Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier

Sonntag, 30. April 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Unsere Liebe Frau von La Vang (Vietnam)

 

Moderne Statue unserer Lieben Frau von La Vang auf dem Gelände des Wallfahrtsorts (Quelle: Hoangvantoanajc)


Nachdem der neue vietnamesische Kaiser Canh Thinh im Jahr 1798 die katholische Religion in seinem Reich verboten hatte, flohen Katholiken aus der Gegend der Kaiserstadt Huế in den Dschungel von La Vang. Dort suchten sie im Rosenkranzgebet Hilfe in ihrer Notlage, und eines Tages erschien ihnen die allerseligste Jungfrau mit dem Jesuskind auf dem Arm, sprach ihnen Trost zu und riet ihnen, mit den Blättern der umliegenden Bäume eine Art Tee zu kochen, um Krankheiten zu heilen. Von der Erscheinung der Mutter Gottes werden folgende Worte überliefert: „Vertraut mir, denn ich habe eure Gebete erhört. Von nun an werde ich alle diejenigen segnen, die mich an diesem Ort anrufen.“[1] Die Verfolgten konnten 1802 in ihre Dörfer zurückkehren und berichteten ihrem Umfeld von der himmlischen Erscheinung. In der Folge bauten die Katholiken in La Vang eine Kapelle, die in den späteren Verfolgungszeiten zahlreiche Male zerstört, von den Gläubigen aber immer wieder aufgebaut wurde. Nachdem die Christenverfolgungen in Vietnam mit der französischen Herrschaft über das gesamte Land zum Ende gekommen war, ließ der Apostolische Vikar von Huế, Msgr. Marie-Antoine-Louise Caspar M.E.P., eine große Kirche in La Vang bauen, die er vom 6. bis 8. August 1901 im Beisein von 12.000 Pilgern einweihte. Bald war auch diese Kirche zu klein, sodass eine größere an ihrer Stelle gebaut wurde, die am 22. August 1928 im Beisein von 20.000 Pilgern eingeweiht wurde. Im Jahr 1959 wurde sie anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Einführung des Christentums in Vietnam zum Nationalheiligtum des Landes, und Papst Johannes XXXIII. erhob sie 1961 zur Basilica minor. Im selben Jahr fand an dem Wallfahrtsort ein marianischer Kongress unter großer Teilnahme von einheimischen und französischen Bischöfen, weltlichen Behörden und zahlreichen Gläubigen statt. Die vietnamesische Bischofskonferenz erklärte La Vang am 13. April 1961 zum nationalen marianischen Zentrum.

Die ursprüngliche Basilika, die im Jahr 1972 bis auf den Kirchturm zerstört wurde (Quelle: Sciacchitano) 
 

Gegen Ende des Vietnamkriegs wurde die Kirche vollständig durch Artilleriebeschuss zerstört. Nach der Vereinigung von Nord- und Südvietnam weigerte sich die kommunistische Regierung lange Zeit, die Kirche wieder aufzubauen. Die Verehrung des Volkes überdauerte auch diese schweren Zeiten, und im Jahr 2012 wurde der Bau einer neuen Basilika im asiatischen Stil begonnen, die vor der Fertigstellung steht. An den Feierlichkeiten zum Fest Mariä Himmelfahrt nahmen im Jahr 2019 insgesamt 80.000 Personen teil. Besonders Papst Johannes Paul II. betonte die Bedeutung dieses Wallfahrtsorts für die Kirche in Vietnam, etwa als er am Weltjugendtag in Denver im Jahr 1993 die vietnamesische Kirche unter den Schutz unserer Lieben Frau von La Vang stellte.



[1] https://www.ucanews.com/news/vietnams-our-lady-of-la-vang-lifts-pilgrims-spirits/97389



Sonntag, 23. April 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Der Muttergottesbaum in Matarieh (Ägypten)

Einer der ältesten und zugleich einer der wenigen Marienwallfahrtsorte, der direkt mit dem irdischen Leben der allerseligsten Jungfrau Maria in Zusammenhang gebracht werden kann, ist der Muttergottesbaum von Matarieh, der sich heute im Bezirk Al Matariyah in der ägyptischen Hauptstadt Kairo befindet.

