Anlässlich des
großen Missionsjahres 1922 (300-jähriges Bestehen der Kongregation Propaganda
Fide, 300-jähriges Jubiläum der Kanonisierung des hl. Franz Xaver) gab es
weltweit große Festlichkeiten, natürlich auch in Rom. Am Pfingstfest 1922 hielt
Papst Pius XI. beim Pontifikalamt eine ergreifende Missionspredigt. Nachfolgend
der Bericht von P. Alfons Väth S.J.:
In der
prächtigen Theatinerkirche Sant‘ Andrea della Valle, die häufig Zeuge von
Missionsfesten ist, wurde das vom verstorbenen Papst [Benedikt XV] angeordnet Triduum
gefeiert. In den Abendandachten predigten Kardinal Laurenti, Prälat J.B. Rosa
und Kardinal Massi. Die Beteiligung war für römische Verhältnisse, wo sich
Kirche an Kirche reiht, ungewöhnlich stark, am letzten Tag, Pfingsten, so
stark, wie sie selten eine römische Kirche erlebt. Aber am Morgen des
Pfingstfestes hatte sich schon die feierlichste Handlung des Jubelfestes
vollzogen: die Pontifikalmesse im hohen Petersdom.
Das hehre
Schauspiel bleibt dem Rompilger, der zum ersten Mal Zeuge sein darf,
unvergesslich. Stunden zuvor beginnen die Scharen sich in den gewaltigen Bau zu
drängen. Immer neuen Tausenden gewährt er mühelos Aufnahme. Abteilungen der
päpstlichen Leibwachen in glänzenden Uniformen beziehen ihre Posten. Priester,
Seminaristen und Schwestern füllen in unübersehbaren Reihen das Mittelschiff,
Vertreter der Ritterorden, der Diplomatie und des Adels in Gala das lange Chor.
So bietet schon die Zeit des Wartens des Neuen und Überraschenden genug. (…)
Eine Bewegung,
die plötzlich die Menschenmasse durchzuckt, zeigt uns an, dass der Festzug aus
dem Vatikan durch die Seitenkapelle in die Basilika einzutreten beginnt:
Nobelgardisten und Hofleute, Prälaten in feierlicher Tracht, über hundert
Bischöfe und Äbte in Pontifikalgewändern und weißer Mitra, 24 Kardinäle in
majestätischem Purpur. Und dann aus weiter Ferne Trompetenschall, Evviva-Rufe
und Händeklatschen. Und dort erscheint der Statthalter Christi, mit der
dreifachen Krone geschmückt, auf hohem Thron, von dem Baldachin überschattet.
Der Jubel pflanzt sich fort, wie sich der Zug unter den Klängen des
Triumphmarsches und dem Gesang des Tu es Petrus langsam dem Chor zubewegt.
Selbst der kühle Nordländer wird fortgerissen und fühlt sich einmal als Römer.
Es folgen die
langen eigenartigen (d. h. besonderen) Zeremonien der von Choralgesang begleiteten
Papstmesse. Endlich naht der Höhepunkt des heiligen Opfers, die Wandlung. Ein
Kommandoruf. Die Garden sinken in die Knie und salutieren. Lautlose Stille.
Pius XI. erhebt die heilige Hostie nach drei Seiten, und wie vom Himmel herab
ertönt der reine Klang der Silbertrompeten in zitternder lieblicher Melodie.
Die Papstmesse
nimmt ihren Fortgang. Drei Stunden dauert die heilige Handlung. Schließlich
wendet sich derselbe feierliche Zug, diesmal in meiner nächsten Nähe unter dem
begeisterten Jubel von vielen tausend Menschenherzen wieder durch die ganze
Länge des gewaltigen Domes der Seitenkapelle und dem Vatikan zu.
Was dieses
Pontifikalamt vor den übrigen auszeichnete, war die Missionspredigt des
Heiligen Vaters nach dem Evangelium. Mit weithin dringender Stimme sprach er
von seinem Thron in der Apsis dreiviertel Stunden lang. Die formvollendete,
ernste und eindringliche, an manchen Stellen sich zum höchsten Flug der
Beredsamkeit erhebende Ansprache galt Urbi et Orbi, Rom und der Welt, und reiht
sich den großen Missionskundgebungen Benedikts XV. würdig an.
