vor.

Matarieh muss einst über eine bedeutende koptische Kirche verfügt haben, deren Kirchweihe in allen koptischen Kirchen Ägyptens und Äthiopiens am 8. Paoni des koptischen Kalenders, dem 15. Juni des gregorianischen Kalenders, unter dem Titel „Gedächtnis der Einweihung der Kirche der Jungfrau von Heliopolis und der wunderbaren Quelle“ gefeiert wurde. Möglicherweise war dies gar die Kathedrale des Bischofs von Heliopolis, dessen Bistum sich zur Zeit des Konzils von Ephesus im Jahr 431 nachweisen lässt. Sie wurde wohl zwischen dem 6. und 12. Jahrhundert entweder beim Schisma der Kopten oder bei der islamischen Eroberung zerstört, die auch einen Wiederaufbau im Jahr 1154 verhinderten, indem sie die im Bau befindliche Kirche plünderten und zu einer Moschee machten. Im 16. Jahrhundert bauten europäische Kaufleute aus Kairo in Matarieh eine Kapelle. Der Franziskanerpater Bernardin Amico, dessen Orden mit der Pflege der Kapelle betraut war, berichtet über den Bau: „Die Katholiken haben dort [in Matarieh] zu Ehren der Himmelskönigin eine Kapelle erbaut, welche noch besteht. Man sieht sie, wenn man den vor dem Garten befindlichen Hof betritt, rechts, etwa zehn Schritte von der Sakyeh. Das Innere derselben ist nur ein durch einige Treppenstufen in zwei Teile geschiedener Saal. Ein in den Boden gemauertes längliches Bassin, eine durch eine Lampe erhellte Nische in der Wand rechts, und im Vordergrund ein als Altar dienender Steintisch bilden den ganzen Schmuck. Man sagt, dass Maria in dem Bassin die Kleider des göttlichen Kindes wusch, dass sie dasselbe auf dem Stein ruhen ließ und dass sie an dem durch die Nische bezeichneten Ort betete. (…) An jedem Samstag, an den Feiertagen und an allen Muttergottesfesten wird hier die hl. Messe gelesen.“ Zwischenzeitlich wurde die Kirche von Ibrahim Pascha in eine kleine Moschee umgewandelt; nach seiner Absetzung erlaubten die Türken jedoch wieder den Christen das Gebet dort. In den folgenden Jahrzehnten verfiel die Kapelle zusehends und verschwand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die französischen Jesuiten in Kairo, allen voran P. Michel Jullien, der der bedeutendste Forscher auf dem Gebiet der Geschichte von Matarieh war, bauten in den 1890er Jahren eine Kirche, die diesen weniger bekannten Wallfahrtsort des Heiligen Landes – denn dazu gehört ja auch Ägypten – ehren sollte: 

„Seit einigen Jahren nun zeigt ein neues würdiges Heiligtum dem Pilger die Stelle an, wo die heilige Familie im Lande Ägypten gewohnt hat. Es ist das Werk der im Kolleg der heiligen Familie zu Kairo wirkenden französischen Jesuiten und besonders P. Julliens, der sich um die Erforschung der mit der Heiligen Schrift und der Kirchengeschichte in Verbindung stehenden Stätten so hohe Verdienste erworben hat. 

Schon von ferne grüßt aus der Mitte der Fassade auf rotem Marmorgrund dem Pilger die Inschrift entgegen: Sanctae familiae in Aegypto exsuli (Der heiligen Familie in ihrer ägyptischen Verbannung geweiht). 

Dieses Wort bringt denn auch die Idee zum Ausdruck, welche der Ausführung des schönen Heiligtums zu Grunde gelegt ist. So rufen die beiden eng aneinander liegenden Rundbogenpforten, wie man sie wohl bei Synagogen findet, die zwei Tafeln des alttestamentlichen Gesetzes ins Gedächtnis, unter dem die heilige Familie während ihrer Verbannung lebte. 

Anlehnend an die Legende, wonach bei der Ankunft des Heilandes die Götzenbilder von Heliopolis stürzten, wurden die tiefen Fundamente aus Ziegeln und Scherben des alten Sonnentempels von Heliopolis gelegt. Das Innere, ohne Reichtum, aber in schöner Einfachheit und Lichtfülle, strahlt in lieblichen, ruhigen Tönen den Frieden und die Reinheit wieder, welche die heilige Familie nach Ägypten gebracht. In einer Nische über dem Hochaltar, umrahmt von harmonisch angeordneten Bogen, Gewölben und Skulpturen, umleuchtet von mildem, bläulichen Scheine, thront die Gruppe der heiligen Familie, das Werk eines Lyoner Meisters.