Die Überlieferung berichtet, dass die Heilige Familie sich nach ihrer Flucht nach Ägypten in Heliopolis, der „Sonnenstadt“ (ägyptisch Pi-Ra, Wohnung der Sonne), niederließ. Diese im Altertum berühmte Stadt verfügte neben einem großen Sonnentempel über Schulen für Philosophie und Astronomie, in denen die heidnischen Priester studierten. Der biblische Patriarch Joseph heiratete Aseneth, die Tochter des Oberpriesters Putiphar, und wohnte dort. Möglicherweise hat auch Moses dort die ägyptischen Wissenschaften studiert. Zur Zeit des Herrn war Unterägypten Heimat zahlreicher Juden, die sich in der Umgegend des Tempels von Leontopolis niederließen. Weil Heliopolis bereits teilweise in Ruinen lag, so wählte die Heilige Familie Matarieh, einen kleinen Vorort Heliopolis’ mit einer großen jüdischen Bevölkerung. Da die ägyptischen Wohnhäuser zu jener Zeit aus Lehm waren, sind keine Überreste mehr von dem Heim der Heiligen Familie übrig, doch bis zum heutigen Tag wird ein anderes Relikt des Aufenthalts des Gottessohnes und seiner gebenedeiten Mutter dort verehrt: Der Muttergottesbaum von Matarieh. Es handelt sich dabei um eine Maulbeerfeige oder Sykomore (Ficus Sycomorus L.), wie sie im östlichen Mittelmeerraum und Afrika weitverbreitet ist. Der Baum wird auch in der Heiligen Schrift erwähnt. Unter einem solchen Baum, so die Überlieferung, soll sich die Heilige Familie ausgeruht bzw. Schutz gefunden haben.[1] In der Nähe dieses Baumes befindet sich eine Quelle. Im Bericht deutscher Wallfahrer aus dem Jahr 1484 heißt es: „Neben uns sehen wir die geweihte Quelle, aus der die glorreiche Jungfrau, Jesus, die Quelle der Frömmigkeit, und Joseph, das Beispiel aller Tugenden, ihren Durst gestillt haben. Nach einer alten Überlieferung unserer Vorfahren kam Joseph, da er auf Befehl des Engels aus dem Lande Israel floh, mit dem Kinde Jesus und seiner Mutter an diesen Ort. Von Durst gequält, bat er in allen Häusern Matariehs um Wasser, aber niemand gab ihm etwas. Ganz erschöpft und ermüdet von der Reise setzte sich die allerseligste Jungfrau mit dem Jesuskind und Joseph unter einen Baum nieder, und siehe da: plötzlich sprudelte an ihrer Seite eine Quelle hervor, und sie konnten sich erquicken.“

Der Ableger des ursprünglichen Baumes zu Beginn des 20. Jahrhunderts 
('Abre di la Viere - Matarieh (1904)' postcard sent by Charles Boddington 2021, Museum of Applied Arts & Sciences, accessed 23 April 2023, <https://ma.as/364278>)

Die Quelle wird schon in frühen christlichen Texten erwähnt, so in einer Predigt des Patriarchen Theophilus, der im Jahr 406 starb. Auch das apokryphe Evangelium über die Kindheit Jesu berichtet im 24. Kapitel: „Als die erhabenen Flüchtlinge die götzendienerische Stadt verließen, gingen sie zu einer Sykomore, die man heute den Baum von Matarea nennt; und zu Matarea ließ der Herr Jesus eine Quelle hervorsprudeln, in welcher Maria, die allerseligste Jungfrau, das Unterkleid des göttlichen Kindes wusch.“ Tatsächlich scheint es an diesem Ort eine Süßwasserquelle gegeben zu haben, während sich die Brunnen aus der Umgegend aus dem Nilwasser speiste, das in den Grund einsickert. Jedoch hat sich der Boden in den Jahrhunderten derart gehoben, dass heute das Quellwasser bereits mit dem Grundwasser aus dem Nil vermischt werden müsste. P. Jullien berichtet, dass das Wasser aus Matarieh tatsächlich weniger salzig war als das Grundwasser der Umgegend, das das Salz aus dem Boden löste. Nach der muslimischen Eroberung gewann die Quelle ein solches Ansehen, dass der ägyptische Sultan vermutlich im 13. Jahrhundert dort einen Landsitz bauen ließ, dessen Balsambaum-Garten nur mit dem Wasser aus der Quelle gegossen wurde. Die osmanischen Paschas in Ägypten zogen das Wasser aus Matarieh jedem anderen Trinkwasser vor.