Ausgehend vom
Pfingstwunder und seiner welterneuernden Bedeutung, gedachte er der Stiftung
der Propaganda vor 300 Jahren, wobei er die Zeitumstände ihrer Geburt, die
Verbreitung des Irrglaubens und das Neuerwachen katholischen Lebens, streifte
und kurz den Doppelzweck der Stiftung zeichnete, die Erhaltung des gefährdeten
Glaubens beim katholischen Volk und die Gewinnung der Heiden. In begeisterten
Worten schilderte er sodann ihr Wirken während der drei verflossenen
Jahrhunderte und das großartige Schauspiel, das sich heute auf dem Missionsfeld
abspielt. Heißer Dank gebührt Gott für den herrlichen Erfolg der
Heidenbekehrung. Sodann fuhr der hohe Redner fort:
„Wenn Unsere
Dankbarkeit gegen Gott und all die edlen Seelen, die das Werkzeug seiner Gnade
waren und sind, keine Grenzen kennt, anders Unsere Freude. Ehrwürdige Brüder
und teuerste Söhne! Viel ist getan, viel ist erreicht, viele Seelen sind
gerettet, viel Ehre ist Gott gegeben. Aber wie viele Seelen gehen noch zu
Grunde, für wie viele ist das Blut des Erlösers vergebens geflossen! Dichte
Völkermassen, im schwarzen Erdteil wie in den unermesslichen Gebieten Indiens
und Chinas, warten immer noch auf das Wort des Heiles.
Die
Glaubensboten der Propaganda mit ihren Führern, den Bischöfen, und mit ihren
Gehilfen, den Katechisten, die Angehörigen der Orden und die geweihten
Jungfrauen, das ganze heilige Gottesheer steht dort auf dem Plane, diesen
Menschenmassen gegenüber; aber die Zahl der Arbeiter ist unzureichend und die
Mittel mangelnd. Bedenket! Sie stehen dort, des Sieges gewiss und bereit, das
Leben dafür hinzugeben; aber die Waffen fehlen, es fehlen die Mittel, und die
herrliche Schar ist gezwungen, halt zu machen.
Unterdessen eilen andere auf das
Feld, das ihnen nicht gehört, und sie sind nicht Herolde der Wahrheit. Es ist
ein schmerzlicher Anblick. Dieser Schmerz hat das Herz Unseres verehrten
Vorgängers und Vaters in Christo (Papst Benedikt XV.) gequält und immer wieder
seine Gedanken dem Werk der Heidenbekehrung zugewandt. Die ganze Welt rief er
zur Unterstützung der so unermesslichen Segen stiftenden Missionswerke auf.
Heute wollte er hier erscheinen. Von diesem Ort aus wollte er das Wort an die
ganze Welt richten und jedes Christenherz zu Hilfe rufen.
Ehrwürdige
Brüder und geliebte Söhne! Es geschieht auch im Namen dieses von Uns und euch
so hochverehrten Vaters, wenn Wir Uns an euch wenden und von dieser hohen Warte
an die ganze Welt den Ruf ergehen lassen, getreu zusammenzustehen. Das
herrliche Schauspiel, das Uns das katholische Apostolat bietet, lässt Uns heute
mehr als je empfinden, dass Wir, wiewohl unwürdig, die Stelle dessen vertreten,
der Sein Blut für die Seelen gab.
Heute fühlen
Wir tiefer als je den Herzschlag der allumfassenden Vaterschaft, zu der Gott
Uns berief. Möge er darum Uns die Gnade verleihen, was uns noch an Leben und
Arbeitskraft verbleibt, für das Heil so vieler Seelen hinzugeben, die der
Heilsbotschaft noch harren. Möge die Welt Unsern Ruf vernehmen! Mögen alle den
Seelen zu Hilfe eilen, die Christus erkauft hat, die aber dennoch im Irrtum und
in der Barbarei zu Grund gehen…
Dass auch nur
eine einzige Seele durch unsere Saumseligkeit, durch unsern Mangel an Edelmut
verloren geht, dass auch nur ein einziger Glaubensbote haltmachen muss, weil
ihm die Mittel mangeln, die wir ihm verschaffen könnten, ist eine große
Verantwortlichkeit, die wir im Laufe unseres Lebens wohl nicht oft genug
gedacht haben.