Zwei Seitenaltäre zieren liebliche Statuen des hl. Antonius von Padua und des hl. Stanislaus Kostka, beide mit dem Jesuskind auf dem Arm. 


Am 8. Dezember des Jubiläumsjahres der Unbefleckten Empfängnis nahm der Apostol. Präfekt des Nildeltas unter zahlreicher Beteiligung von Pilgern aus Kairo und Umgebung die feierliche Weihe des Heiligtums vor. Eine Widmungstafel aus Marmor soll kommende Geschlechter daran erinnern, wie aus dem Vaterland Verbannte der verbannten heiligen Familie dieses Denkmal gesetzt. Sie trägt die Inschrift: ‚Französische Ordensleute, durch die gegenwärtige Verfolgung vertrieben, weihen als Zeichen der Liebe und Hoffnung auf ihre Rückkehr ins Vaterland der verbannten heiligen Familie dies Heiligtum.‘

Die Verehrung der heiligen Stätten hat im Laufe der letzten Jahre einen bedeutenden Aufschwung genommen. Ordensgemeinden, Bruderschaften, Vereine und Privatpersonen Kairos pilgern zu der heiligen Kapelle von Matarieh, und die Pilger nach dem Heiligen Land strömen in Scharen herbei, um die Ablässe zu gewinnen, welche an den Besuch des Heiligtums geknüpft sind.

Vor einem Jahre reihte nämlich der Heilige Vater die Kapelle von Matarieh den heiligen Stätten zweiter Ordnung ein, so dass dieselbe, was Würde und Vorrechte betrifft, den Heiligtümern von Tabor, der Werkstätte des hl. Joseph, der Kreuzauffindungs- und Mariä-Heimsuchungskirche, dem Josephs- und Unschuldig-Kinder-Altar in der Grotte von Bethlehem usw. ebenbürtig zur Seite steht.“[2]

Die Kirche der Heiligen Familie liegt heute genauso wie der Muttergottesbaum wenige Hundert Meter von der U-Bahn-Station El Matarya. Sie befindet sich in weitgehend unverändertem Zustand.

 

Gebet zur Heiligen Familie

„Heilige Familie, Maria und Joseph, die du zu Matarieh trotz der Entbehrungen und Demütigungen der Armut, der Einsamkeit der Verbannung, unter Verfolgung und Todesgefahr glücklich und zufrieden gelebt hast, weil Jesus in eurer Mitte war, und seine Gnade in euren Herzen regierte, erlanget den Pilgern die Gnade, dass Jesus in ihren Familien herrsche, ihnen Geduld und Frieden verleihe in den Prüfungen, und das Vertrauen, bald davon befreit zu werden.

Göttliches Kind Jesus, Du bist nach Ägypten gekommen und hast dort in den ersten Jahrhunderten Deines Gesetzes der Gnade die höchsten Tugenden erblühen lassen; gib, dass Deine Liebe und die christlichen Tugenden in diesem mit irdischen Gütern so reich gesegneten Lande auch jetzt wieder erblühen.“

 

Möge dieses Gebet des P. Jullien sich auch in unseren Tagen erfüllen.



[1] Der heute in Al Matariyah befindliche Baum ist wohl ein mehrere Generationen vom ursprünglichen Baum entfernter Ableger, da die über die Jahrhunderte beschriebenen Bäume deutlich unterschiedliche Formen aufwiesen. Der jetzige Baum ist im Jahr 2013 zusammengebrochen und wurde in der Folge beschnitten. Aus zwei Ästen hat sich mittlerweile ein neuer Baum gebildet.

[2] Ein afrikanisches Heiligtum. In: die katholischen Missionen. Herder’sche Verlagsbuchhandlung, Freiburg 1908

Samstag, 8. April 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Unsere Liebe Frau von Afrika (Algerien)


Mit der französischen Eroberung des Küstengebiets von Algerien um die Mitte des 19. Jahrhunderts fand auch die katholische Kirche wieder Eingang in diese kirchengeschichtlich so bedeutsame Region, die unter anderem die Heimat des heiligen Augustinus von Hippo ist. Zunächst hatte sich die Kirche auf die Seelsorge der französischen Kolonisten konzentriert, entfaltete aber nach einiger Zeit eine Missionstätigkeit, die besonders unter dem Berberstamm der Kabylen einige Erfolge erzielte.