Matarieh muss einst über eine bedeutende koptische Kirche verfügt haben, deren Kirchweihe in allen koptischen Kirchen Ägyptens und Äthiopiens am 8. Paoni des koptischen Kalenders, dem 15. Juni des gregorianischen Kalenders, unter dem Titel „Gedächtnis der Einweihung der Kirche der Jungfrau von Heliopolis und der wunderbaren Quelle“ gefeiert wurde. Möglicherweise war dies gar die Kathedrale des Bischofs von Heliopolis, dessen Bistum sich zur Zeit des Konzils von Ephesus im Jahr 431 nachweisen lässt. Sie wurde wohl zwischen dem 6. und 12. Jahrhundert entweder beim Schisma der Kopten oder bei der islamischen Eroberung zerstört, die auch einen Wiederaufbau im Jahr 1154 verhinderten, indem sie die im Bau befindliche Kirche plünderten und zu einer Moschee machten. Im 16. Jahrhundert bauten europäische Kaufleute aus Kairo in Matarieh eine Kapelle. Der Franziskanerpater Bernardin Amico, dessen Orden mit der Pflege der Kapelle betraut war, berichtet über den Bau: „Die Katholiken haben dort [in Matarieh] zu Ehren der Himmelskönigin eine Kapelle erbaut, welche noch besteht. Man sieht sie, wenn man den vor dem Garten befindlichen Hof betritt, rechts, etwa zehn Schritte von der Sakyeh. Das Innere derselben ist nur ein durch einige Treppenstufen in zwei Teile geschiedener Saal. Ein in den Boden gemauertes längliches Bassin, eine durch eine Lampe erhellte Nische in der Wand rechts, und im Vordergrund ein als Altar dienender Steintisch bilden den ganzen Schmuck. Man sagt, dass Maria in dem Bassin die Kleider des göttlichen Kindes wusch, dass sie dasselbe auf dem Stein ruhen ließ und dass sie an dem durch die Nische bezeichneten Ort betete. (…) An jedem Samstag, an den Feiertagen und an allen Muttergottesfesten wird hier die hl. Messe gelesen.“ Zwischenzeitlich wurde die Kirche von Ibrahim Pascha in eine kleine Moschee umgewandelt; nach seiner Absetzung erlaubten die Türken jedoch wieder den Christen das Gebet dort. In den folgenden Jahrzehnten verfiel die Kapelle zusehends und verschwand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die französischen Jesuiten in Kairo, allen voran P. Michel Jullien, der der bedeutendste Forscher auf dem Gebiet der Geschichte von Matarieh war, bauten in den 1890er Jahren eine Kirche, die diesen weniger bekannten Wallfahrtsort des Heiligen Landes – denn dazu gehört ja auch Ägypten – ehren sollte: 

„Seit einigen Jahren nun zeigt ein neues würdiges Heiligtum dem Pilger die Stelle an, wo die heilige Familie im Lande Ägypten gewohnt hat. Es ist das Werk der im Kolleg der heiligen Familie zu Kairo wirkenden französischen Jesuiten und besonders P. Julliens, der sich um die Erforschung der mit der Heiligen Schrift und der Kirchengeschichte in Verbindung stehenden Stätten so hohe Verdienste erworben hat. 

Schon von ferne grüßt aus der Mitte der Fassade auf rotem Marmorgrund dem Pilger die Inschrift entgegen: Sanctae familiae in Aegypto exsuli (Der heiligen Familie in ihrer ägyptischen Verbannung geweiht). 

Dieses Wort bringt denn auch die Idee zum Ausdruck, welche der Ausführung des schönen Heiligtums zu Grunde gelegt ist. So rufen die beiden eng aneinander liegenden Rundbogenpforten, wie man sie wohl bei Synagogen findet, die zwei Tafeln des alttestamentlichen Gesetzes ins Gedächtnis, unter dem die heilige Familie während ihrer Verbannung lebte. 

Anlehnend an die Legende, wonach bei der Ankunft des Heilandes die Götzenbilder von Heliopolis stürzten, wurden die tiefen Fundamente aus Ziegeln und Scherben des alten Sonnentempels von Heliopolis gelegt. Das Innere, ohne Reichtum, aber in schöner Einfachheit und Lichtfülle, strahlt in lieblichen, ruhigen Tönen den Frieden und die Reinheit wieder, welche die heilige Familie nach Ägypten gebracht. In einer Nische über dem Hochaltar, umrahmt von harmonisch angeordneten Bogen, Gewölben und Skulpturen, umleuchtet von mildem, bläulichen Scheine, thront die Gruppe der heiligen Familie, das Werk eines Lyoner Meisters.

