Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier

Samstag, 2. August 2014

Beeindruckendes Glaubensleben bei den Pfriemenherzen-Indianern (Teil 1): Herz Jesu-Freitag

Pfriemenherzen-(Coeur d'Alene-)Indianer, bei De Smet, Idaho

(…) Was aber ungleich mehr in Erstaunen setzte, sei die Wahrnehmung, in welchem Grad hier die Religion das ganze öffentliche und private Leben beherrsche. Zum Beweis greift P. Ganß einen Zug aus dem religiös-kirchlichen Leben der Pfriemenherzen heraus: die monatliche Feier des Herz Jesu-Freitags.

Der (ganz katholische) Stamm zählt 600 Seelen. Es ist nun altes Herkommen, dass am ersten Freitag jedes Monats der ganze Stamm gemeinsam zum Tische des Herrn geht. Da nun die Indianer in einem Umkreis von 40 bis 70 englischen Meilen von der Mission entfernt wohnen, so haben sie sich um die Kirche herum 150 hübsche Bretterhäuschen gebaut und nett eingerichtet. Sie bieten ihnen während der Tage ihres Aufenthaltes ein gemütliches Heim.

Ihre Wohnstätten und Farmen stehen während dieser der Andacht geweihten Zeit vereinsamt. An den betreffenden Donnerstag-Nachmittagen sieht man rings von Hügeln und Tälern ihre Wagen langsam zur Mission heranrollen. Auf denselben führen sie den nötigen Hausrat mit; auch die Hunde werden nicht vergessen. Neben den schwerfälligeren Karren erblickt man leichte Buggies (hohe zweiräderige Jagdwägelchen) und andere moderne Fuhrwerke. Die kühneren und kräftigeren Vertreter beider Geschlechter jedoch kommen hoch zu Ross herangeritten. In der Mission angelangt, spannt man die Pferde aus und lässt sie angeseilt im Freien grasen. Bald wirbelt aus allen Schornsteinen der kleinen Häuschen Rauch auf; überall herrscht reges Leben, jedoch ohne lärmende Aufregung. Inzwischen werden P. Caruana S.J., der bereits 40 Jahre lang unter diesem Stamm wirkt und dem nach Gott diese idealen Zustände vor allem zu danken sind, und P. Hermann Schuler (ein Pfälzer), sein treuer Mitarbeiter, in ihren Beichtstühlen von Andächtigen belagert. Einer nach dem anderen tritt mit weichem Mokassinschritt von seinem Platz vor und verschwindet im Beichtstuhl. Tiefe Sammlung und Andacht malt sich in jedem Zug der dunkelroten narbigen Gesichter. Wer genauer aufmerkt, sieht auch nasse Augen und hört halbunterdrückte Seufzer. Da knien die einen auf dem Boden hingestreckt, die Augen wie gebannt auf den Altar gerichtet, während andere tiefgebeugt an ihre Brust schlagen.
Oft genug zieht sich die Arbeit im Beichtstuhl bis gegen Mitternacht hin, zumal wenn einige der Beichtkinder, aufgehalten durch angeschwollene Flüsse, weggerissene Brücken oder sonst ein Reiseabenteuer erst spät eingetroffen sind.

Am nächsten Morgen beginnt die heilige Messe um 6.30 Uhr. Aber längst ehe die Glocke die Stunde meldet, ist die Kirche gefüllt. Auf der einen Seite knien die Männer, auf der anderen die Frauen. Viele von diesen, wenn nicht die meisten, bringen ihre Säuglinge und kleineren Kinder mit in die Kirche. Der Häuptling Weilschólegu betet die Morgengebete vor, die zehn Gebote, die Akte der Reue usw., alles im Pfriemenherzen-Dialekt, mit seinen zischenden und gurgelnden Lauten, in langsamen, gemessenen Silben, mit gedämpfter Stimme. Die Vorbereitungsgebete für die heilige Kommunion werden gleichfalls gemeinsam von der Gemeinde verrichtet. Vor der Wandlung und nach derselben wird die Strophe eines Liedes gesungen.

Überaus andächtig, ja dramatisch und ergreifend war zumal der Augenblick der Kommunion. Zuerst kamen der Häuptling und seine Ratsmänner geschmückt mit den Abzeichen ihrer Würde, gefolgt von den alten und jungen Männern, alle mit dem Herz Jesu-Skapulier auf der Brust. Den Männern schließen sich die Frauen an, viele ihre Kleinen teils tragend teils mit sich führend, da dieselben keinen Augenblick von ihren Müttern getrennt sein wollen. Nun kam eine Szene, die mir das Wasser in die Augen trieb. Ein altes, ganz verkrüppeltes Mütterchen, an einem Auge blind und von der Gicht ganz zusammengekrümmt, führte mit der Frau eigenen sanften Sorgfalt ein prächtiges Spezimen echt indianischer Männlichkeit zum Altar. Der Mann war blind und ging tastend vorwärts. Noch niemals war uns die evangelische Szene vom Blinden, der am Weg saß und zum Heiland rief: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner! So lebendig vor die Seele getreten. Derselbe Liebesdienst wurde einer Reihe von Blinden, hoch bejahrten Mütterchen, einem armen Fallsüchtigen und mehreren Invaliden erwiesen, die von anderen gestützt oder fast getragen, zum Brot des Lebens hintraten.

Die ganze Szene war, abgesehen von ihrem heiligen Charakter, so dramatisch als nur irgendeine, die man in Oberammergau sehen kann. Da waren sie, die Blinden, Lahmen, Gichtbrüchigen, die Presthaften und die kleinen Kinderchen des Evangeliums, sich hindrängend zum Altar, um sich zu vereinigen und in nächste Berührung zu kommen mit ihrem Herrn und Gott. Es war die Wiedererneuerung der Szenen, die einst in Judäa und Galiläa sich abgespielt, so packend und lebenswahr, wie keine Feder, kein Pinsel sie schildern könnte.

(Aus: die katholischen Missionen, 1904)

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