„Jesus,
Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ (Lk 18, 38)
In
der Nähe des göttlichen Heilandes belebt sich der Glaube und die Hoffnung des
Blinden. Wir hören, wie er mit aller Zuversicht seine Bitte stellt: „Herr, dass
ich sehend werde.“ Um sein Augenlicht bittet der Blinde. Um das eine fleht er,
was ihm vor allem nottut zu einem glücklichen Leben. Er verschmäht alles
andere, denn was immer er haben könnte, ohne Licht kann er nicht schauen, was
er hat. Nicht um Reichtum bittet er, nicht um Ehre, nicht um Brot, nur um das
eine: „Herr, dass ich sehend werde.“
Andächtige
Christen! Nur eines tut den Heiden not: dass sie sehend werden. Was nützt alles
andere, was Kulturreichtum, was Literaturstolz, wenn ihnen das Licht fehlt, um
den wahren Wert der Dinge abzumessen. Mache, o Herr, dass sie sehend werden und
die Blindheit ihrer Seelen gehoben werde, mit der eitler Götzenwahn sie
geschlagen hat; dass sie sehend werden und die Irrwege schauen, ihre Wege der
Torheit und der Sünde; dass sie sehend werden und dich als Gott erkennen und
Christus, deinen Sohn, den du gesandt hast, und so das ewige Leben haben.
Die
Blindheit der Heidenwelt soll gehoben werden durch das Licht des wahren
Glaubens. Dieses Licht, andächtige Christen, muss ihnen gebracht, und zwar
durch uns gebracht werden. Unser Glaube muss seinen hellen Schein in die Nacht
der Heidenwelt tragen: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5, 14). Wir alle sind
nach den Worten des hl. Paulus Lichtkinder und Tagessöhne (1 Thess 5, 5), und
Lichtträger sollen wir sein der Heidenwelt. „Gesetzt habe ich dich zum Lichte
der Heiden, dass du seiest zum Heile bis an das Ende der Erde“ (Apg 13, 47).
Diese Worte, die von den ersten Heidenmissionären, den hll. Paulus und
Barnabas, geschrieben stehen, gelten auch von jedem Missionär, der mit der
Leuchte des Evangelium zu den Heiden hinauszieht, gelten von jedem Christen,
der in seiner Glaubensüberzeugung das heilige Missionswerk unterstützt. Nur auf
diese Weise kann die Kirche ihre Missionspflicht erfüllen und im Namen ihres
göttlichen Stifters auf die Bitte der Heidenwelt antworten.
(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)