Zwei Seitenaltäre zieren liebliche Statuen des hl. Antonius von Padua und des hl. Stanislaus Kostka, beide mit dem Jesuskind auf dem Arm. 


Am 8. Dezember des Jubiläumsjahres der Unbefleckten Empfängnis nahm der Apostol. Präfekt des Nildeltas unter zahlreicher Beteiligung von Pilgern aus Kairo und Umgebung die feierliche Weihe des Heiligtums vor. Eine Widmungstafel aus Marmor soll kommende Geschlechter daran erinnern, wie aus dem Vaterland Verbannte der verbannten heiligen Familie dieses Denkmal gesetzt. Sie trägt die Inschrift: ‚Französische Ordensleute, durch die gegenwärtige Verfolgung vertrieben, weihen als Zeichen der Liebe und Hoffnung auf ihre Rückkehr ins Vaterland der verbannten heiligen Familie dies Heiligtum.‘

Die Verehrung der heiligen Stätten hat im Laufe der letzten Jahre einen bedeutenden Aufschwung genommen. Ordensgemeinden, Bruderschaften, Vereine und Privatpersonen Kairos pilgern zu der heiligen Kapelle von Matarieh, und die Pilger nach dem Heiligen Land strömen in Scharen herbei, um die Ablässe zu gewinnen, welche an den Besuch des Heiligtums geknüpft sind.

Vor einem Jahre reihte nämlich der Heilige Vater die Kapelle von Matarieh den heiligen Stätten zweiter Ordnung ein, so dass dieselbe, was Würde und Vorrechte betrifft, den Heiligtümern von Tabor, der Werkstätte des hl. Joseph, der Kreuzauffindungs- und Mariä-Heimsuchungskirche, dem Josephs- und Unschuldig-Kinder-Altar in der Grotte von Bethlehem usw. ebenbürtig zur Seite steht.“[2]

Die Kirche der Heiligen Familie liegt heute genauso wie der Muttergottesbaum wenige Hundert Meter von der U-Bahn-Station El Matarya. Sie befindet sich in weitgehend unverändertem Zustand.

 

Gebet zur Heiligen Familie

„Heilige Familie, Maria und Joseph, die du zu Matarieh trotz der Entbehrungen und Demütigungen der Armut, der Einsamkeit der Verbannung, unter Verfolgung und Todesgefahr glücklich und zufrieden gelebt hast, weil Jesus in eurer Mitte war, und seine Gnade in euren Herzen regierte, erlanget den Pilgern die Gnade, dass Jesus in ihren Familien herrsche, ihnen Geduld und Frieden verleihe in den Prüfungen, und das Vertrauen, bald davon befreit zu werden.

Göttliches Kind Jesus, Du bist nach Ägypten gekommen und hast dort in den ersten Jahrhunderten Deines Gesetzes der Gnade die höchsten Tugenden erblühen lassen; gib, dass Deine Liebe und die christlichen Tugenden in diesem mit irdischen Gütern so reich gesegneten Lande auch jetzt wieder erblühen.“

 

Möge dieses Gebet des P. Jullien sich auch in unseren Tagen erfüllen.



[1] Der heute in Al Matariyah befindliche Baum ist wohl ein mehrere Generationen vom ursprünglichen Baum entfernter Ableger, da die über die Jahrhunderte beschriebenen Bäume deutlich unterschiedliche Formen aufwiesen. Der jetzige Baum ist im Jahr 2013 zusammengebrochen und wurde in der Folge beschnitten. Aus zwei Ästen hat sich mittlerweile ein neuer Baum gebildet.

[2] Ein afrikanisches Heiligtum. In: die katholischen Missionen. Herder’sche Verlagsbuchhandlung, Freiburg 1908

Samstag, 8. April 2023

„Es werden mich selig preisen alle Geschlechter“: Unsere Liebe Frau von Afrika (Algerien)


Mit der französischen Eroberung des Küstengebiets von Algerien um die Mitte des 19. Jahrhunderts fand auch die katholische Kirche wieder Eingang in diese kirchengeschichtlich so bedeutsame Region, die unter anderem die Heimat des heiligen Augustinus von Hippo ist. Zunächst hatte sich die Kirche auf die Seelsorge der französischen Kolonisten konzentriert, entfaltete aber nach einiger Zeit eine Missionstätigkeit, die besonders unter dem Berberstamm der Kabylen einige Erfolge erzielte.

