Im
16. Jahrhundert hatten die Spanier an der afrikanischen Küste einige Bollwerke
zum Schutz wider die Seeräuber angelegt. In eines derselben wurde mit anderen
Gefangenen im Jahre 1538 ein kleiner arabischer Knabe geschleppt; ein
Geistlicher namens Johann Cars kaufte ihn, unterrichtete ihn im Glauben und spendete
ihm die heilige Taufe, wobei der Kleine den Namen Hieronymus erhielt.
Etwa
vier Jahre später gelang einem Teil der Araber ein Fluchtversuch; diese nahmen
Hieronymus mit sich und führten ihn in die Heimat zu seinen Eltern. Aber der
Same des Glaubens, der in das jugendliche Herz gestreut war, keimte fort, und
im Alter von 21 Jahren kehrte der Araberjüngling freiwillig mit seiner jungen
Frau zu den Christen zurück und übte öffentlich den christlichen Glauben aus,
zu dem er auch seine Braut bekehrt hatte.
Einige
Jahre später kreuzte Hieronymus in einem kleinen Boote unfern der Küste. Da kam
ein Seeräuberschiff, nahm ihn mit neun Gefährten gefangen und schleppte ihn
nach Algier auf den Sklavenmarkt. Bey von Algier war damals Ali el-Eudi, ein
Renegat (d. h. ein zum Muhammedanismus abgefallener Christ) und diesem
Menschen fiel Hieronymus als Beuteanteil zu. Kaum gewahrte der Abtrünnige, dass
der neue Sklave ein zum Christentum bekehrter Araber sei, als er ihm auch mit
dem ganzen Ingrimm eines abgefallenen Christen den Glauben Muhammeds wieder
aufnötigen wollte. Von nun hatte Hieronymus Unsägliches zu leiden, aber er
wankte nicht.
Die
Sarazenen umgaben damals Algier mit starken Festungswerken und eben war man mit
der Erbauung eines Forts beschäftigt. Seine Mauern wurden aus gewaltigen
Blöcken aufgetürmt, die man künstlich aus Steinen, Mörtel und Sand in großen Mulden
formte. Als der Renegat eines Tages die Arbeit seiner Leute überwachte, sagte
er plötzlich zu dem Aufseher: „Lasse diese Mulde bis morgen leer! Der Hund von
Araber soll mir in diesen Block gebacken und in die Feste eingemauert werden.“
Der
Aufseher, ein Christ, suchte alsbald Hieronymus auf, verkündete ihm sein
Schicksal und ermahnte ihn zur Standhaftigkeit. Der christliche Sklave sagte
nur: „Gott sei mir gnädig und verzeihe mir meine Sünden!“ und bereitete sich
dann ruhig auf den Opfertod vor. Die Stunde des letzten Kampfes schlug;
Hieronymus stand, von den Knechten des Bey umgeben, an der halbgeöffneten
Mulde. „Wohlan, du Hund,“ schrie der unglückliche Renegat, „ein für alle Mal –
willst du den Glauben des Propheten Muhammed wieder annehmen oder nicht?“ – „Nein,“
antwortete Hieronymus, „weder du noch alle deine Qualen sollen mich dazu
vermögen!“ „Siehst du diese Mulde?“ entgegnete jener, „noch eine Minute und du
liegst lebendig begraben in ihr!“ Aber der Märtyrer sagte ruhig: „Tue nach
deinem Willen.“ Da knirschte der Bey vor Wut mit den Zähnen und winkte seinen
Sklaven. Augenblicklich wurde der glorreiche Blutzeuge in die Mulde gelegt und
lebendig mit der Masse überschüttet. Kaum war eine Schicht über ihn gelegt, da
sprang ein spanischer Renegat in die Mulde und trat mi seinen Füßen die
Mischung über dem lebendig Begrabenen fest, wütender selbst als die Muselmänner,
denn abgefallene Katholiken sind stets die ersten in jeder Verworfenheit. Da
der Block, zugleich das Sterbelager und der Sarg des Martyrers, fest war, wurde
er alsbald den Mauern des Forts eingefügt. Das geschah am 8. September, am Tage
Mariä Geburt, des Jahres 1569.
Seither
sind viele, viele Jahre verflossen und niemand dachte mehr an den treuen
Araber, der so heldenmütig sein Leben für seinen Glauben dahingegeben hatte.
Aber das allsehende Auge Gottes, das vom Himmel herab die Taten der Menschen
schaut, hatte den Zeitpunkt der Verherrlichung seines Diener vorherbestimmt und
in unseren Tagen, fast drei Jahrhunderte nach dem Martertod des armen Sklaven,
sollte an eben der Stätte seines Kampfes sein Triumph auch vor den Augen der
Menschen kund werden. Ein spanischer Geschichtsschreiber, Don Diego de Haedo,
hatte die Nachricht von dem Martertod in seinen Büchern aufgezeichnet und
zugleich den Wunsch ausgedrückt, Gott möchte dereinst die Stelle offenbaren, an
der die kostbaren Überreste ruhten, damit sie eine würdigere Bestattung fänden.
Das sollte sich erfüllen.
Als
die Franzosen Herren des Landes geworden waren, befahl der französische Gouverneur,
das Fort, in dem der Leib des Märtyrers eingemauert war, zu schleifen. Die mit
der Überwachung dieses Unternehmens betrauten Offiziere gaben sich alle Mühe,
die Reliquien aufzufinden; aber schon schien alles Suchen umsonst, als
plötzlich das Sprengen einer Mine am 27. Dezember 1853 einen Steinblock
spaltete und den lange gesuchten Leib offen legte.
Bald
darauf bewegte sich eine glänzende Prozession, an deren Spitze zwei Bischöfe
und ein Abt schritten, aus den Trümmern des Forts nach der Kathedralkirche von
Algier. Dahin übertrug man die Überreste des ehrwürdigen Hieronymus und dort
ruhen sie jetzt vorläufig in einem Grabe, bis sie nach Beendigung des
Heiligsprechungsprozesses auf den Altären dereinst zur Verehrung ausgesetzt
werden.
(Aus: die katholischen Missionen, 1876)