Bald nach Beginn der französischen Herrschaft zog es zahlreiche Europäer, vor allem aus Frankreich und dem Mittelmeerraum, nach Algerien. Zu ihnen gehörten auch die beiden eifrigen Lyoner Katholikinnen Margarita Bergesio, eine italienische Einwanderin, besser bekannt als Agarithe Berger, und Anne Cinquin, die dem Bischof von Algier, dem ebenfalls aus Lyon stammenden Louis-Antoine-Augustin Pavy, ihre Dienste als Haushälterinnen anboten.[1] Sie kümmerten sich um die Wäsche für die Krankenstation des Seminars von Algier. In einem Baum am bewaldeten Hang in der Nähe der bischöflichen Residenz stellten die beiden eine Marienstatue auf, um dort ihren Andachtsübungen nachzugehen. Bald kamen Christen aus der umliegenden Gegend als Pilger an den Ort, der wegen des Abhangs bald Notre Dame du Ravin genannt wurde. Die beiden frommen Damen baten in der Folge Msgr. Pavy, dort eine Kapelle zu bauen, doch dieser zögerte zunächst, bevor er sich am 8. Dezember 1854, dem Tag der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis, dafür entschied, ein Bauprojekt unter dem Namen Notre Dame d’Afrique zu beginnen.[2]

Kapelle Notre Dame du Ravin (Quelle: http://alger-roi.fr/Alger/notre_dame_afrique/pages_liees/13_d_chapelle_notre_dame_ravin_53.htm)

Im Jahr 1857 entstand zunächst eine provisorische kleine Kapelle, die heute noch besteht und den Namen Saint Joseph trägt. Die Statue, die der Bischof auswählte, war eine Bronzekopie der Virgo fidelis von Bouchardon. Diese hatte der erste Bischof von Algier, Msgr. Dupuch, im Jahr 1840 für seine Kathedrale von Gläubigen in Lyon als Geschenk erhalten; da die Kathedrale noch nicht fertig war, fand die Statue den Weg ins Trappistenkloster in Staouëli in der Nähe der Hauptstadt und wurde von Msgr. Pavy schließlich zurückgeholt. Am 2. Februar 1858 wurde der Grundstein der heutigen Basilika auf einer Anhöhe im Viertel Saint-Eugène[3] gelegt. Architekt war Jean-Eugène Fromageau, der auch für andere Kirchenbauten in der Diözese Algier verantwortlich zeichnete. 

Msgr. Pavy, Bischof von Algier und Bauherr der Wallfahrtskirche

Zur Förderung des Bauprojekts scheute sich der Bischof nicht, selbst den Wanderstab in die Hand zu nehmen und in Frankreich für das neue Marienheiligtum in Nordafrika zu werben und Spenden zu sammeln. Zu einem Missionar sagte Bischof Pavy im Jahr 1858: „Was man der Mutter darbringt, wird der Sohn hundertfach vergelten.“[4] Er veröffentlichte auch ein umfangreiches Rundschreiben an die gesamte katholische Welt zur Unterstützung dieses Werkes, in dem er die wechselreiche Geschichte des Christentums in Nordafrika und die Verehrung Marias in diesen Gegenden beleuchtete. Besonders rief er zum beharrlichen Gebet für die Bekehrung der Muslime auf. Er versprach eine Zukunft, in der die Anhänger des Islams Maria nicht nur als Mutter eines großen Propheten anerkennen würden, sondern diese ihnen die Augen über die Gottheit ihres Sohnes öffnen würde. Dies sei die einzige Rache, die sich der Bischof für die jahrhundertelange Versklavung und Verfolgung wünsche, die durch den Hass gegen das Christentum von der nordafrikanischen Küste ausgegangen seien. Msgr. Pavy starb im Jahr 1866, sodass sein Nachfolger, Msgr. Charles Martial Lavigerie, der spätere Erzbischof, Kardinal und Gründer der Missionäre von Afrika (besser bekannt als „Weiße Väter“) das Werk fertigstellen musste.[5] Die Basilika wurde schließlich am Fest Mariä Lichtmess 1872 von Msgr. Lavigerie eingeweiht; am 4. Mai 1873 erfolgte im Rahmen des ersten Provinzialkonzils, das in über einem Jahrtausend in Nordafrika abgehalten wurde, die Übertragung der Statue aus der provisorischen Kapelle in die Basilika. Teilnehmer an den Feierlichkeiten waren alle Bischöfe Algeriens sowie die Äbte der Trappistenklöster Aiguebelle und Staouëli und zahlreiche Vertreter des Welt- und Ordensklerus von Algier.