Bald nach Beginn der französischen Herrschaft zog es zahlreiche Europäer, vor allem aus Frankreich und dem Mittelmeerraum, nach Algerien. Zu ihnen gehörten auch die beiden eifrigen Lyoner Katholikinnen Margarita Bergesio, eine italienische Einwanderin, besser bekannt als Agarithe Berger, und Anne Cinquin, die dem Bischof von Algier, dem ebenfalls aus Lyon stammenden Louis-Antoine-Augustin Pavy, ihre Dienste als Haushälterinnen anboten.[1] Sie kümmerten sich um die Wäsche für die Krankenstation des Seminars von Algier. In einem Baum am bewaldeten Hang in der Nähe der bischöflichen Residenz stellten die beiden eine Marienstatue auf, um dort ihren Andachtsübungen nachzugehen. Bald kamen Christen aus der umliegenden Gegend als Pilger an den Ort, der wegen des Abhangs bald Notre Dame du Ravin genannt wurde. Die beiden frommen Damen baten in der Folge Msgr. Pavy, dort eine Kapelle zu bauen, doch dieser zögerte zunächst, bevor er sich am 8. Dezember 1854, dem Tag der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis, dafür entschied, ein Bauprojekt unter dem Namen Notre Dame d’Afrique zu beginnen.[2]

Kapelle Notre Dame du Ravin (Quelle: http://alger-roi.fr/Alger/notre_dame_afrique/pages_liees/13_d_chapelle_notre_dame_ravin_53.htm)

Im Jahr 1857 entstand zunächst eine provisorische kleine Kapelle, die heute noch besteht und den Namen Saint Joseph trägt. Die Statue, die der Bischof auswählte, war eine Bronzekopie der Virgo fidelis von Bouchardon. Diese hatte der erste Bischof von Algier, Msgr. Dupuch, im Jahr 1840 für seine Kathedrale von Gläubigen in Lyon als Geschenk erhalten; da die Kathedrale noch nicht fertig war, fand die Statue den Weg ins Trappistenkloster in Staouëli in der Nähe der Hauptstadt und wurde von Msgr. Pavy schließlich zurückgeholt. Am 2. Februar 1858 wurde der Grundstein der heutigen Basilika auf einer Anhöhe im Viertel Saint-Eugène[3] gelegt. Architekt war Jean-Eugène Fromageau, der auch für andere Kirchenbauten in der Diözese Algier verantwortlich zeichnete. 

Msgr. Pavy, Bischof von Algier und Bauherr der Wallfahrtskirche

Zur Förderung des Bauprojekts scheute sich der Bischof nicht, selbst den Wanderstab in die Hand zu nehmen und in Frankreich für das neue Marienheiligtum in Nordafrika zu werben und Spenden zu sammeln. Zu einem Missionar sagte Bischof Pavy im Jahr 1858: „Was man der Mutter darbringt, wird der Sohn hundertfach vergelten.“[4] Er veröffentlichte auch ein umfangreiches Rundschreiben an die gesamte katholische Welt zur Unterstützung dieses Werkes, in dem er die wechselreiche Geschichte des Christentums in Nordafrika und die Verehrung Marias in diesen Gegenden beleuchtete. Besonders rief er zum beharrlichen Gebet für die Bekehrung der Muslime auf. Er versprach eine Zukunft, in der die Anhänger des Islams Maria nicht nur als Mutter eines großen Propheten anerkennen würden, sondern diese ihnen die Augen über die Gottheit ihres Sohnes öffnen würde. Dies sei die einzige Rache, die sich der Bischof für die jahrhundertelange Versklavung und Verfolgung wünsche, die durch den Hass gegen das Christentum von der nordafrikanischen Küste ausgegangen seien. Msgr. Pavy starb im Jahr 1866, sodass sein Nachfolger, Msgr. Charles Martial Lavigerie, der spätere Erzbischof, Kardinal und Gründer der Missionäre von Afrika (besser bekannt als „Weiße Väter“) das Werk fertigstellen musste.[5] Die Basilika wurde schließlich am Fest Mariä Lichtmess 1872 von Msgr. Lavigerie eingeweiht; am 4. Mai 1873 erfolgte im Rahmen des ersten Provinzialkonzils, das in über einem Jahrtausend in Nordafrika abgehalten wurde, die Übertragung der Statue aus der provisorischen Kapelle in die Basilika. Teilnehmer an den Feierlichkeiten waren alle Bischöfe Algeriens sowie die Äbte der Trappistenklöster Aiguebelle und Staouëli und zahlreiche Vertreter des Welt- und Ordensklerus von Algier.

