Zum
Schluss legen wir noch einen Kranz auf das Grab des jugendlichen
Bekennerbischofs Msgr. Theotimus Verhaegen O.F.M. Über das blutige Ende
dieses edlen, heiligmäßigen Sohn des seraphischen Vaters haben wir bereits
früher berichtet. Fassen wir auf Grund genauerer Mitteilungen das dort Gesagte
kurz zusammen.
Im Frühjahr 1904 hatte Msgr. Verhaegen abermals eine Rundfahrt
durch die weite Hupesche Ebene gemacht. Anfang Juli wollte er auch die
Missionen des Berglandes besuchen. Auf dieser Tour fand er den Tod, der seine
Laufbahn so plötzlich beschloss und ruhmvoll krönte. Der Mordanschlag ging, wie
nachträglich festgestellt wurde, von der Geheimsekte der Ko-ti-köi aus. Eine
Bande von etwa hundert mit Messern und Flinten bewaffneten Spießgesellen hatte
sich unter Führung eines gewissen Siang-Hié-tang verschworen, die verhassten
Missionäre aus der Welt zu schaffen. Von verschiedenen Seiten wurde der Bischof
gewarnt. Er hielt die Befürchtungen für übertrieben und setzte seine Reise
mutig fort. Im Marktflecken Schat-se-ti, durch welchen er auf seinem Wege nach
der Missionsstation Ta-tsuo-schiu kommen musste, erwarteten ihn seine Mörder.
Sie nahmen zunächst P. Florentin, einen der Begleiter des Bischofs, der
vorausgeeilt war, um die Ankunft des
Bischofs vorzubereiten, fest, hingen ihn an seinem Zopf [die Priester in den
chinesischen Missionen trugen die traditionellen Zöpfe, als dies noch in China
üblich war] an einem Schandpfahl auf und peitschen ihn grausam mit einem
Ochsenziemer. Auf die Kunde davon machte sich der Bischof in Begleitung seines
leiblichen Bruders P. Friedrich und einer kleinen Schar Christen sofort auf den
weg, um durch seine Dazwischenkunft den bedrohten Mitbruder wo möglich zu
retten, wusste er doch, wie viel durch ein festes, entschiedenes Auftreten in
Verbindung mit Güte und kluger Maßhaltung bei den Chinesen zu erreichen sei. Etwa
hundert Schritte vor dem Eingangstor von Scha-tse-ti erblickte man eine Schar
bewaffneter Leute auf einer kleinen Anhöhe. Die Palankinträger blieben
erschrocken stehen; aber der Bischof gebot ihnen, weiterzugehen. Erst als ein
Steinregen und Flintenschüsse von oben die wahre Absicht der Wegelagerer
verrieten, ließ der Bischof Kehrt machen. In diesem Augenblick aber brach aus
den Maisfeldern eine Rotte Mordgesellen hervor und stürzte sich mit dem Ruf:
Tod den Europäern! auf die kleine Karawane. Vier der christlichen Begleiter,
darunter der Diener des Bischofs, wurden niedergemacht. Der Bischof erhielt
beim Aussteigen aus seiner Sänfte [wohl als notwendiges Zeichen ihrer Autorität
und Stellung benutzten die Missionsbischöfe in China Tragesänften] einen
Lanzenstich in den Unterleib und wurde dann mit Knütteln und Messern in grässlicher
Weise gemordet. Der Leichnam wies an 30 Wunden auf. P. Friedrich erlitt
dasselbe Schicksal. Nachdem sich die Mörder in einer nahen Schenke
vollgetrunken, schleppten sie auch den P. Florentin herbei und töteten ihn mit
Knütteln und Messerstichen. Die sieben Leichen wurden sodann in das
ausgetrocknete Bett eines nahen Baches geworfen und mit Erde lose zugedeckt. Es
war der 8. Juli.
Drei Tage nach dem Mord ließ der nächste Ortsmandarin die
Leichen aufheben, in Särge legen und zunächst nach Ta-tso-schiu bringen. Von
dort wurden sie später in ehrenvoller Weise nach der Bischofsstadt Itschang
gebracht und auf Kosten der Mandarine unter feierlichem Gepränge beigesetzt.
