„Der
Same ist das Wort Gottes.“ Wird es zur Aussaat nicht hinausgetragen, dann
bleibt der große Acker der Heidenwelt tot und unfruchtbar für die Ewigkeit. Der
traurige Zustand der Heidenwelt zeigt uns zur Genüge, wie notwendig die Aussaat
des göttlichen Samens ist. Aus sich selbst vermag der Mensch nicht die
übernatürlichen Wahrheiten zu erfassen und zur Kenntnis der Geheimnisse des
heiligen Glaubens zu gelangen. Gott muss sie uns offenbaren. Wenn es daher
Glaubensgeheimnisse gibt, deren Kenntnis dem Menschen zu seinem Heil notwendig
sind, so schließen wir mit Recht auf die Notwendigkeit der Mission. Die
göttliche Offenbarung, die für alle Menschen gegeben wurde, darf keiner einzigen
Menschenseele vorenthalten bleiben. Der Same des Wortes Gottes muss ausgesät werden über die Völker, dann wird
zur Wahrheit werden das Wort des Propheten Isaias: „Die Erde ist voll der
Erkenntnis des Herrn, wie Gewässer den Meeresgrund decken“ (Is. 11, 9).
„Der
Same ist das Wort Gottes.“ Wie der Mensch durch eigene Verstandeskraft die
hohen Glaubenswahrheiten nicht erfassen kann, so kann er auch nicht durch
eigene Willenskraft der erkannten Wahrheiten nachstreben. Gottes Gnade muss ihm
zu Hilfe kommen. Je mehr wir, andächtige Christen, von der Notwendigkeit der
göttlichen Gnade für den Menschen überzeugt sind, desto mehr wird sich uns auch
die Überzeugung aufdrängen, wie notwendig die Missionstätigkeit und wie groß
die Pflicht ist, sie auch auszuüben. Gott hat die vorzüglichsten Gnaden unseres
übernatürlichen Lebens an die Heilsmittel, die heiligen Sakramente, gebunden.
Ihre Verwaltung und Ausspendung hat er der Kirche anvertraut. Das Hirtenamt der
Kirche hat daher die Pflicht, die ihr anvertrauten Heilsmittel allen Menschen
zugänglich zu machen. Wie allen Menschen das Wort Gottes gepredigt werden
soll, so sollen alle durch den Geist der
göttlichen Wahrheit gestärkt und befestigt werden, soll allen das lebendige Brot
des Lebens gereicht werden. „Wenn jemand
nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste, kann er nicht
eingehen in das Reich Gottes“ (Jo. 3, 5), und: „So jemand isst von diesem
Brote, wird er leben in Ewigkeit; und das Brot, welches ich geben werde, mein
Fleisch ist es für das Leben der Welt“ (Jo. 6, 52).
(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)