(Quelle: Rabanus Flavus)

Die Kirche ist äußerlich im neobyzantinischen Stil gehalten und erinnert mit ihrer Kuppel- und Turmform an die Kirche Sacré-Cœur de Montmartre in Paris. Auch das Innere ist orientalisch geprägt, wobei sich blaue Ornamente von der weißen Grundfarbe abheben. Die dunkle Mutter-Gottes-Statue in ihrem blauen Mantel befand sich früher unter einem eigenen Baldachin auf dem Hochaltar direkt über dem Tabernakel. Heute steht nur noch eine Art Podest, auf dem sich die Statue befindet und in dem auch der Tabernakel untergebracht ist. Der Baldachin wurde entfernt. In der Apsis hinter der Statue befindet sich die Inschrift „Notre-Dame-d’Afrique, priez pour nous et pour les musulmans“ (unsere Liebe Frau von Afrika, bitte für uns und für die Moslems). Im Jahr 1876 erfolgte die kanonische Krönung der Marienstatue Unserer Lieben Frau von Afrika und die Erhebung der Kirche zur Basilica minor. Damit wollte Papst Pius IX. nicht nur die neue Wallfahrtskirche ehren, sondern auch der glorreichen Geschichte der nordafrikanischen Kirche mit ihren zahlreichen Heiligen, Kirchenvätern und Märtyrern seinen Tribut zollen. Heute zeugen die zahlreichen ex-Voto-Tafeln, die die Wände der Kirche übersäen, von der großen Verehrung, die neben der Bevölkerung Algiers besonders die Missionäre des afrikanischen Kontinents Unserer Lieben Frau von Afrika entgegenbrachten. Neben den steinernen Dankesgaben der Weißen Väter und Weißen Schwestern finden sich auch acht Tafeln, die der heilige Charles de Foucauld im Zeitraum von 1901 bis 1910 mit der Inschrift „Iesus Caritas“ und einem Herz-Jesu-Symbol dort hinterließ.

Ex Votos des heiligen Charles de Foucauld (Quelle: https://notre-dame-afrique.org/nos-jours/)

Mit der weltlichen Herrschaft Frankreichs hielten bedauerlicherweise auch die Irrtümer der französischen Revolution Einzug in Algerien; Priestern und Bischöfen wurde es unter Androhung von Strafen verboten, sich der Bekehrung der Moslems und Juden in der neuen Kolonie zu widmen. Der Jesuitenpater Ducat, der in Ben Aknoun bei Algier ein Waisenhaus betrieb, empfand den Umstand, dass so wenig zur Bekehrung der muslimischen Bevölkerung getan wurde, als sehr schmerzhaft. Es wurde zwar hier und da für die Bekehrung der Anhänger Mohammeds gebetet, dies geschah nach seinem Urteil aber längst nicht überall und nicht beharrlich genug. Er gründete eine Gebetsgemeinschaft, deren Zweck es war, „durch das Gebet den reichsten Segen vom Himmel auf die Eingeborenen herabzuziehen“ und berichtete bei einem Rombesuch dem Heiligen Vater Pius IX. von seinem Vorhaben. Der Papst war ebenfalls der Meinung, dass gegen den Islam ein „Kreuzzug des Gebets“ nötig sein würde. Auch Msgr. Pavy stimmte den Zielen der Gebetsgemeinschaft zu und errichtete sie im Jahr 1858 als Erzkonfraternität, die auch Mitglieder aus anderen Diözesen aufnahm. Zentrum der Konfraternität war nach den Konstitutionen zunächst die provisorische Kapelle. Alle Mitglieder sollten täglich ein Pater noster, ein Ave und ein Gloria patri mit der Anrufung „Unbeflecktes Herz Mariens, bitte für uns für die armen Ungläubigen!“ beten. Jeden Samstag wurde das Messopfer auf dem Altar Unserer Lieben Frau von Afrika für die Intention der Erzkonfraternität gefeiert; das Hauptfest war der 22. August, das Fest des Unbefleckten Herzens Mariens. Für die Mitglieder in den einzelnen Diözesen sollte jeweils ein Priester die Korrespondenz mit der Leitung der Erzkonfraternität übernehmen und die Mitgliedernamen an diese übermitteln. Die Konfraternität hatte bald mehrere zehntausend Mitglieder in ganz Frankreich. Später kamen Mitglieder aus Deutschland, der Schweiz und selbst aus den Missionen in Thailand hinzu. Besondere Förderung erhielt die Konfraternität auch durch die Weißen Väter, die 1868 von Msgr. Lavigerie in Algier gegründet worden waren und sich unter den besonderen Schutz Unserer Lieben Frau von Afrika gestellt hatten.