Zur Sühne des Verbrechens verpflichtete sich die chinesische Regierung außer
den üblichen Leistungen zur Errichtung eines Spitals in Li-tschoan-hieu.
Der
Bekennertod dieses jüngsten der chinesischen Missionsbischöfe war der würdige
Abschluss eines kurzen, aber überaus schönen Lebens. Bereits als Knabe von
sieben bis acht Jahren suchte der kleine Flamländer (Verhaegen war am 19.
Februar 1867 in Mecheln geboren) in seinem Schulatlas das große chinesische
Reich auf und träumte davon, wie er einst als Missionär dorthin ziehen und die
armen Heiden retten wolle. Nach glänzendem Abschluss seiner Studien war er
bereits auf dem Weg zum Scheutvelder Missionsseminar, als eine Eingebung ihn
zum Orden des hl. Franziskus führte. Zum Priester geweiht musste er erst einige
Jahre als Professor seine Sehnsucht nach den Missionen zügeln. Endlich 1894
schlug seine Stunde. Bei den feierlichen Abschiedszeremonien, wie sie in
manchen Genossenschaften die Absendung neuer Missionäre begleitet, ereignete
sich ein ergreifender Zwischenfall. Als der greise Vater Verhaegens die Stufen
des Altares hinaufstieg, um seinem Sohn die Füße zu küssen (vgl. zur Erklärung
Röm. 10, 15), warf sich dieser einer plötzlichen Bewegung folgend dem Vater zu
Füßen und bat ihn um seinen letzten Segen. Die Szene rührte die Zuschauer zu
Tränen. Bei U. L. Frau von Oostacker holte er sich auch den Segen der
himmlischen Mutter und bat sie, falls es Gottes Wille sei, um die Gnade des
Martyriums.
Rasch
hatte der junge Missionär sich in die chinesische Sprache und Verhältnisse
eingelebt und sich zu einem tüchtigen Missionar entwickelt. 1900 übernahm er,
erst 33 Jahre alt, die Leitung der schwierigen Binnenmission. Seine Ernennung
fiel in die stürmische Zeit der Boxerwirren. Die ohnehin kleine Herde (6.000
Seelen auf 9 Millionen Heiden) war verscheucht. Mutig gab sich Msgr. Verhaegen
daran, den verwüsteten Acker wieder in Stand zu setzen, was ihm mit Hilfe des
kräftigen Zuzuges aus Belgien in überraschend kurzer Zeit gelang. Voll Freude
meldet er am 29. Oktober 1903 seinem Ordensgeneral den glücklichen Fortgang. „Dank
dem Eifer meiner wackeren Missionäre hat sich die Zahl der Katechumenen fast
wunderbar vermehrt und konnten wir nicht weniger als 13 neue Gemeinden bilden
als ebenso viele Mittelpunkte, von denen aus das Christentum sich verbreiten
wird.“ Rastlos durcheilte der unermüdliche Oberhirt seinen weiten Sprengel,
fast ohne sich Ruhe zu gönnen. Sein Eifer ließ ihn die Warnungen überhören, die
auf seiner letzten Rundfahrt von seinen Christen ihm zugingen, und so fand er
schon früh den Tod, den er sich als Krone seines apostolischen Berufes
gewünscht. Wie wir hören, gedenkt die Stadt Mecheln das Andenken ihres ruhmvoll
im Kampfe gefallenen Mitbürgers durch Errichtung eines Denkmals zu ehren.
(Aus:
die katholischen Missionen, 1905)
Das Apostolische Vikariat Süwest-Hupé unter Leitung der Belgischen Franziskanerprovinz war durch die Vielzahl der Verfolgungen, die seine fanatischen heidnischen Bewohner entfachten und denen zahlreiche Christen und mehrere Missionäre zum Opfer fielen, als „Blutmission“ bekannt. 1898 wurde der im Ruf der Heiligkeit stehende junge Missionär P. Victorin Delbrouck O.F.M. grausam ermordet.