(Quelle: Rabanus Flavus)

Die Kirche ist äußerlich im neobyzantinischen Stil gehalten und erinnert mit ihrer Kuppel- und Turmform an die Kirche Sacré-Cœur de Montmartre in Paris. Auch das Innere ist orientalisch geprägt, wobei sich blaue Ornamente von der weißen Grundfarbe abheben. Die dunkle Mutter-Gottes-Statue in ihrem blauen Mantel befand sich früher unter einem eigenen Baldachin auf dem Hochaltar direkt über dem Tabernakel. Heute steht nur noch eine Art Podest, auf dem sich die Statue befindet und in dem auch der Tabernakel untergebracht ist. Der Baldachin wurde entfernt. In der Apsis hinter der Statue befindet sich die Inschrift „Notre-Dame-d’Afrique, priez pour nous et pour les musulmans“ (unsere Liebe Frau von Afrika, bitte für uns und für die Moslems). Im Jahr 1876 erfolgte die kanonische Krönung der Marienstatue Unserer Lieben Frau von Afrika und die Erhebung der Kirche zur Basilica minor. Damit wollte Papst Pius IX. nicht nur die neue Wallfahrtskirche ehren, sondern auch der glorreichen Geschichte der nordafrikanischen Kirche mit ihren zahlreichen Heiligen, Kirchenvätern und Märtyrern seinen Tribut zollen. Heute zeugen die zahlreichen ex-Voto-Tafeln, die die Wände der Kirche übersäen, von der großen Verehrung, die neben der Bevölkerung Algiers besonders die Missionäre des afrikanischen Kontinents Unserer Lieben Frau von Afrika entgegenbrachten. Neben den steinernen Dankesgaben der Weißen Väter und Weißen Schwestern finden sich auch acht Tafeln, die der heilige Charles de Foucauld im Zeitraum von 1901 bis 1910 mit der Inschrift „Iesus Caritas“ und einem Herz-Jesu-Symbol dort hinterließ.

Ex Votos des heiligen Charles de Foucauld (Quelle: https://notre-dame-afrique.org/nos-jours/)

Mit der weltlichen Herrschaft Frankreichs hielten bedauerlicherweise auch die Irrtümer der französischen Revolution Einzug in Algerien; Priestern und Bischöfen wurde es unter Androhung von Strafen verboten, sich der Bekehrung der Moslems und Juden in der neuen Kolonie zu widmen. Der Jesuitenpater Ducat, der in Ben Aknoun bei Algier ein Waisenhaus betrieb, empfand den Umstand, dass so wenig zur Bekehrung der muslimischen Bevölkerung getan wurde, als sehr schmerzhaft. Es wurde zwar hier und da für die Bekehrung der Anhänger Mohammeds gebetet, dies geschah nach seinem Urteil aber längst nicht überall und nicht beharrlich genug. Er gründete eine Gebetsgemeinschaft, deren Zweck es war, „durch das Gebet den reichsten Segen vom Himmel auf die Eingeborenen herabzuziehen“ und berichtete bei einem Rombesuch dem Heiligen Vater Pius IX. von seinem Vorhaben. Der Papst war ebenfalls der Meinung, dass gegen den Islam ein „Kreuzzug des Gebets“ nötig sein würde. Auch Msgr. Pavy stimmte den Zielen der Gebetsgemeinschaft zu und errichtete sie im Jahr 1858 als Erzkonfraternität, die auch Mitglieder aus anderen Diözesen aufnahm. Zentrum der Konfraternität war nach den Konstitutionen zunächst die provisorische Kapelle. Alle Mitglieder sollten täglich ein Pater noster, ein Ave und ein Gloria patri mit der Anrufung „Unbeflecktes Herz Mariens, bitte für uns für die armen Ungläubigen!“ beten. Jeden Samstag wurde das Messopfer auf dem Altar Unserer Lieben Frau von Afrika für die Intention der Erzkonfraternität gefeiert; das Hauptfest war der 22. August, das Fest des Unbefleckten Herzens Mariens. Für die Mitglieder in den einzelnen Diözesen sollte jeweils ein Priester die Korrespondenz mit der Leitung der Erzkonfraternität übernehmen und die Mitgliedernamen an diese übermitteln. Die Konfraternität hatte bald mehrere zehntausend Mitglieder in ganz Frankreich. Später kamen Mitglieder aus Deutschland, der Schweiz und selbst aus den Missionen in Thailand hinzu. Besondere Förderung erhielt die Konfraternität auch durch die Weißen Väter, die 1868 von Msgr. Lavigerie in Algier gegründet worden waren und sich unter den besonderen Schutz Unserer Lieben Frau von Afrika gestellt hatten.