Wer wir auch
sein mögen, in größerem oder geringerem Maße haben wir täglich die Wohltaten
der Religion genossen.
Von der Wiege auf hat das Zeichen des Glaubens die Tage unseres Lebens erhellt.
Seit unseren Kinderjahren durften wir uns an den göttlichen Tisch setzen und am
himmlischen Gastmahl teilnehmen.
Wie oft haben wir in stillen Augenblicken in dankbarer Erinnerung diese
Wohltaten erwogen, die Gottes Hand über uns ausgestreut? Und was war die Folge
solchen Nachdenkens? Werden wir etwa vor Gottes Richterstuhl treten, ohne ihm
für die so reichlich verliehenen Wohltaten gedankt zu haben?
Wir selbst fühlen Uns unendlich mehr denn jeder andere als Gottes Schuldner,
aber auch der letzte der Gläubigen kann und muss sich immer wieder sagen: Wie
soll ich dem Herrn vergelten für alles, was er an mir getan? Hier bietet sich
eine Gelegenheit, günstig wie keine andere.
Zum Dank für den Glauben, den wir
von Gott empfingen, wollen wir anderen Seelen den Glauben einpflanzen helfen.
Mit den Gnadenschätzen, mit denen Gott uns überhäufte, wollen wir aus allen
Kräften mitwirken, damit diese Schätze so weit als möglich, zu allen Geschöpfen
des lieben Gottes getragen werden.
Das verlangt heute von euch, von allen
seinen Kindern der Statthalter Christi. Darum zögert er nicht, von dieser Höhe
allen die Hand entgegenzustrecken, alle um Hilfe, Beistand, Beisteuer zu
bitten.
Als Ausdruck
der Dankbarkeit steige jetzt auf euch, ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne,
und auf alle Unsere Söhne in der Ferne der apostolische Segen hernieder.
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Papst Pius XI. bei der Einweihung des neuen Campus der Päpstlichen Universität Urbaniana. Anwesend sind Kleriker (wohl Seminaristen) aus verschiedenen Missionsländern. |
Er steige herab auf die Bekenner des Glaubens, die gegenwärtig an der Front
gegen Irrtum und Barbarei den Kampf der Wahrheit und des Guten kämpfen.
Er steige herab auf alle, die ihnen hilfreich die Hand reichen.
Er steige herab auf jene auserwählten Ordensfrauen, die sich aus dem Schweigen
des Klosters beherzt in den heiligen Streit geworfen haben.
Er steige herab auf die Erstlinge des einheimischen Priestertums, auf denen
Unsere Hoffnung ruht.
Er steige herab auf alle, die großmütig dem heiligen Werk der Glaubensverbreitung
ihre Hilfe leihen, das gerade jetzt, an diesem dreihundertjährigen Gedenktag,
in großherziger Gesinnung, die treuer und edler erstgeborener Kinder wahrhaft
würdig ist, sich enger an den Apostolischen Stuhl angeschlossen und sich der
Hand des Statthalters Christi genähert hat, um seine kostbare Beisteuer immer reichlicher
und bereitwilliger darzubieten.
Er steige herab auf das unaussprechlich schöne Werk der heiligen Kindheit, das
so viele auserwählte Lilien dem göttlichen Lamm getragen hat und trägt.
Er steige herab auf alle Unternehmungen, die der von der Vorsehung erwählten
Kongregation der Propaganda zu Hilfe kommen, vor allem auf den Priestermissionsbund,
der sich mit soviel Frucht verbreitet.
Möge sich der Missionsgeist heute in den
Herzen aller Priester entzünden! Möge er alle Gläubigen entflammen und für das
heilige, das göttliche Werk gewinnen!
Möge endlich
dieser Segen, zum Gebet geworden, wieder emporsteigen zum Thron Gottes und dort
das Flehen wiederholen, das der Geist Gottes gerade in diesen Tagen auf die
Lippen und in das Herz seiner Kirche legte: Dass du alle Irrenden zur Einheit
der Kirche zurückrufen und alle Ungläubigen zum Licht des Evangeliums führen
wollest: Wir bitten dich, erhöre uns!
(Aus: die
katholischen Missionen, 1922)