 Im frühen 20. Jahrhundert geriet die Konfraternität zusehends in Verfall, da die Priester Frankreichs durch die kirchenfeindlichen Gesetze von 1905 in ihrer Tätigkeit behindert wurden. Zudem überließen die Weißen Väter die Seelsorge in Algier dem Weltklerus und konzentrierten sich vor allem auf ihre Missionen an den Afrikanischen Großen Seen. Am 6. Januar 1923 errichtete Msgr. Augustin-Fernand Leynaud, Erzbischof von Algier, die Gebetsgemeinschaft neu und machte in dem dazugehörigen Hirtenbrief darauf aufmerksam, wie stark der Zug der muslimischen Bevölkerung zu Unserer Lieben Frau von Afrika war. Viele Moslems kamen und kommen noch heute in die Basilika, um zu Meriem zu beten. Er wies noch einmal darauf hin, dass die Bekehrung der muslimischen Welt mit eifrigerem und beharrlichem Gebet beschleunigt werden kann. Die Konstitutionen wurden geringfügig verändert: die Anrufung lautete nun „Unsere Liebe Frau von Afrika, bitte für uns und für die Moslems und die anderen Ungläubigen in Afrika“, während das Hauptfest auf Epiphanie gelegt wurde.

Wie viele andere Wallfahrtsorte auch haben zahlreiche Gläubige bei Unserer Lieben Frau von Afrika die Erhörung ihrer Gebete und sogar wunderbare Heilungen erfahren. So trägt sie auch den Beinamen der „Trösterin der Betrübten“ Ebenso verehrten die Seefahrer Algiers sie in einer eigenen Bruderschaft.[6]

Eine besondere Pilgergruppe brachte im Jahr 1914 Unserer Lieben Frau ihre Verehrung dar. Eine Gesandtschaft der katholischen Häupter Ugandas unter Führung ihrer Missionare, der Weißen Väter, dankte Maria für die Gnaden, die ihr Volk besonders in den vorangegangenen Jahren erhalten hatte:

„Am 19. Februar 1914 sah die Kirche U.L. Frau von Afrika bei Algier eine seltene Feier: vier der vornehmsten Baganda weihten im Namen ihrer 200.000 katholischen Landesbrüder ihr Vaterland der Mutter Gottes.

Diese Wallfahrtskirche ist mit der Geschichte der Weißen Väter und der Ugandamission innig verknüpft: hier wurde der erste Priester der jungen Gesellschaft geweiht, von hier aus sandte Kardinal Lavigerie 1878 die erste Karawane seiner Missionäre ins Herz des schwarzen Erdteils, nach Uganda.

Der Sturm einer blutigen Christenverfolgung ist seitdem über die junge Saat dahingebraust und hat Uganda und der ganzen Kirche 22 Negermärtyrer geschenkt. Und das Blut dieser Märtyrer ist der Same neuer Christen geworden: aus den 4000 Katholiken Ugandas zu Beginn der Verfolgung (1886) sind über 220.000 geworden.

Die frohen Ereignisse der letzten Jahre, die Einleitung des Seligsprechungsprozesses der Bagandamärtyrer und die Weihe der ersten Bagandapriester haben den Katholiken die Größe ihrer Dankesschuld gegen Maria wieder klar vor Augen gestellt und sie gedrängt, aus den Edelsten ihres Volkes vier Gesandte zu wählen, die der Königin Afrikas in ihrem Heiligtum den Dank des ganzen Volkes abstatten sollten. 

Zugleich sollten sie das Mutterhaus der Weißen Väter, Maison Carée, aufsuchen, von dem so viel Segen über Uganda ausgegangen, ihren erkrankten Oberhirten, Bischof Streicher, dort begrüßen und dann als Vertreter des Volkes zum Grabe des Erlösers nach Jerusalem, zum Heiligen Vater in Rom und nach Lourdes wallfahren.