 Im frühen 20. Jahrhundert geriet die Konfraternität zusehends in Verfall, da die Priester Frankreichs durch die kirchenfeindlichen Gesetze von 1905 in ihrer Tätigkeit behindert wurden. Zudem überließen die Weißen Väter die Seelsorge in Algier dem Weltklerus und konzentrierten sich vor allem auf ihre Missionen an den Afrikanischen Großen Seen. Am 6. Januar 1923 errichtete Msgr. Augustin-Fernand Leynaud, Erzbischof von Algier, die Gebetsgemeinschaft neu und machte in dem dazugehörigen Hirtenbrief darauf aufmerksam, wie stark der Zug der muslimischen Bevölkerung zu Unserer Lieben Frau von Afrika war. Viele Moslems kamen und kommen noch heute in die Basilika, um zu Meriem zu beten. Er wies noch einmal darauf hin, dass die Bekehrung der muslimischen Welt mit eifrigerem und beharrlichem Gebet beschleunigt werden kann. Die Konstitutionen wurden geringfügig verändert: die Anrufung lautete nun „Unsere Liebe Frau von Afrika, bitte für uns und für die Moslems und die anderen Ungläubigen in Afrika“, während das Hauptfest auf Epiphanie gelegt wurde.

Wie viele andere Wallfahrtsorte auch haben zahlreiche Gläubige bei Unserer Lieben Frau von Afrika die Erhörung ihrer Gebete und sogar wunderbare Heilungen erfahren. So trägt sie auch den Beinamen der „Trösterin der Betrübten“ Ebenso verehrten die Seefahrer Algiers sie in einer eigenen Bruderschaft.[6]

Eine besondere Pilgergruppe brachte im Jahr 1914 Unserer Lieben Frau ihre Verehrung dar. Eine Gesandtschaft der katholischen Häupter Ugandas unter Führung ihrer Missionare, der Weißen Väter, dankte Maria für die Gnaden, die ihr Volk besonders in den vorangegangenen Jahren erhalten hatte:

„Am 19. Februar 1914 sah die Kirche U.L. Frau von Afrika bei Algier eine seltene Feier: vier der vornehmsten Baganda weihten im Namen ihrer 200.000 katholischen Landesbrüder ihr Vaterland der Mutter Gottes.

Diese Wallfahrtskirche ist mit der Geschichte der Weißen Väter und der Ugandamission innig verknüpft: hier wurde der erste Priester der jungen Gesellschaft geweiht, von hier aus sandte Kardinal Lavigerie 1878 die erste Karawane seiner Missionäre ins Herz des schwarzen Erdteils, nach Uganda.

Der Sturm einer blutigen Christenverfolgung ist seitdem über die junge Saat dahingebraust und hat Uganda und der ganzen Kirche 22 Negermärtyrer geschenkt. Und das Blut dieser Märtyrer ist der Same neuer Christen geworden: aus den 4000 Katholiken Ugandas zu Beginn der Verfolgung (1886) sind über 220.000 geworden.

Die frohen Ereignisse der letzten Jahre, die Einleitung des Seligsprechungsprozesses der Bagandamärtyrer und die Weihe der ersten Bagandapriester haben den Katholiken die Größe ihrer Dankesschuld gegen Maria wieder klar vor Augen gestellt und sie gedrängt, aus den Edelsten ihres Volkes vier Gesandte zu wählen, die der Königin Afrikas in ihrem Heiligtum den Dank des ganzen Volkes abstatten sollten. 

Zugleich sollten sie das Mutterhaus der Weißen Väter, Maison Carée, aufsuchen, von dem so viel Segen über Uganda ausgegangen, ihren erkrankten Oberhirten, Bischof Streicher, dort begrüßen und dann als Vertreter des Volkes zum Grabe des Erlösers nach Jerusalem, zum Heiligen Vater in Rom und nach Lourdes wallfahren.

Die Erwählten waren Stanislaus Mugwanja, der bekannte Justizminister des Königreichs Uganda, Alexis Pokino, Statthalter der Provinz Buddu, und der Prinz Joseph Mosonge Wulugembe, Enkel des Königs Mtesa und Vetter des jetzigen Königs. Außerdem hatte Stanislaus aus der Schar seiner 17 Kinder seinen Sohn Benedikt an der Reise teilnehmen lassen.