Die Erwählten waren Stanislaus Mugwanja, der bekannte Justizminister des Königreichs Uganda, Alexis Pokino, Statthalter der Provinz Buddu, und der Prinz Joseph Mosonge Wulugembe, Enkel des Königs Mtesa und Vetter des jetzigen Königs. Außerdem hatte Stanislaus aus der Schar seiner 17 Kinder seinen Sohn Benedikt an der Reise teilnehmen lassen.

Am Morgen des 19. Februar wurden die vier Baganda in feierlichem Zuge in die Basilika geleitet, wo sich die Weißen Väter und Schwestern aus dem Mutterhause und dem Noviziat, der Ordens- und Weltklerus und die Katholiken von Algier und Umgebung zur Feier versammelt hatten. Nach dem Pontifikalamt, das Bischof Streicher von Uganda unter Assistenz des Bischofs Livinhac, des Generaloberen der Weißen Väter, zelebrierte, las Stanislaus Mugwanja mit fester Stimme die feierliche Weihe vor: 

‚O heiligste Jungfrau Maria, unsere Mutter, schaue auf uns Kinder Ugandas, die wir hier vor dir knien. 

Wir sind gekommen, um dir in unserem Namen und in dem aller katholischen Baganda Dank zu sagen für die wunderbare Ausbreitung, welche unsere heilige Religion in unserem Land genommen hat. 

Wir danken dir auch für die große Anzahl seeleneifriger Priester, die du zu uns gesandt hast, damit sie uns in den Wahrheiten des Glaubens unterrichten. Wir weihen dir unser Land und unterstellen es deiner Obhut. 

Nimm unsere Weihe huldvoll an und erwirke allen jenen, die unseren heiligen Glauben bereits angenommen haben, die Gnade, ihm treu zu bleiben, jenen unserer Landsleute aber, die dich noch nicht kennen, sowie die Völker rings umher, das unschätzbare Glück, katholisch zu werden und so dahin gelangen, in Wahrheit Jesus, unseren Herrn und Seligmacher, kennen und lieben zu lernen. 

Stanislaus Mugwanja, Alexis Pokino, Josefu Wulugembe.‘

‚Wiewohl wir die Worte nicht verstanden‘, schreibt ein Augenzeuge, ‚hörten wir doch aus seinem Vortrag die tiefe Ergriffenheit heraus.‘

Die schönste Freude bot dieser Tag dem greisen Generalobern der Weißen Väter[7], der als einer der ersten die frohe Botschaft in Uganda verkündet und als Oberhirte der Kirche Ugandas die blutige Verfolgung in ihrer ganzen Bitterkeit verkostet hatte.“

Wie bereits in den frühesten Tagen des Wallfahrtsortes, als sich Muslime den Prozessionen zu Notre-Dame du Ravin anschlossen, so ist die Basilika Unserer Lieben Frau von Afrika auch heute, über 60 Jahre nach Ende der französischen Herrschaft über Algerien und dem fast vollständigen Exodus der christlichen Bevölkerung, eine Stätte, an dem viele Anhänger des Islams sich den Segen von „Meriem“ erbitten. Möge Msgr. Pavys Wunsch in Erfüllung gehen und die Mutter Gottes ihnen die Erkenntnis von der Göttlichkeit ihres Sohnes Jesus Christus vermitteln.



[1] Msgr. Pavy lernte die beiden tugendhaften Frauen, die sich gemeinsam Werken der Nächstenliebe widmeten, als Vikar der Lyoner Pfarrei Saint-Bonaventure kennen.
[2] https://lesfrancais.press/algerie-la-basilique-de-notre-dame-dafrique-a-fete-ses-150-ans/
[3] Heute Bologhine genannt.
[4] Bilhard, A.: Pèlerinage de Notre-Dame d’Afrique à Alger. impr. de Lamarque et Rives, Toulouse 1858
[5] Msgr. Pavys Leichnam wurde auf seinen Wunsch nach der Fertigstellung der Basilika dorthin übertragen und vor dem Hochaltar bestattet.
[6] Lavigerie, Charles:  Notice sur le pèlerinage de Notre-Dame d'Afrique à Alger (2e éd. revue, corrigée et augmentée). Algier 1924
[7] Msgr. Léon Livinhac, erster Apostolischer Vikar von Victoria-Nyanza.