Am Morgen des 19. Februar wurden die vier Baganda in feierlichem Zuge in die Basilika geleitet, wo sich die Weißen Väter und Schwestern aus dem Mutterhause und dem Noviziat, der Ordens- und Weltklerus und die Katholiken von Algier und Umgebung zur Feier versammelt hatten. Nach dem Pontifikalamt, das Bischof Streicher von Uganda unter Assistenz des Bischofs Livinhac, des Generaloberen der Weißen Väter, zelebrierte, las Stanislaus Mugwanja mit fester Stimme die feierliche Weihe vor: 

‚O heiligste Jungfrau Maria, unsere Mutter, schaue auf uns Kinder Ugandas, die wir hier vor dir knien. 

Wir sind gekommen, um dir in unserem Namen und in dem aller katholischen Baganda Dank zu sagen für die wunderbare Ausbreitung, welche unsere heilige Religion in unserem Land genommen hat. 

Wir danken dir auch für die große Anzahl seeleneifriger Priester, die du zu uns gesandt hast, damit sie uns in den Wahrheiten des Glaubens unterrichten. Wir weihen dir unser Land und unterstellen es deiner Obhut. 

Nimm unsere Weihe huldvoll an und erwirke allen jenen, die unseren heiligen Glauben bereits angenommen haben, die Gnade, ihm treu zu bleiben, jenen unserer Landsleute aber, die dich noch nicht kennen, sowie die Völker rings umher, das unschätzbare Glück, katholisch zu werden und so dahin gelangen, in Wahrheit Jesus, unseren Herrn und Seligmacher, kennen und lieben zu lernen. 

Stanislaus Mugwanja, Alexis Pokino, Josefu Wulugembe.‘

‚Wiewohl wir die Worte nicht verstanden‘, schreibt ein Augenzeuge, ‚hörten wir doch aus seinem Vortrag die tiefe Ergriffenheit heraus.‘

Die schönste Freude bot dieser Tag dem greisen Generalobern der Weißen Väter[7], der als einer der ersten die frohe Botschaft in Uganda verkündet und als Oberhirte der Kirche Ugandas die blutige Verfolgung in ihrer ganzen Bitterkeit verkostet hatte.“

Wie bereits in den frühesten Tagen des Wallfahrtsortes, als sich Muslime den Prozessionen zu Notre-Dame du Ravin anschlossen, so ist die Basilika Unserer Lieben Frau von Afrika auch heute, über 60 Jahre nach Ende der französischen Herrschaft über Algerien und dem fast vollständigen Exodus der christlichen Bevölkerung, eine Stätte, an dem viele Anhänger des Islams sich den Segen von „Meriem“ erbitten. Möge Msgr. Pavys Wunsch in Erfüllung gehen und die Mutter Gottes ihnen die Erkenntnis von der Göttlichkeit ihres Sohnes Jesus Christus vermitteln.



[1] Msgr. Pavy lernte die beiden tugendhaften Frauen, die sich gemeinsam Werken der Nächstenliebe widmeten, als Vikar der Lyoner Pfarrei Saint-Bonaventure kennen.
[2] https://lesfrancais.press/algerie-la-basilique-de-notre-dame-dafrique-a-fete-ses-150-ans/
[3] Heute Bologhine genannt.
[4] Bilhard, A.: Pèlerinage de Notre-Dame d’Afrique à Alger. impr. de Lamarque et Rives, Toulouse 1858
[5] Msgr. Pavys Leichnam wurde auf seinen Wunsch nach der Fertigstellung der Basilika dorthin übertragen und vor dem Hochaltar bestattet.
[6] Lavigerie, Charles:  Notice sur le pèlerinage de Notre-Dame d'Afrique à Alger (2e éd. revue, corrigée et augmentée). Algier 1924
[7] Msgr. Léon Livinhac, erster Apostolischer Vikar von Victoria-Nyanza.

Sonntag, 26. März 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Unsere Liebe Frau von Madhu (Sri Lanka)

 

(Quelle: Virgendelosremedios)

Im Nordwesten Sri Lankas, etwa 150 km südlich von Jaffna, liegt der Marienwallfahrtsort Madhu. Die Region ist seit dem Beginn der portugiesischen Herrschaft über Sri Lanka im 16. Jahrhundert stark katholisch geprägt. In dieser Gegend war der heilige Franz Xaver selbst als Missionar tätig gewesen. In Mantai, einem alten Umschlagsplatz an der Küste, baute man im 17. Jahrhundert eine Kirche, in der ein Bild der allerseligsten Jungfrau verehrt wurde.

Die Verfolgung der katholischen Religion durch die calvinischen Niederländer, die ab 1658 über die Insel herrschten, veranlasste eine Gruppe von Gläubigen aus 20 Familien dazu, im Jahr 1670 mit dem Gnadenbild ca. 40 km ins Landesinnere in den unwegsamen Urwald zu flüchten, um dort eine neue Kirche zu errichten. An diesem Ort soll auch der heilige Joseph Vaz, der „Apostel Ceylons“, gewirkt haben. Die Gründung ging durch das Auftreten von Seuchen nach einiger Zeit zu Grunde. Als jedoch unter der britischen Herrschaft die religiöse Duldung wieder Einzug hielt, begab sich im Jahr 1872 der Apostolische Vikar Jaffnas, Msgr. Bonjean aus der Gemeinschaft der Oblaten der unbefleckten Jungfrau Maria, daran, eine neue Wallfahrtskirche zu bauen, die Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz gewidmet ist. Aufgrund der Abgelegenheit wurde die Kirche erst unter Bonjeans zweitem Nachfolger Henri Joulain fertiggestellt.[1] Der 60 Meter lange neobarocke Bau konnte mit den Spenden einheimischer Katholiken errichtet werden. Die dort verehrte Marienstatue ist eine Madonna im europäischen Stil mit dem Jesuskind auf dem Arm, das als Zeichen seiner Königswürde nach singhalesischer Tradition einen Sonnenschirm hält. Die Statue samt Kind ist vollständig in einen weiten Mantel gehüllt, der meist weiß oder blau ist; die Kleider der Statue werden gelegentlich gewechselt. Sie hat ihren Platz  im einfachen neugotischen Holzaltar.

Ähnlich wie die beiden wichtigsten chinesischen Marienwallfahrtsorte ist auch Madhu bedeutend gewachsen. Waren es am zum Ende des 19. Jahrhunderts 12.000 Pilger, die am Hauptwallfahrtstag, dem Fest Mariä Heimsuchung am 2. Juli, zu Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz pilgerten, wurden es 1924 ca. 150.000. Anlass für die große Zahl der Pilger in jenem Jahr war die Krönung der Madonna durch Erzbischof Coudert von Colombo im Beisein der übrigen Bischöfe Sri Lankas.[2] Ein anschauliches Bild der Wallfahrt zu dieser Zeit zeichnet der Oblatenpater Duchaussois, der berichtet, „dass in diesem Dschungel-Wallfahrtsort, wo ein aus der portugiesischen Zeit stammendes Marienbild (Mutter und Kind, letzteres mit Krone und Sonnenschirm, dem Zeichen der Königswürde) verehrt wird, in der Hauptwallfahrtszeit 30–40 Priester an einfachsten Beichtgittern im Freien 9 Tage lang bis in die Nacht hinein Beicht hören, während die Hälfte der Pilger zu ihrem Schmerz ohne Sakramentenempfang heimkehren muss, weil eben nicht genug Priester zur Verfügung stehen. Und dabei kommen die Leute von den Enden Ceylons und sogar vom indischen Festland in langer, beschwerlicher Reise! Neben den großen Predigten für die Pilgermassen finden unter schattigen Bäumen zwanglose Aussprachezirkel statt, in denen von Missionaren vor der lauschenden Menge die Glaubenswahrheiten gegen einen bestellten ‚Gegner‘ (meist einen christlichen Eingeborenen, der die heidnischen Anschauungen vertritt) verteidigt werden. Tagelang sind in dieser Zeit die nach Madhu führenden Straßen in Staub gehüllt. In dieser Staubwolke bewegen sich endlose Kolonnen von Ochsenkarren mit Pilgern und Massen von Fußgängern aller südindischen und ceylonesischen Rassen dem Wallfahrtsziele zu.

Auch Brahmanen und Buddhisten finden sich ein, aus Neugierde oder Glaubenssehnucht, die oft zur Glaubensbereitschaft wird. Madhu weist jährlich zahlreiche Konversionen auf. Die Massen haben keine Hotels. Das Hotel der Nomadenstadt ist der Dschungel. Die meist armen Leute – Madhu sieht jährlich nur 2000 Reiche – wohnen in Laubzelten. Jede Familie bildet aus dünnem Zweigwerk in Ellbogenhöhe einen Zaun um den gewählten Ruheplatz. (…) Arm und reich schläft nebeneinander, der Kastenstolze neben dem Paria. Das Auto steht neben dem Ochsenkarren. Vom Heiligtum Mariens in der großen Dschungelkirche, deren Holzsäulen Elefanten aus 10 km Entfernung herbeischleppten, strahlt jener Friede und Brudersinn aus, den die Gesellschaft des Mittleren Orients so sehr entbehrt.“[3]

Inneres der Wallfahrtskirche (Quelle: lakpuratravels)

Im Jahr 1944 weihte der Bischof von Jaffna, Msgr. Alfred Guyomar O.M.I., die Kirche unter dem Beisein einer großen Volksmenge. In den Nachkriegsjahren wurde die Statue Unserer Liebe Frau von Madhu zur Pilgermadonna, die in allen Pfarreien der Diözese Jaffna zur Verehrung der Gläubigen ausgestellt wurde, zunächst 1948 und dann 1974, dem von Papst Paul VI. ausgerufenen „Jahr der Versöhnung“. Im Jahr 2001 riefen die Gläubigen die Pilgermadonna besonders für den Frieden auf Sri Lanka an, da sich das Land durch den Konflikt zwischen Tamilen und Singhalesen im Bürgerkrieg befand. Dieser Krieg ging am Wallfahrtsort Madhu nicht spurlos vorüber; wie viele Gebiete des Nordens war auch der Distrikt Mannar, in dem Madhu liegt, eine der Hochburgen der Liberation Tigers of Tamil-Eelam (LTTE), einer bewaffneten separatistischen Gruppierung, die seit 1983 für einen unabhängigen Tamilenstaat auf der Insel kämpfte. In den 1990er Jahren bot der Wallfahrtsort 36.000 Binnenflüchtlingen Schutz und wurde von den Kriegsparteien als entmilitarisierter Bereich betrachtet, kam allerdings am 20. November 1999 unter Artilleriebeschuss – vermutlich durch die Regierungstruppen –, wobei 33 Flüchtlinge in der Herz-Jesu-Kapelle getötet wurden.[4] Als die singhalesischen Regierungstruppen 2008 eine großangelegte Offensive gegen die LTTE durchführte, in deren Rahmen die Rebellen militärisch besiegt wurden, kam es um Madhu erneut zu Kampfhandlungen, und die Statue der Madonna musste an einen sicheren Ort gebracht werden. Sri Lankas Bischöfe setzten sich in einem gemeinsamen Schreiben vom 23. April 2008 für ein Ende der Kämpfe rund um Madhu ein.[5]

Der Bürgerkrieg endete im Mai 2009 mit der Niederlage der LTTE und der Einnahme der Tamilengebiete durch die Regierungstruppen; im selben Jahr fanden sich zum Fest Mariä Himmelfahrt nach einigen Angaben bis zu einer halben Million Pilger ein.[6]

Auf seiner Reise nach Sri Lanka im Januar 2015 besuchte Papst Franziskus Madhu, wo er im Kontext des Bürgerkriegs und des damit verbundenen Leids darauf hinwies, dass die Mutter Gottes den Mördern ihres Sohnes unter dem Kreuz verzieh und darum auch Sri Lanka auf den Weg zu mehr Versöhnung führen würde. Der Papst legte der Statue einen Rosenkranz um den Hals und hob sie zum Segen über die 300.000 Teilnehmer des päpstlichen Besuchs in Madhu.[7]



[1] Deslandes O.M.I.: U.L. Frau von Madu, ein Wallfahrtsort auf Ceylon. In: Die katholischen Missionen, Herdersche Verlagsbuchhandlung, Freiburg 1907
[2] Nachrichten über Indien und Ceylon. In: Die katholischen Missionen, Xaverius-Verlagsbuchhandlung, Aachen 1925
[3] Peters, Joseph: : Maria, seliggepriesen von allen Völkern.  a.a.O.
[4] https://www.tamilguardian.com/content/our-lady-madhu-refugee-her-own-land-bishop
[5] https://omiusajpic.org/wp-content/uploads/2008/06/bishops-demand-ltte-quit-madhu-shrine.pdf
[6] https://udayton.edu/imri/mary/o/our-lady-of-madhu.php
[7] https://www.catholicregister.org/home/international/item/19535-in-madhu-pope-tells-sri-lankans-reconciliation-requires-repentance